1 ...6 7 8 10 11 12 ...15 23 Siehe hierzu A. LOICHINGER, Ist der Glaube vernünftig? Zur Frage nach der Rationalität in Philosophie und Theologie. 2 Bde., Neuried 1999.
24 Vgl. hierzu auch F. GRUBER, Diskurs und Konsens im Prozeß theologischer Wahrheit, Innsbruck/Wien 1993, 255–332.
25 Vgl. vor diesem Hintergrund das fundamentaltheologische Kontrastprogramm von Th. RUSTER, Glauben macht den Unterschied; DERS., Der verwechselbare Gott. Theologie nach der Entflechtung von Religion und Christentum, Freiburg/Basel/Wien 2001.
26 Vgl. hierzu P. HOFMANN, Die Bibel ist die Erste Theologie. Ein fundamentaltheologischer Ansatz, Paderborn/München/Wien/Zürich 2006; DERS., Die Bibel als erste Erkenntnisquelle der Theologie, in: J. Meyer zu Schlochtern/R. A. Siebenrock (Hg.), Wozu Fundamentaltheologie? Zur Grundlegung von Theologie im Anspruch von Glaube und Vernunft, Paderborn/München/Wien/Zürich 2010, 59–71.
27 Zu diesem Standardeinwand, der die Vergeblichkeit vernunftzentrierter Glaubensreflexion vor Augen stellen will, siehe etwa J. WERBICK, Einfüh-rung in die theologische Wissenschaftslehre, Freiburg/Basel/Wien 2010, 9–32.
28 Vgl. hierzu die instruktiven Studien zur Wahrheitsfähigkeit religiöser Traditionen in I. U. DALFERT/Ph. STOELLGER (Hg.), Wahrheit in Perspektiven, Tübingen 2004.
29 In seinem Spätwerk stellt AUGUSTINUS (354–430) klar, dass es – unbeschadet seines Gnadencharakters – keinen unbedachten, vernunftlosen Glauben geben kann: Glauben ist „nichts anderes, als mit Zustimmung denken“ (De praedestinatione sanctorum liber unus, nr. 2,5/PL 44, 963: „nihil aliud est quam cum assensione cogitare“). Denn niemand vermag etwas zu glauben, von dem er nicht zuvor eingesehen hat, es könne geglaubt werden. Es ist unumgänglich, dass alles, was geglaubt wird, aufgrund eines vorausgehenden Denkens geglaubt wird („necesse est tamen ut omnia quae creduntur, praeveniente cogitatione credantur“). Nicht jeder Denker ist ein Glaubender, aber jeder Glaubende denkt. Er (be)denkt alles, was er glaubt, indem er im Glauben denkt und im Denken glaubt („sed cogitat omnis qui credit, et credendo cogitat, et cogitando credit“). Der Grund hierfür liegt darin, dass der Glaube ein Bewusstseinsinhalt ist und darum den Bedingungen entsprechen muss, die für Bewusstseinsvollzüge gelten, d. h. er muss intelligibel, einsichtig und zustimmungsfähig sein.
30 Wohl nur in diesem Sinne sind der Vernunft etliche Stellungnahmen des kirchlichen Lehramtes zumutbar, wenn diese sich von der Begegnung von Vernunft und Glaube eine „Weitung“ oder „Reinigung“ der Vernunft versprechen. Vgl. exemplarisch BENEDIKT XVI., Glaube, Vernunft und Universität, in: Ch. Dohmen (Hg.), Die Regensburger Vorlesung, Regensburg 2007, 11–26; JOHANNES PAUL II., Enzyklika „Fides et Ratio“ (hg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz), Bonn 1998.
31 Vgl. ARISTOTELES, Metaphysik: „Es ist unmöglich, dass eine Aussage und ihre Leugnung in bezug auf dasselbe zugleich wahr sei“ (Met. IV 6, 1011b, 15–17). Logische Widerspruchsfreiheit korreliert mit ontologischer Widerspruchsfreiheit: „Es ist unmöglich, dass dasselbe demselben und unter derselben Hinsicht zugleich zukomme und nicht zukomme“ (Met. IV 3, 1005b, 19 f.). Siehe hierzu auch A. J. SCHLICK, Über den Satz des Widerspruchs im vierten Buch der aristotelischen Metaphysik, Würzburg 2011.
32 Zur Bedeutung des Nichtwiderspruchsprinzips als Richtmaß jedweden sinnvollen Denkens siehe St. SCHICK, Contradictio est regula veri. Die Grundsätze des Denkens in der formalen, transzendentalen und spekulativen Logik, Hamburg 2010.
33 Für maßgeblich und Maßstäbe setzend bei der Operationalisierung des Nichtwiderspruchsprinzips halte ich im Kontext zeitgenössischer Rationalitätstheorien das Konzept diskursiver Rationalität , welches die Objektivität und Normativität der Vernunft als Intersubjektivität argumentativ gestützter und konsensuell beglaubigter Handlungsgründe rekonstruiert und den Test auf die Universalisierbarkeit von Daseinsdeutungen und Handlungsorientierungen mit der Zustimmung aller von ihrer Umsetzung betroffenen Subjekte als Teilnehmer eines rationalen Diskurses verknüpft. Es handelt sich hierbei um ein Vernunftkonzept, das am ehrgeizigsten sowohl die rationalitätskritischen Lektionen der Moderne verarbeitet als auch eine Begründung der Sache der Vernunft aus unhintergehbaren Ermöglichungsgründen des Denkens und Handelns nicht vorzeitig aufgibt. Zur ausführlichen Erörterung der Relevanz dieses Ansatzes für die Diskussion religiöser Geltungsansprüche siehe H.-J. HÖHN, Zeit und Sinn. Religionsphilosophie postsäkular, Paderborn/München/Wien/Zürich 2010, 73–104.
§ 3 Streitfälle:
Gott – Offenbarung – Heilswege
Jeder Streit hat eine Vorgeschichte. Er kann zwar plötzlich ausbrechen, aber er bleibt ohne Schärfe und Dramatik, wenn ihm nicht ein Konflikt zugrunde liegt, der schon längere Zeit schwelt. Dies unterstellt auch der folgende Versuch einer Neuformatierung der klassischen fundamentaltheologischen demonstrationes . Sie sind per se als Streitfälle zu betrachten. Denn wer für etwas demonstriert und mit Transparenten auf die Straße geht, setzt sich für ein Anliegen ein, dem es an Anerkennung mangelt. Nicht anders verhält es sich mit den großen Themen der Fundamentaltheologie. Wer/was es verdient, in Wahrheit und Wirklichkeit „Gott“ genannt zu werden, ob es Orte und Ereignisse seiner Offenbarung in der Geschichte gibt, welche Wege der Erschließung von Heil und Erlösung damit verbunden sind – dies sind zwar aktuell Randthemen für eine säkulare Öffentlichkeit. Aber sie berühren Menschheitsfragen, die in und für multireligiöse Gesellschaften erneut an Bedeutung gewinnen. Sie zu verdrängen oder zu verschweigen dient niemandem – ebensowenig wie die Bereitschaft, sich mit überkommenen Antworten zufriedenzugeben. 34
So kann man etwa bei der Streitsache Gott längst nicht mehr davon ausgehen, dass sich in der Welt ein Verweisungszusammenhang rekonstruieren lässt, der – etwa im Stile der „quinque viae“ des Thomas von Aquin – unzweideutig auf Gott hin auslegbar ist. Strittig ist hierbei nicht die Maxime: Wer von Gott reden will, muss zugleich von der Welt sprechen, soll diese Rede nicht geschichts- und kontextlos sein. Wohl aber gehen die Auffassungen auseinander, wie man dieser Maxime zeit- und sachgemäß gerecht werden kann. In der Moderne von Gott zu reden heißt nämlich zugleich, von einer Welt zu reden, deren Verfassung und Selbstverständnis die überkommene Gottesrede weitgehend unmöglich machen. Verdient allenfalls eine „theologia negativa“ noch Gehör, welche auf die radikale Verschiedenheit von Gott und Welt abhebt und dabei die radikale Transzendenz und Alterität Gottes betont? In diesem Fall erscheint das Anders- und Verschiedensein Gottes gegenüber der Welt als plausibler Grund für seine innerweltliche Unausweisbarkeit. Aber ein solcher Lösungsweg hat wiederum erhebliche Folgen für die fundamentaltheologische Anschlussreflexion der Bedingungen und Möglichkeiten einer „Selbstoffenbarung“ Gottes in Welt und Geschichte. Wie soll sich der radikal von der Welt verschiedene Gott in der Welt offenbaren können, ohne dabei das Moment der Alterität aufzuheben, das gewahrt bleiben muss, um Gott als Gott zu denken?
Man kann dieser Frage scheinbar elegant ausweichen, indem man Zuflucht bei einem „All-Einheits-Denken“ oder einem erneuerten Pan(en)theismus sucht und diesen obendrein als kompatibel mit dem Paradigma „Evolution“ bzw. einer naturwissenschaftlichen Kosmologie ausgibt. 35Die Verschiedenheit von Gott und Welt wird dabei so angesetzt, dass sie nochmals von einer Hyper-Einheit umgriffen ist, die ihrerseits Gott zugerechnet wird. Alles Endliche und Geschaffene geht in diesem Modell aus einer (evolutiven) Selbstdifferenzierung des Absoluten bzw. Göttlichen hervor. Fraglich ist jedoch, wie bei einem solchen Versuch die Unterscheidung von Transzendenz und Immanenz sowie die radikale Autonomie des Welthaften und die Alterität Gottes noch gedacht werden können. Gleichwohl kommt ein derartiger Ansatz vielen religiös Suchenden und ihrem Bedürfnis nach mystischer Vereinigung oder Einheit mit dem Göttlichen entgegen. 36Und er scheint auch dialogfähig mit spirituellen Traditionen zu sein, die hinduistisch oder taoistisch geprägt sind. 37Ob stattdessen die christliche Theologie nicht eher auf einem dialogischen Gegenüber von Gott und Mensch insistieren oder die Gemeinschaft von Gott und Mensch derart denken sollte, dass sie eine „communio“ der bleibend Verschiedenen impliziert, eröffnet eine grundsätzliche Alternative, deren Erörterung breiten Raum beansprucht. 38
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