1 ...7 8 9 11 12 13 ...19 Eigentlich möchte ich keinen Gasthof auf Unkosten oder zum Nutzen eines anderen rühmen oder tadeln. Strenge Unparteilichkeit ist Pflicht des Schriftstellers; er soll reine Wahrheit suchen und diese nach seiner Überzeugung aussprechen. Dagegen sollten aber auch die verschiedenen Wirte nie aufeinander eifersüchtig sein, weil jeder nach Massgabe seiner Aufmerksamkeit für die Gäste gut bestehen wird.
Alle Samstage wird im Staadhof getanzt. Vor 20 und 30 Jahren belustigten sich hier nur Bürgersleute und ich selbst habe noch an diesen Sonnabendbällen wackere Fleischer und Müller ohne Ärmel hinter dem Tische sitzen, trinken und ihre Pfeife rauchen sehen. Der Hauptball der vornehmeren schönen Welt fand erst am Sonntagabend in dem sogenannten grünen Saal im Hinterhofe statt. Allein dieser darf jetzt wegen seiner Baufälligkeit nicht mehr dazu benutzt werden, und in der Regel tanzt man nur noch im Staadhof. Die Gesellschaft sämtlicher Höfe und Badanstalten, jeder gesittete, anständig gekleidete Gast kann an diesem Ball teilnehmen. Der Staadhofwirt verrechnet eine Kleinigkeit für die aufgetragenen Erfrischungen und die Tänzer bezahlen die Musik.
Die ganze Woche hindurch freuen sich die jüngeren Frauenzimmer, welche nur für ihr Vergnügen hier sind, auf diese Gelegenheit, ihren mitgebrachten Putz anzuwenden und sich recht satt zu walzern. Zu Pferd, in Wagen und Schiffen strömen an diesen dem Tanz gewidmeten Sonnabenden die jungen Herren herbei, und der gemischte Ball, wo neue Bekanntschaften gemacht, alte erneuert und kleine Liebesromane gespielt werden, dauert meistens länger als die Regeln der Kur es eigentlich gestatten.
Da wir jetzt sämtliche Grossen Bäder auf dem linken Limmatufer kennen, wollen wir uns auf das rechte hinübersetzen lassen, wozu immer eine Fähre bereit ist, und noch einen flüchtigen Blick auf die dortigen Kleinen Bäder in Ennetbaden werfen, welcher Ort zwar sein abgesondertes Gemeindegut besitzt und von jeher eigene Vorsteher zur Besorgung seiner Privatrechte, daneben aber teil am Kirchen- und Armengut der Stadtgemeinde hatte und dieser politisch und polizeilich einverleibt war. Seit Kurzem sitzt ein angesehener Bürger von Ennetbaden im Stadtrat. Allein man geht damit um, diesen Nebenort vermittelst Abreichung einer Kapitalsumme von der Stadt zu trennen und in eine für sich ganz allein bestehende Gemeinde zu verwandeln.
Die Kleinen Bäder, wo gewöhnlich nur Bauern, Handwerker und weniger bemittelte Leute einkehren, bilden eine eigene Kolonie und haben mit den Grossen jenseits keinerlei Gemeinschaft. Die hier dicht am Fluss entspringenden Quellen, eine grosse und vier kleinere, gehören den vier Badwirten Zum Stern, Zum Engel, Zum Rebstock und Zum Hirschen. Ein fünftes Wirtshaus, Zum Löwen, besass ehemals einen fünften Teil an diesen Quellen, und die Gemeinde Ennetbaden hatte einen sechsten Teil angesprochen, woraus ein Prozess entstand, welcher durch ein von den acht alten Orten am St. Ulrichstag 1512 gefälltes Urteil dahin entschieden ward, dass zwar die Bürger von Ennetbaden sich des dortigen Freibades sollten unentgeltlich bedienen dürfen, aber nur wenn sie neben den Gästen der fünf Wirtshäuser Platz fänden, und dann müssten sie noch, eh sie sich ins Bad setzen dürften, ihre Füsse rein waschen. Für diesen Zutritt ins Bad muss die Gemeinde noch heutzutage den sechsten Teil an die Kosten zur Unterhaltung des Freibades und an die Besoldung des Badwäschers zahlen. Im Jahr 1536 brannte das Haus zum Löwen ab, und da dasselbe nicht wieder aufgebaut wurde, fiel sein Fünftel an den Quellenrechten auf die vier übrigen Badhäuser zurück und der Platz ward zum Stern gekauft.
So wie wir aus dem Schiffe steigen, sehen wir zur Linken das grosse gemeinschaftliche Schröpfbad, in welchem selbst eine der vier kleineren Quellen aus der Erde hervorströmt. Es kann gegen 60 Personen fassen und hat zur Seite noch eine besondere Abteilung. Einige Schritte höher zur Rechten des kleinen Platzes steht ein anderes öffentliches Bad, welches sein Wasser zunächst aus der Hauptquelle bezieht. Diese sind aber nicht unbedingte Freibäder, indem jeder, welcher, ohne Bürger von Ennetbaden zu sein, sich derselben bedienen will, für den Tag im Schröpfbad einen, im anderen öffentlichen Bad aber zwei Schillinge bezahlen muss. Hier wird auch kein Almosen ausgeteilt; dagegen sind diese Bäder gehörig eingefasst, bedeckt und gegen Wind und Wetter geschützt. Die Badschillinge fallen in eine gemeinschaftliche Büchse, aus welcher die vier Wirte ihren Kostenanteil an den Unterhalt dieser öffentlichen Bäder und die Besoldung des bei denselben angestellten Badwäschers bestreiten. Das Schröpfrecht, das sie jüngst durch Kauf an sich gebracht, haben sie bereits für 380 Gulden jährlichen Zins verpachtet.
Zum Stern, wo kürzlich nur viere waren, gehören nun durch Anbau von vier neuen acht; Zum Engel nur vier, Zum Rebstock durch vier neu hinzugekommene acht und Zum Hirschen, ebenfalls durch vier neue, acht Privatbäder, welche alle sehr reinlich sind, wovon indes der grössere und ältere Teil für nicht viel mehr als öffentliche Bäder gelten kann, indem wenigstens über den stärksten Andrang die Hausgäste darin so nahe als möglich zusammengesetzt werden. Die auffallend zunehmende Betriebsamkeit der Badwirte wird aber diese Anstalten bald zu gemächlicherem Gebrauch vermehren und erhöhen.
Kraft alter Freiheiten hatten diese Wirte eine Polizeiordnung entworfen, welche ihnen am St. Luzientag 1506 vom Schultheiss und Rat bestätigt ward. Darin heisst es unter anderem: «Fragt ein Gast, wo gut Zehrung wäre, soll und mag ein Knecht und sein Weib wohl reden an allen Orten und Enden» (das heisst in allen Wirtshäusern gleich gut), «fragt aber ein Gast mit Namen in ein Haus, das soll man ihm weisen und sagen.»
Vor Zeiten war den Juden in Ennetbaden ein eigenes, abgesondertes Bad eingeräumt, das aber für sie eingegangen ist. Die Wirtshäuser Zum Kreuz, Zum Rössli, Zum Ochsen, welches letztere sehr fröhlich gelegen und empfehlenswert ist, haben keinen Teil an den Quellen, folglich auch keine eigenen Bäder. Ihre Gäste dürfen sich bloss der öffentlichen bedienen.
Die hier befindliche St. Michaelskapelle wird von den Kapellanen der Stadtkirche versehen.
Früher soll es in Ennetbaden etwas liederlich zugegangen sein und angesehene Leute, die sich schämten, ihre Bacchanalien mit feilen Dirnen in den Grossen Bädern unter den Augen vieler Zuschauer zu begehn, fanden hier Gelegenheit dazu. Dergleichen ist jetzt nicht mehr zu bemerken, und mit Ausnahme der Sonn- und Festtage, wo benachbarte Landleute sich hier zum Trunk, zu Spiel und Tanz versammeln, herrscht Ordnung und Stille in den Kleinen Bädern. Wir finden weiter nichts zu beobachten, setzen uns wieder in den Nachen und lassen uns auf das linke Ufer zurückführen.
Dort bilden die sämtlichen Grossen Bäder, welche als integrierender Teil zur Stadtgemeinde gehören, einen eigenen Eingang, welcher an der Halde durch das Haupttor beim Landungsplatz am Wasser und bei der Mattenkirche durch Nebentore alle Nacht abgeschlossen wird. Der Hinter- und Staadhof haben noch ihre besonderen Tore. Um nicht eine weitläufige und verwirrende Beschreibung aller auf beiden Flussufern befindlichen Quellen und ihrer Verteilung in die verschiedenen öffentlichen und Privatbäder und aller Gebäude liefern zu müssen, verweise ich auf den hinten beigefügten Grundriss, den ich der Gefälligkeit des Herrn Leonhard Schulthess im Lindengarten zu verdanken habe, welcher auf seinem Originalplan die jedes Jahr vorfallenden Veränderungen mit grosser Genauigkeit nachträgt. 13
Über die Quellenrechte und das jedem Eigentümer zukommende Quantum Wasser wachen und ordnen wie vormals Schultheiss und Rat nunmehr der Ammann und die Stadträte, unter deren Aufsicht die Sammler und Leitungen gemeinschaftlicher Quellen in den Grossen Bädern alle Jahre einmal, am Montag in der Karwoche, untersucht und gereinigt werden. Als Grundlage der Ansprüche jedes Teilhabers wird ein altes, die Badschüssel genanntes Modell des Kessels unter dem heissen Stein, mit allen Seitenöffnungen und den auf messingenen Stäben genau verzeichneten Ausmessungen der verschiedenen Wasserausteilung im Stadtarchiv aufbewahrt. Wenn ich den Überfluss und Gehalt dieses wohltätigen Mineralwassers, die schöne Gegend, in der es hervorquillt und das Bedürfnis des Zeitalters betrachte, so kann ich mich des Wunsches nicht erwehren, dass sämtliche Bäder und Gasthöfe in Baden von einer liberalen Regierung gekauft und nach einem einzigen neuen, alles umfassenden Plan von Grund ausgebaut und eingerichtet werden möchten.
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