Erich Garhammer
Und er bewegt sie doch
Wie Papst Franziskus
Kirche und Welt verändert
ERICH GARHAMMER
Und er bewegt
sie doch
Wie Papst Franziskus
Kirche und Welt verändert
echter
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹ http://dnb.d-nb.de› abrufbar.
1. Auflage 2017
© 2017 Echter Verlag GmbH, Würzburg
www.echter.de
Umschlag: wunderlichundweigand.de
(Foto: © giulio napolitano/ shutterstock.com)
Satz: Hain-Team ( www.hain-team.de)
eBook-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de
ISBN
978-3-429-04352-0 (Print)
978-3-429-04916-4 (PDF)
978-3-429-06336-8 (ePub)
Inhalt
Vorwort
Ein Paukenschlag: Der Rücktritt von Papst Benedikt XVI
Papst Franziskus – der Jesuit
Papst Franziskus – der Knotenlöser
Die Grundhaltungen von Papst Franziskus
Ausblick
Anmerkungen
Literatur
Vorwort
Am 25. März 2013 war ein Artikel in der taz zu lesen mit der Überschrift: „Junta-Kumpel löst Hitlerjungen ab“. Er begann mit folgenden Sätzen: „Der neue Papst ist, den bislang vorliegenden Informationen nach zu urteilen, ein reaktionärer alter Sack wie sein Vorgänger. Der war seinerseits einem reaktionären alten Sack gefolgt, der wiederum einen reaktionären alten Sack beerbt hatte. Alter Sack I. folgte Alter Sack II., Alter Sack II. aber folgte Alter Sack III. – in einem fort, jahrein, jahraus.“ Das war eine der größten Geschmacklosigkeiten im deutschen Journalismus der letzten Jahre. Ich bin kein Leserbriefschreiber, aber an diesem Tag griff ich zur Feder und schrieb an die taz:
„ Sehr geehrte Damen und Herren,
gegen den Artikel vom 25. März protestiere ich aufs Schärfste. Er erfüllt den Tatbestand der Beleidigung. Er ist ein Armutszeugnis für den Autor, aber auch für Ihre Zeitung, die einen solchen Artikel durchgehen lässt. Ich kann nur den bekannten Schriftsteller Kurt Marti zitieren, der einmal festgestellt hat: Die Katholiken haben nur einen Papst, in den Redaktionen des Kulturbetriebs dagegen sitzen viele Päpste, die ihre Unfehlbarkeit zelebrieren. Es ist allerdings eine Unfehlbarkeit des Starrsinns und der ideologischen Kleingeisterei.
Eine Entschuldigung in Ihrer Zeitung wäre die einzig angemessene Reaktion auf diesen skandalösen Beitrag. “
Eine Entschuldigung ist natürlich nie erfolgt.
Die größte Widerlegung dieses peinlichen Artikels ist das Wirken von Papst Franziskus. Er hat mich von Anfang an fasziniert. Und so habe ich getan, was ich mir nie hätte vorstellen können: Ich habe ein Buch über einen Papst geschrieben, nicht über irgendeinen, sondern über Papst Franziskus. Es ist eine Hommage.
Würzburg, 31. März 2017
Erich Garhammer
Ein Paukenschlag:
Der Rücktritt von Papst Benedikt XVI.
Zunächst dachten viele an einen Faschingsscherz, als am 11. Februar 2013, also am Rosenmontag, gemeldet wurde, Papst Benedikt XVI. habe zum 28. Februar seinen Rücktritt erklärt. Aber der 11. Februar war nur zufällig in diesem Jahr Rosenmontag, er wird in der Kirche als „Welttag der Kranken“ gefeiert. Papst Benedikt wollte also zum Ausdruck bringen, dass ihm sein Gesundheitszustand die Leitung der Weltkirche nicht mehr erlaube.
Benedikt XVI. datiert allerdings nun im Rückblick seinen Rücktritt auf das Fest der Lourdes-Madonna. Da das Fest von Bernadette von Lourdes wiederum auf seinen Geburtstag fällt, so gibt es hier biographische Verbindungen, die ihm wichtig sind.
Der Weltjugendtag als Rücktrittsgrund
Interessant sind die Rücktrittsmotive: In dem Gesprächsband mit Peter Seewald wird der Rat eines Arztes als Grund genannt. Der nächste Weltjugendtag in Rio de Janeiro sollte turnusgemäß erst 2014 sein, wurde aber wegen der Fußballweltmeisterschaft um ein Jahr vorgezogen. Benedikt wusste: Das schaffe ich nicht mehr. Deshalb sein Rücktritt zu diesem Zeitpunkt, damit der neue Papst noch genügend Vorlauf für Rio hatte. Großer Respekt von allen Seiten wurde ihm für diesen Schritt entgegengebracht. Dieser Schritt veränderte von einem Moment zum anderen das Papstamt: Das seit dem 19. Jahrhundert sakral aufgeladene Amt bekam plötzlich wieder menschliche Züge.
Die große Frage war: Wer sollte Papst Benedikt nachfolgen? Fast alle wahlberechtigten Kardinäle waren von ihm oder seinem Vorgänger Johannes Paul II. ernannt worden. So wurde schnell vermutet, der Nachfolger könnte nur eine Kopie der Vorgängerpäpste sein. Umso größer war die Überraschung, als am 13. März Kardinal Jorge Mario Bergoglio von Buenos Aires auf die Segensloggia trat. Er war im 5. Wahlgang zum Papst gewählt worden und hatte sich den Namen Franziskus gegeben. Bereits sein erster Auftritt auf der Segensloggia machte deutlich, dass hier einer das Papstamt ganz neu interpretieren würde.
Der erste Auftritt des Neuen
Franziskus trat in einfachem weißen Talar auf und mit einfachem Brustkreuz. Die Stola legte er nur zum Segen um und dann sofort wieder ab. Bereits bei der Ankleideszene soll es zu einer Auseinandersetzung gekommen sein, die er mit der Aussage „der Karneval ist vorbei“ quittiert haben soll. Dann seine ersten Sätze: „Brüder und Schwestern! Guten Abend!“ Er vermittelt Nähe, Vertrautheit, sein Gruß ist der Gruß eines Bekannten, den man auf der Straße trifft. Hier zeigt einer eine Haltung von Urbanität. Und er fährt fort: „Ihr wisst, es war die Aufgabe des Konklaves, Rom einen Bischof zu geben. Es scheint, meine Mitbrüder, die Kardinäle, sind fast bis ans Ende der Welt gegangen, um ihn zu holen … Aber wir sind hier … Ich danke euch für diesen Empfang. Die Diözese Rom hat nun ihren Bischof. Danke. Zunächst möchte ich ein Gebet sprechen für unseren emeritierten Bischof Benedikt XVI. Beten wir alle gemeinsam für ihn, dass der Herr ihn segne und die Mutter Gottes ihn beschütze.“
Franziskus beschreibt die Papstwahl als Wahl des Bischofs von Rom. Diesen Bischof hat man allerdings nicht aus dem italienischen oder europäischen Episkopat ausgewählt, sondern man ist bis ans Ende der Welt gegangen, um den geeigneten Kandidaten zu finden. Der Lateinamerikaner bringt damit zum Ausdruck, dass sein Kontinent von Europa aus oft als Ende der Welt gesehen wird, als marginal. Dann betet er für seinen Vorgänger, den zurückgetretenen Papst Benedikt: auch das eine neue Situation, dass der Vorgänger noch lebt. Papst Franziskus hat seinen Vorgänger sogar am Telefon in Castel Gandolfo anzurufen versucht, um ihm seine Wahl persönlich mitzuteilen. Doch der saß vor dem Fernsehgerät, um die Nachricht dort zu erfahren. Der Papst em. wird sofort miteinbezogen, auch die versammelten Schaulustigen werden zu Gläubigen und einer Gebetsgemeinschaft. Die nächsten Sätze deuten ein neues Verständnis des Papstamtes an: „Und jetzt beginnen wir diesen Weg – Bischof und Volk –, den Weg der Kirche von Rom, die den Vorsitz in der Liebe führt gegenüber allen Kirchen; einen Weg der Brüderlichkeit, der Liebe, des gegenseitigen Vertrauens. Beten wir immer füreinander. Beten wir für die ganze Welt, damit ein großes Miteinander herrsche. Ich wünsche euch, dass dieser Weg als Kirche, den wir heute beginnen und bei dem mir mein Kardinalvikar, der hier anwesend ist, helfen wird, fruchtbar sei für die Evangelisierung dieser schönen Stadt.“ Er beschreibt seinen Weg als gemeinsamen Weg von Bischof und Volk. Rom ist zunächst eine Diözese wie alle anderen, allerdings mit einer bestimmten Tradition, nämlich dem Vorsitz der Liebe, die sich in Brüderlichkeit und gegenseitigem Vertrauen ausdrückt. Die Evangelisierung beginnt in dieser Stadt, auch die „urbs Roma“ ist nicht Besitzerin des Evangeliums, sie bedarf der Evangelisierung bis hinein in die Kurie.
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