Erich Garhammer - Lebendige Seelsorge 3/2017

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Dieses Heft thematisiert etwas Alltägliches und zugleich Lebensnotwendiges: Essen. Dabei geht es uns um mehr als Nahrungsaufnahme. Was wir essen und mit wem wir essen, kommt immer auch einem Statement gleich. Wir bieten Ihnen in diesem Heft diese unterschiedlichen Facetten zum Thema gleichsam wie ein Buffet an und hoffen, dass es für Sie Genussvolles bereithält. In den Eingangsbeiträgen thematisieren Daniel Kofahl und Guido Fuchs aus ernährungssoziologischer und theologischer Perspektive Zusammenhänge von Essen und Religion, von Fest und Mahl. Der Mediziner Michael H. Schoenberg weist darauf hin, wie wichtig die richtige Ernährung während und nach einer Krebstherapie ist. Essen in einem Kirchenraum anzubieten ist Ausdruck einer Kirche, die ihren Standpunkt vor Gott und den Menschen in der Welt gefunden hat. Konkret wird dies, wie Ilka Sobottke berichtet, im Projekt Vesperkirche in Mannheim.
Im Interview mit Oliver Raferzeder erfahren wir vom Mut eines jungen Unternehmers, eine Bäckerei zu eröffnen, damit Brot wieder seinen Wert bekommt. Der Exeget Martin Ebner zeigt auf, dass das gemeinsame Mahl ein wesentliches und herausfoderndes Identitätsmerkmal für Christ/innen ist. Weil Menschen zur Befriedigung ihres Hungers Leben zerstören, ist es erforderlich darüber nachzudenken, wann und wie dieses Handeln gerechtfertigt werden kann. Dieser Fragestellung geht der Moraltheologe Michael Rosenberger in seinem Beitrag nach. Andrea Trenkwalder-Egger beschreibt, wie die Gabenökonomie in der US-amerikanischen Zivilgesellschaft umgesetzt wird und welche Impulse daraus für die soziale Arbeit gezogen werden können. Um eine gute Produktion von Nahrungsmitteln, die auf den Bauernhöfen ihren Anfang nimmt, gewährleisten zu können, braucht es nach Meinung von Josef Holzbauer nicht nur einen Struktur-, sondern einen Kulturwandel. Essen hält Leib und Seele zusammen, aber es kann auch ein Bereich sein, in dem sich Konflikte und Störungen manifestieren. Anna Steinpatz beschreibt die Dynamiken von Essstörungen und geht dabei auch der Frage nach, wie Theologie und Pastoral darauf reagieren können. Als Nachschlag darf ich Ihnen die Beiträge von Ilona Nord über inklusives Predigen und den Beitrag von Tilman Allert über den Kaugummi empfehlen. Liebe Leser/innen, es ist für Sie aufgetischt.

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THEMA

FußEssen, Glauben und Genuss

Ein ernährungssoziologisches Essay zu christlichem Leben und alimentärer Praxis

Von Daniel Kofahl

Fest und Mahl

Von Guido Fuchs

Das Festmahl im Wandel

Die Replik von Daniel Kofahl auf Guido Fuchs

Die Freude am Fest

Die Replik von Guido Fuchs auf Daniel Kofahl

„Der Mensch ist, was er isst“

Von Michael H. Schoenberg

PROJEKT

Es gibt Wunder jeden Tag

Von Ilka Sobottke

INTERVIEW

Unser tägliches Brot

Ein Gespräch mit Oliver Raferzeder

PRAXIS

Am Essen werden die Christen erkannt

Vergessene Identitätsmerkmale des Urchristentums

Von Martin Ebner

Spaßverderberei?

Der Trend zu ethischer Ernährung und die Sehnsucht nach Sinn

Von Michael Rosenberger

Gabenökonomie und das Bedürfnis nach Nahrung – Erfahrungen aus Berkeley, USA

Von Andrea Trenkwalder-Egger

Von Orten, Menschen und Nahrungsproduktion

Die Perspektive von Nahrungserzeuger/innen im ländlichen Raum

Von Josef Holzbauer

Essstörungen – wenn Probleme zur Sucht werden

Von Anna Steinpatz

FORUM

„Wir haben keine Zuhörer, sondern Zuschauer.“

Aspekte inklusiven Predigens. Ein Beitrag aus dem Kontext Gehörlosengemeinde

Von Ilona Nord

POPKULTURBEUTEL

Poesie der Meteorologie

Von Stefan Weigand

NACHLESE

„Die Re-education begann mit dem Kaugummi“

Von Tilman Allert

Wunder Roms

Blicke von Literaten auf die Ewige Stadt

Von Erich Garhammer

Glosse von Annette Schavan

Buchbesprechungen

Impressum

Hildegard Wustmans Mitglied der Schriftleitung Liebe Leserin lieber Leser - фото 1

Hildegard Wustmans Mitglied der Schriftleitung

Liebe Leserin, lieber Leser,

dieses Heft thematisiert etwas Alltägliches und zugleich Lebensnotwendiges: Essen. Dabei geht es uns um mehr als Nahrungsaufnahme. Was wir essen und mit wem wir essen, kommt immer auch einem Statement gleich. Wir bieten Ihnen in diesem Heft diese unterschiedlichen Facetten zum Thema gleichsam wie ein Buffet an und hoffen, dass es für Sie Genussvolles bereithält. In den Eingangsbeiträgen thematisieren Daniel Kofahl und Guido Fuchs aus ernährungssoziologischer und theologischer Perspektive Zusammenhänge von Essen und Religion, von Fest und Mahl. Der Mediziner Michael H. Schoenberg weist darauf hin, wie wichtig die richtige Ernährung während und nach einer Krebstherapie ist. Essen in einem Kirchenraum anzubieten ist Ausdruck einer Kirche, die ihren Standpunkt vor Gott und den Menschen in der Welt gefunden hat. Konkret wird dies, wie Ilka Sobottke berichtet, im Projekt Vesperkirche in Mannheim.

Im Interview mit Oliver Raferzeder erfahren wir vom Mut eines jungen Unternehmers, eine Bäckerei zu eröffnen, damit Brot wieder seinen Wert bekommt. Der Exeget Martin Ebner zeigt auf, dass das gemeinsame Mahl ein wesentliches und herausfoderndes Identitätsmerkmal für Christ/innen ist. Weil Menschen zur Befriedigung ihres Hungers Leben zerstören, ist es erforderlich darüber nachzudenken, wann und wie dieses Handeln gerechtfertigt werden kann. Dieser Fragestellung geht der Moraltheologe Michael Rosenberger in seinem Beitrag nach. Andrea Trenkwalder-Egger beschreibt, wie die Gabenökonomie in der US-amerikanischen Zivilgesellschaft umgesetzt wird und welche Impulse daraus für die soziale Arbeit gezogen werden können. Um eine gute Produktion von Nahrungsmitteln, die auf den Bauernhöfen ihren Anfang nimmt, gewährleisten zu können, braucht es nach Meinung von Josef Holzbauer nicht nur einen Struktur-, sondern einen Kulturwandel. Essen hält Leib und Seele zusammen, aber es kann auch ein Bereich sein, in dem sich Konflikte und Störungen manifestieren. Anna Steinpatz beschreibt die Dynamiken von Essstörungen und geht dabei auch der Frage nach, wie Theologie und Pastoral darauf reagieren können. Als Nachschlag darf ich Ihnen die Beiträge von Ilona Nord über inklusives Predigen und den Beitrag von Tilman Allert über den Kaugummi empfehlen. Liebe Leser/innen, es ist für Sie aufgetischt.

Ihre Prof Dr Hildegard Wustmans Essen Glauben und Genuss Ein - фото 2

Ihre

Prof. Dr. Hildegard Wustmans

Essen, Glauben und Genuss

Ein ernährungssoziologisches Essay zu christlichem Leben und alimentärer Praxis

Dass Menschen essen und trinken müssen, ist unbestritten, doch wie die Menschen damit umgehen, ist abhängig von der Kultur, in der sie leben und ebenso von ihrem Glauben. Auch die christliche Religion stellt das Alimentäre immer wieder ins Zentrum ihrer Theologie und Glaubenspraxis, was aus ernährungssoziologischer Sicht sehr spannend ist. Daniel Kofahl

Wenn Christen ihr wohl wichtigstes Grundgebet, das Vaterunser, sprechen,lobpreisen sie nicht nur Gott, den Allmächtigen, oder hoffen auf Vergebung für ihre Sünden. Sie erbitten sich darüber hinaus auch etwas Brot als tägliche beziehungsweise auch als alltägliche Speise. Sicher, für manch einen mag es sich bei diesem „täglich Brot“ allein um geistige Nahrung handeln. Doch dieser Interpretationsspielraum erscheint letztendlich zu eng.

Die alimentäre Grundversorgung ist dem christlichen Bekenntnis ein ebenso wichtiges Fundament wie der gelebte spirituelle Glaube. Dieser kann schließlich nur dann ein lebendiger Glaube sein, wenn er auch auf der stofflich-materiellen Ebene lebendige Gläubige vorfindet, die ihn tragen und leben können. Nicht umsonst engagieren sich christliche Organisationen wie das Bischöfliche Hilfswerk Misereor explizit gegen die materielle Armut der Menschen. Dieses Engagement schließt den Kampf gegen Ernährungsarmut als basale Hilfe und Nächstenliebe mit ein.

Doch wie steht es um weitergehende Bedürfnisse und Befriedigungen, die sich ebenfalls um die Ernährungspraxis herum entwickeln können? Es ist schließlich eine der ganz wenigen anthropologischen Universalien, dass es allen Menschen eigen und gemein ist, essen und trinken zu müssen (vgl. Simmel ). Da ist es wenig verwunderlich, dass sich noch weitere Aspekte, vor allem zahlreicher Genüsse, um das Phänomen des Essens und Trinkens entwickelt haben. Diese lohnt es, als Gemeinschaft strukturierende Einflüsse näher zu beleuchten.

ESSEN UND TRINKEN ALS INKLUSIONS-UND EXKLUSIONSMECHANISMUS

Alle Menschen müssen regelmäßig essen und trinken, zumindest, wenn sie mittelfristig überleben wollen, und das verbindet die Menschen miteinander. Es verbindet sie über alle Zeiten, alle Orten und alle Kulturen miteinander. Beim gemeinsamen Mahl kann man zusammenfinden, es kann „eine Häufigkeit des Zusammenseins“ entstehen, die „eine Gewöhnung an das Vereinigtsein knüpft, wie sie durch höher gelegene und geistige Veranlassungen nur selten erreichbar ist“ ( Simmel , 69f.). Dies bedeutet so viel wie, dass nicht jedermann ein begeisterter Hörer von gregorianischen Chorälen oder konzentrierter Rezipient neuscholastischer Texte ist oder sein muss. Doch andersherum müssen sowohl der Choralsänger und auch der Scholastiker ab und an einen Bissen essen und einen Schluck trinken und sich so mit den anderen Menschen gemein machen. Essen und Trinken eignet sich also hervorragend als Integrations- und Inklusionsrahmen.

Daniel Kofahl

Dr., Ernährungssoziologe, leitet das Büro für Agrarpolitik und Ernährungskultur (APEK); Lehrbeauftragter für Ernährungssoziologie an der Universität Wien; ist selbst römisch-katholisch getauft und beschäftigt sich immer wieder mit religiösen Aspekten von Ernährung aus kulturwissenschaftlicher Perspektive; mehr Infos unter www.apek-consult.de/team/dr-daniel-kofahl/

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