„Lean“ heißt: Überdenken von Outsourcing-Entscheidungen
Diese Überschrift mag manchen Leser erstaunen, galt doch die Auslagerung ganzer Betriebsbereiche im Zuge der ersten „Lean-Welle“ als Standardbaustein der Verschlankung. Besonders häufig war der Betriebsmittel- und Vorrichtungsbau vom Outsourcing betroffen. Ein folgenschwerer Irrtum. Gerade in der Montage setzen echte „Lean-Konzepte“ auf intelligent automatisierte oder teilautomatisierte Lösungen, die in den Unternehmen selbst geplant und direkt umgesetzt werden.
Wettbewerbsdifferenzierung durch individuelle Arbeitsplatz- und -prozessgestaltung auf Basis firmenspezifischer Standards und permanenter Weiterentwicklung ist das Rezept der Vorreiter-Unternehmen. Dies erfordert jedoch spezifisches Know-how, Kompetenz und schnelle Reaktionsfähigkeit bei der technischen Umsetzung.
„Lean“ heißt: Die Verbesserung integrieren, organisieren – und leben
Kontinuierliche Verbesserung stellt sich nicht von selbst ein, sie muss organisiert werden. Das heißt, sie ist so in den Betrieb zu integrieren, dass sie zum selbstverständlichen Bestandteil der täglichen Arbeit wird. Darin besteht ein wesentlicher Unterschied zu den gut gemeinten, aber meist schlecht integrierten Verbesserungsinitiativen der Vergangenheit. Diese wurden meist parallel zur Tagesarbeit vorangetrieben und nicht als integrierter Teil dieser Arbeit gesehen. So blieben die Programme Fremdkörper. Wie eine wirklich lebendige Verbesserungsorganisation aussieht, beschreiben wir Ihnen in Kapitel 3.
Leitsatz 4:
Exzellente Unternehmen nutzen internationale Standorte und globale Netzwerke für die Stärkung ihrer Position – auch der heimischen Standorte
Niemand ist ein Insel: internationale Standortkonzepte
Die Welle der Globalisierung hat erst begonnen. Marktführerschaft erfordert künftig noch mehr eine offensive, effiziente und zielorientierte Internationalisierung. Dabei hat die Ausprägung des weltweiten Produktions- und Logistiknetzwerkes entscheidenden Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit.
Viele Unternehmen, darunter zahlreiche Mittelständler, haben damit begonnen, global vernetzte Wertschöpfungsketten, einen internationalen Standortverbund aufzubauen. Sie nutzen die Kostenvorteile in Niedriglohnländern durch Fabriken für die zentrale Vorfertigung an diesen Standorten. Marktnahe Fabriken für die Endfertigung sorgen dann dafür, die Kunden wunschgemäß, reaktionsschnell und flexibel zu beliefern. Durch diese Ausrichtung des Standortverbundes lassen sich die unterschiedlichen Vorteile und Stärken optimal nutzen: geringe Faktorkosten einerseits und große Marktnähe andererseits.
Führung durch weltweite Standards
Internationale Standortverbünde werfen ein erhebliches Komplexitätsproblem auf, insbesondere dann, wenn es um Führbarkeit oder Steuerung geht. Hier werden definierte – und gelebte – Prozess-Standards lebenswichtig. Denken Sie an eine bekannte, weltweit aktive Fastfood-Kette. Die Restaurants funktionieren überall nach dem exakt gleichen Muster.
Abb. 8: Standortstrategie
Dieser weltweit einheitliche Standard führt zu „strukturellen Mengeneffekten“ in dem Sinne, dass extrem schnelle Anläufe möglich sind, die Qualität gleich bleibt und Produktivität oder Wirtschaftlichkeit einfach zu überwachen sind.
Auf industrielle Prozesse übertragen heißt das, dass der weltweite Prozessstandard „Exzellenz“ sein muss. Dieser Exzellenzgrad kann definiert, gemessen, überwacht – und kontinuierlich verbessert werden. Weltweit. Das zentrale System, um die Exzellenz voranzutreiben, ist das Wertschöpfungssystem, wie wir es Ihnen in diesem Buch vorstellen. Und: das Wertschöpfungssystem bildet einen optimalen Rahmen, um weltweite Werksverbünde zu führen.
Hat der Standort Deutschland noch eine Chance?
So fragen sich viele. Die führende Wirtschaftszeitung PRODUKTION hat daraus sogar eine Initiative gemacht. Die Diskussion um die Produktion und den „richtigen“ Standort ist, so konstatieren wir, in vollem Gange. Hohe Löhne, Lohnnebenkosten, Abgaben und Steuern werden dafür verantwortlich gemacht, dass Niedriglohnstandorte an Attraktivität gewinnen und Unternehmen über Standortverlagerungen nachdenken.
Wer bei einer der Suchmaschinen beispielsweise den (provozierenden) Begriff „Manufacturing is dead“ eingibt, wird auf mehr als 300 Treffer stoßen. Auf Einträge aus jüngster Zeit – allerdings meist von entschiedenen Gegnern dieser These.
In diese Grundsatzdebatte wollen wir uns nur insofern einschalten, als wir einmal mit der „Wertschöpfungsexzellenz-Brille“ darauf schauen wollen. Denn wer deutsche Unternehmen im Hinblick auf ihre Standortstrategie einmal systematisch analysiert, gelangt zu der folgenden, und wie wir meinen: logischen Erkenntnis: Gerade exzellente Unternehmen charakterisieren sich wie bereits erwähnt durch Stabilität, ja teilweise Wachstum am Standort Deutschland. Unternehmen, die ihre Innovationsprozesse stärken, die nach maximaler Wertschöpfung streben und eine dynamische Verbesserungskultur in Richtung BestPractice leben, gelangen zu einer deutlichen Wettbewerbsdifferenzierung. Und damit zu einem schwer einholbaren Vorsprung.
Im Stammmarkt Europa kann durch Liefertreue, Schnelligkeit und herausragender Qualität ein Lohnkostennachteil mehr als ausgeglichen werden. Voraussetzung ist hier allerdings das Streben nach Perfektion und Effizienz. Im Gegensatz hierzu suchen viele Unternehmen aus meiner Sicht viel zu früh das Heil im Niedriglohnland.
Die steigende Quote der „enttäuschten Rückverlagerer“ zeigt allerdings: wer Kosten auf der Basis nicht optimierter Prozesse und instabiler Abläufe vergleicht, wer Standortverlagerungen vorrangig unter Kostengesichtspunkten plant, hat keinen Erfolg. Kurzfristig möglicherweise schon – aber langfristig und nachhaltig eher selten…
Hohe Zusatzaufwände für Qualität und Logistik bringen die ursprünglichen Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen schnell zum Kippen. Nichtsdestotrotz erfordert Stabilität am Standort Deutschland auch, neue Wachstumsmärkte zu erschließen. Wer beispielsweise in China Fuß fassen möchte, muss auch in China Produkte adaptieren und dort produzieren. Die Basis wird aber, davon sind wir zutiefst überzeugt, weiter die Exzellenz am Standort Deutschland sein (Quelle: PRODUKTION Nr. 32/2005).
Was spricht für den Industriestandort D?
Sicherlich sind die Menschen der größte Standortvorteil. Denn hinter vielen leistungsstarken Produkten stehen erfahrene, hochqualifizierte Mitarbeiter, die eng mit dem Unternehmen verbunden sind – Garant für den Unternehmenserfolg. Darüber hinaus verfügt Deutschland über eine hervorragende Infrastruktur und sehr große Innovationskraft. Allerdings dürfen sich Unternehmen nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen und müssen mit Innovationen als Differenzierungsmerkmal neue Geschäftsfelder erschließen und ertragsbringende weiter kultivieren.
Leitsatz 5:
Exzellente Unternehmen beziehen ihre Lieferanten, die gesamte Supply-Chain, in alle Überlegungen mit ein.
Ganzheitliche Optimierung der Supply Chain
„Eine Kette ist genau so stark wie das schwächste Glied.“ Dieser Satz gilt auch für die industrielle Lieferkette von den Lieferanten des Lieferanten bis zu den Kunden des Kunden. Kurz: für die Supply Chain. Wer glaubt, das Thema Supply Chain Management sei weitgehend abgehandelt, befindet sich im Irrtum. Noch immer bleibt die Liefertreue, gemessen entlang der gesamten Kette, in den meisten Fällen weit hinter dem zurück, was man als „exzellent“ bezeichnen könnte. Eine Ursache dafür ist, dass der Anspruch, ganze Lieferketten auf einmal zu betrachten, an der Wirklichkeit vorbeigeht. Konsequent wäre, wenn sich jedes Unternehmen zunächst um seine Kunden und die Zusammenarbeit mit seinen Lieferanten kümmert. Und da gibt es genug zu tun.
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