»Bleib, wie du bist!«, steht auf Geburtstagskarten geschrieben und indirekt auch in den meisten Beipackzetteln schulmedizinischer Blutdruck- und Blutfettsenker, Schmerzmittel, Psychopharmaka oder vieler weiterer milliardenfach eingenommener, synthetischer Präparate. Mit dem fatalen Satz »Bleib, wie du bist!« bauen wir uns ein eigenes Gefängnis mit vergoldeten Gitterstäben und wundern uns doch, warum der Blutdruck nicht sinkt, die Dosis steigt, wir uns immer wieder in die gleiche falsche Person verlieben, an den gleichen Hürden scheitern und uns zunehmend unfrei fühlen. Es ist eben, ungeachtet der Folgen, allzu einfach, nur die Dinge zu tun, die wir bereits kennen. Nachhaltige Heilung findet immer auf allen Ebenen der menschlichen Existenz statt, dem Körper, dem Geist und der Seele. Jede dieser drei Ebenen ist immateriell, aber auch physisch eng mit der Natur und ihren Elementen verbunden.
Wagen Sie mit mir gemeinsam den Sprung in ein Ihnen bisher vielleicht noch fremdes Weltbild, und entdecken Sie Ihre verborgenen Potenziale. Stellen Sie sich also erneut die Frage und erst recht im beruflichen Kontext: Was will diese Welt von mir und ich im Gegenzug von dieser Welt, und was kann aus diesem Zusammenspiel entstehen, das allen nützt?
In diesem Sinne möchte ich Sie mit dem »Gleichnis von den anvertrauten Talenten« aus Matthäus 25,29 dazu auffordern, dass Sie Ihre Begabungen erkunden und als ein Geschenk betrachten. Wenn Sie Ihre individuellen Fähigkeiten für einen größeren gemeinschaftlichen Zweck fruchtbar machen, wird die Herrlichkeit der Schöpfung auch in Ihrem eigenen Leben immer spürbarer. »Denn wer da hat, dem wird gegeben werden und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat« (Matthäus 25,29).
Egal wofür Sie ein besonderes Händchen haben, egal was Ihnen besonders leichtfällt und egal womit Sie einen Beitrag zum Gelingen einer Gemeinschaft beitragen können, all diese kleinen und größeren Fähigkeiten dienen keinem Selbstzweck, nein, wie Sie mit ihnen »wirtschaften«, also ob Sie sie vermehren, teilen und als Nährboden für weitere gute Taten und seelisches Wachstum verwenden, entscheidet letztlich über das Gelingen und Scheitern Ihres eigenen Lebens.
Mit jedem Schritt, mit dem wir uns unserer Umwelt liebevoll und kreativ nähern, kommen wir auch uns selbst näher, und das Ausmaß unserer Großzügigkeit und Offenheit der Welt gegenüber wird zum Maß, an dem auch wir gemessen werden.
Ganzheitliches Wachstum funktioniert exponentiell! Das heißt, dass jeder Lernerfolg, den wir feiern, den nächsten vorbereitet und der Prozess des lebenslangen Lernens zunehmend leichter wird.
Es ist wohl kein Zufall, dass Sie zu diesem Buch gegriffen haben. Doch kein Heilpraktiker, kein Missionar, kein Politiker und auch kein Wissenschaftler kann Sie davon überzeugen, wie einzigartig und wertvoll Sie sind! Es sind gelebte Überzeugungen, die Liebe und die Leidenschaft zur eigenen Berufung, die uns voranbringen. Damit wäre die Saat Ihres ganzheitlichen Wachstums ausgebracht!
Heiler, Hexen, Helden – Die Ursprünge des Heilpraktikerberufs
»Der ist ein Arzt, der das Unsichtbare weiß, das keinen
Namen hat, keine Materie und doch seine Wirkung.«
Paracelsus
Die Wurzeln der Naturmedizin reichen weit bis in die Antike und die Frühgeschichte der Menschheit zurück. Die Naturheilkunde ist tief in unserem kollektiven Unbewussten verankert. Neben der Pflanzenheilkunde und der traditionellen europäischen Naturheilkunde basieren die historischen Ursprünge unseres Berufsstands auch auf der Viersäftelehre des Altertums. Diese Lehre beschreibt in ihren Grundzügen, dass alles Geschaffene den vier Elementen Feuer, Wasser, Luft und Erde entspringt. Diesen vier Elementen entsprechen die Zustände warm, kalt, trocken, feucht. Wie überall in der Natur spiegeln sich die vier Elemente und deren Qualitäten auch im menschlichen Körper wider. Befinden sich die Elemente nicht in einem ausgewogenen Verhältnis zum Ganzen, werden wir krank. Jeder Überfluss oder Mangel eines Elementes ist schwächend, beziehungsweise krank machend. Hiermit wird ganz schnell deutlich, dass die Ursprünge der Heilkunde überwiegend philosophischer Natur sind.
Urväter dieser Lehre sind Galenus und Dioskurides. Sie waren im 17. Jahrhundert die ersten großen Lehrmeister der westlichen Medizin. Die Pfeiler ihrer Medizin waren das Erbe der antiken Naturphilosophen. Ihre Lehre entspricht der eines rational gebauten Kosmos, in dem der Mensch als Bestandteil in das natürliche Geschehen mit einbezogen ist. Dass alles Seiende aus den vier Elementen geschaffen ist, überträgt Polybios (200 – 120 v. Chr.) auf die Körpersäfte Blut, Schleim, schwarze und gelbe Galle.
Kurz gefasst werden Krankheiten über die Jahrhunderte hinweg auf Basis dieser sogenannten Säftelehre erklärt. So verfährt auch die berühmte Äbtissin Hildegard von Bingen (1098 – 1179), die beispielsweise die Wirkung der Zitrone als eher warm statt kalt beschreibt und zu einer Auskochung von Zitronenblättern rät, um Fieberschübe zu lindern.
Aus heutiger Sicht lassen sich vor allem Zivilisationserkrankungen wie Diabetes mellitus Typ II, eine Vielzahl an Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie zum Beispiel Bluthochdruck, Adipositas oder Erschöpfungszustände mit dem Prinzip der Säftelehre bildhaft erklären. Wichtig ist, dass in einer modernen, aufgeklärten Welt die Säftelehre nicht wörtlich, sondern bildhaft verstanden wird. Für den Bluthochdruckpatienten kann also die Regulierung seiner Überfülle an Säften durch einen Aderlass (z.B. Blut spenden oder eine umfangreichere Blutabnahme), eine Fastenkur und eine Lebensumstellung mit mehr Bewegung und weniger Stress durchaus hilfreich sein. Einen geschwächten Patienten mit Blutarmut und Untergewicht würde dieses Verfahren logischerweise weiter schwächen, da er ja schließlich an einem Mangel leidet.
Um unser Gegenüber zu erreichen, braucht es eine verständliche und bildhafte Sprache, die auch in die tieferen Ebenen unseres uralten Bewusstseins vordringt. Man würde der Geschichte des Heilpraktikerberufs aber nicht gerecht, wenn man seine Wurzeln ausschließlich auf die Ursprünge der Säftelehre zurückführte.
Schon im antiken Griechenland gab es den Archiatros, eine Art Amtsarzt. Seine Aufgabe war es, die freien Heiler, also heilkundige Laien, im Blick zu haben und zu kontrollieren. Spätestens seit dieser Zeit wird zwischen dem anerkannten Arzt und dem heilkundigen Laien differenziert. Ein weitaus bedeutenderer Ursprung des Heilpraktikers liegt in der Tradition der heidnischen Waldvölker Europas und des Baltikums verborgen. Das Heilwissen der Germanen, Kelten, Balten und Slawen ist bis heute in der traditionellen Pflanzenheilkunde, im ganzheitlichen Naturverständnis und in den zahlreichen Ritualen unserer Kultur sichtbar. Heilpraktiker sind die Erben der sogenannten Walas, der heidnischen Seherinnen, Schamanen und Priester. Nachfahren der verfolgten Kräuterweiber und Hebammen des Mittelalters. Nachfolger eines Pfarrers Sebastian Kneipp (1821 – 1897) und der Äbtissin Hildegard von Bingen. Was all diese praktischen Laien auszeichnete, ist ihre tiefe Verwurzelung im Volk und ihr ganzheitliches Weltbild.
Heilung war für die Menschen von jeher ein Prozess, der über die physische, sichtbare Welt hinausführte. So war es üblich, dass die Aufgabe des Heilers oft auch mit spirituellen Aufgaben einherging. Das Weltbild der Menschen war geprägt von Analogien und der Vorstellung einer Synchronizität des gesamten Kosmos. Sie fühlten sich eingebettet in das System Natur, das größer als sie selbst und der Einzelne war. Folglich wurde Krankheit als ein multifaktorielles Geschehen verstanden, dessen Ursprung im Verlust einer natürlichen Balance zu suchen war. Götter, Ahnen, Naturwesen, Ernährung, individuelle Taten und Entscheidungen waren die Quellen der Symptome. Für diese Völker, wie auch für die Ureinwohner Amerikas, war es unvorstellbar, Raubbau an der Natur zu betreiben, denn die Erkenntnis, dass der Mensch als Teil der Natur auch für deren Fortbestehen verantwortlich ist, wurzelte tief in ihrem Weltbild. Krankt die Natur, wird auch der Mensch krank. Ahnenkulte sorgten für ein verantwortungsvolles Handeln gegenüber folgenden und vorangegangenen Generationen.
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