Abbildung 1.1Hierarchie athletischer Entwicklung
Abgewandelt nach einer Illustration von Al Vermeil. Verwendet mit seiner Erlaubnis.
KÖRPERLICHE ANPASSUNG UND TRAINING
Eine Komponente des Athletiktrainings ist die Wirkung von ausreichend Belastung und Beanspruchung, die eine Anpassung (Verbesserung) provoziert. Die Anpassung des Körpers ist die Grundlage des Entwickelns körperlicher Fähigkeiten in der Vorbereitung auf den Wettkampf.
Das grundlegende Modell des Trainings und der folgende Anpassungsprozess leiten sich vom allgemeinen Adaptationssyndrom ab, ursprünglich 1936 von Hans Selye beschrieben und 1956 von ihm verfeinert. In der Literatur ist dieses Basiskonzept auch als Superkompensationszyklus bekannt. Dieses Stress-Antwort-Modell (Abbildung 1.2) wird durch die Alarmphase eines Trainingsreizes (Belastung) in Gang gesetzt, der das Gleichgewicht körperlicher Prozesse (Homöostase) nachhaltig stört.
Der Körper antwortet nach der Alarmphase auf den Reiz in der Widerstandsphase durch Erholung, Wiederherstellung/Selbstreparatur und Rückkehr zur Homöostase. Der Widerstandsphase folgt der Abschnitt der Superkompensation, während der der Körper auf den Reiz mittels einer Überanpassung über das Level der vorangegangenen Homöostase hinaus reagiert, um auf die vorangegangene Belastung besser vorbereitet zu sein, sollte sie wieder eintreten.
Abbildung 1.2Allgemeines Adaptationssyndrom
Nach Erschöpfung durch Übertraining oder während des Abtrainierens fällt das Körperlevel unter die vorangegangene Homöostase, und zwar als Ergebnis falsch eingesetzter Belastung – zu viel, zu schnell oder auf nicht ausreichendem Level. Es ist sehr nützlich, sich mit Selyes Allgemeinem Adaptationssyndrom vertraut zu machen. Studieren Sie sein Werk The Stress of Life (1956).
Auf der Grundlage des Allgemeinen Adaptationssyndroms wird die Notwendigkeit ungewohnter Belastung – Gewichte, Sprunghöhen, Laufgeschwindigkeiten – deutlich, mit denen Sie sich anpassen und körperliche Fähigkeiten verbessern können. Seien Sie sich darüber im Klaren, dass Sie eine bestimmte Belastung brauchen, um Ihre Homöostase zu stören und so eine Anpassung/einen Trainingseffekt zu provozieren. Wenn die Trainingsbelastung zu gering ist, findet, wenn überhaupt, nur eine geringfügige Anpassung statt, und wertvolle Trainingszeit geht verloren. Zum Gestalten und Umsetzen angemessener Athletikprogramme müssen Sie deshalb körperliche Defizite, Notwendigkeiten und Ziele kennen.
KRAFT
In Al Vermeils Hierarchie athletischer Entwicklung (Abbildung 1.1) leiten sich alle anderen Fähigkeiten von der Kraft ab. Wenn Athletik und Fertigkeitslevel zweier gegnerischer Sportler gleich sind, wird in der Regel der Stärkere der beiden gewinnen.
Kraft ist die Fähigkeit eines Muskels, maximale Stärke zu erzeugen, und wird entwickelt, wenn Sie im Krafttraining kontinuierlich die Intensität (zu bewegendes Gewicht) erhöhen. Da intensiveres Trainieren höhere Anforderungen an den Körper stellt, zeichnet sich Krafttraining durch den Verzicht auf ein Zeitlimit aus, in dem die Übung vollzogen sein muss. Schwerere Gewichte werden mit langsamerer Geschwindigkeit bewegt; mit leichteren Gewichten kann die Bewegungsgeschwindigkeit steigen. Die Kapitel 2bis 5 zeigen ausführlich bewährte Übungen, mit denen man erfolgreich Kraft trainiert.
Im Zusammenhang mit der basketballerischen Leistung sind Kraftfähigkeiten wichtig, sowohl für die weicheren Anteile des Bewegungsapparats (Muskeln, Sehnen, Bänder), entsprechend Davis’ Gesetz, als auch für die Knochenstrukturen des Körpers, entsprechend Wolffs Gesetz. Der optimale Zustand beider anatomischer Strukturen ist für die Leistung als Basketballer wichtig, denn die stärkere Kraft eines Muskels hat eine höhere Wirkung dieser Kraft auf den Boden zur Folge. Dadurch verbessert sich Ihre Fähigkeit zu beschleunigen, schneller zu laufen und höher zu springen. Stärkere Muskeln, Sehnen und Bänder und stärkere Knochen unterstützen Sie darüber hinaus beim Bremsen, beim Richtungswechsel und beugen Verletzungen im Training und Spiel vor.
Mehr Kraft hat auch mehr Muskel- und Gelenksstabilität zur Folge. Diese Verbesserung darf nicht mit dem Verlust an Bewegungsumfang oder Beweglichkeit rund um die Körpergelenke verwechselt werden. Eine optimale Ausprägung der Stabilität der Muskeln und Gelenke ist notwendig, um Laufen, Springen und jede andere basketballerische Aktivität in bestmöglicher Körperhaltung zu absolvieren. Wenn Sie beispielsweise nach einem Offensiv-Rebound landen und sofort wieder springen, um zu werfen, würden Sie nicht wollen, dass Ihr Körper kollabiert. Je mehr Sie Sprunggelenke, Knie, Hüfte und Rumpf in der Landung beugen, desto mehr Zeit verbringen Sie am Boden und bieten damit der Verteidigung Gelegenheit, vor dem nächsten Wurf einzugreifen. Mehr Stabilität der Muskeln und Gelenke reduziert das Maß an Beugung in der Landung, führt zu weniger Zeit am Boden, zu mehr Kraft gegen den Boden und zu einem höheren Sprung vor dem Wurf.
SCHNELLKRAFT UND EXPLOSIVKRAFT
Basketball zeichnet sich durch Springen, Beschleunigen, Bremsen und Schnelligkeit/Flinkheit aus. Alle diese Bewegungen erfordern hohe Geschwindigkeiten. Wenn Sie sich langsam bewegen, werden Sie im Wettkampf keinen Erfolg haben.
Kraft, genauer gesagt Maximalkraft, ist die Grundlage der Athletik. Die hohen Intensitäten im Maximalkrafttraining gehen einher mit eher langsamen Bewegungsgeschwindigkeiten. Obwohl es im Krafttraining kein Zeitlimit für das Absolvieren der Übung(en) gibt, zeichnen sich Schnellkraft und Explosivkraft durch einen inneren Zeitfaktor aus, der den für die Effektivität notwendigen Ablauf einer Übung bestimmt. Symptomatisch für Schnellkraft und Explosivkraft ist die Fähigkeit, möglichst hohe Kraft innerhalb kürzester Zeit zu erzeugen. Deshalb ist die Bewegungsgeschwindigkeit vor allem im ersten Abschnitt höher, ausgerichtet auf maximalen Kraftanstieg innerhalb der Kraft-Zeit-Kurve.
Die Kraftentwicklungsrate steht für die Menge an Kraft, die ein Muskel innerhalb kürzester Zeit erzeugt. Unter Schnellkraft und Explosivkraft versteht man Kraftentwicklungen, die innerhalb von 200 bis 300 Millisekunden stattfinden. Im Wettkampf ist der schnellkräftigere Spieler im Vorteil – beispielsweise, wenn er beim Zug zum Korb seinen Gegner mit dem ersten Schritt abhängt oder so hoch springt, dass der keine Chance hat, den Wurf abzuwehren. Abbildung 1.3 vergleicht zwei Athleten in der Kraftentwicklung vor dem Hintergrund des Faktors Zeit. Sportler A (rote Linie) ist stärker als Sportler B (gelbe Linie), der dafür explosiver ist. Obwohl der stärkere Spieler mit der Zeit (500 ms) mehr Kraft erzeugt, schafft er es in kürzerer Zeit (punktierte Linie bei 200 ms) nur auf ein deutlich geringeres Kraft-Level.
Abbildung 1.3Vergleich der Kraftentwicklungsrate zweier Athleten
Krafttraining schafft die Voraussetzungen und trägt grundlegend zur Kraftentwicklungsrate bei. Schnellkrafttraining erfordert jedoch spezielle Methoden, die wir in den Kapiteln 6und 7vorstellen.
REAKTIVKRAFT
Das Vordehnen einer Sehne vor dem Bewältigen einer athletischen Aufgabe führt zu einer stärkeren und explosiveren konzentrischen (Verkürzung) Muskelkontraktion. Legen Sie beispielsweise Ihre rechte Hand flach auf den Tisch. Heben Sie aktiv den Zeigefinger der rechten Hand so hoch wie möglich und schlagen Sie damit so hart wie möglich auf die Tischplatte. Wiederholen Sie die Aufgabe, indem Sie mit dem linken Zeigefinger den rechten so weit wie vertretbar nach oben ziehen. Lassen Sie den rechten Zeigefinger los und schlagen Sie damit so hart wie möglich auf die Tischplatte. Hören und spüren Sie den Unterschied, wenn der Finger mit größerer Geschwindigkeit auftrifft? Der Unterschied zwischen den beiden Versuchen besteht darin, dass beim zweiten Mal Sehnen und Muskeln des rechten Zeigefingers vorgedehnt wurden, bevor Sie damit auf die Tischplatte schlugen, was einen größeren Impuls zur Folge hatte. Das Vordehnen der Muskeln und Sehnen vor einer konzentrischen Kontraktion, führt zu einer stärkeren Muskelkontraktion. Aus diesem Grund bringen Sportler ihren Körper in Vordehnung, bevor sie eine Fertigkeit ausführen. Sie beugen die Beine vor dem Springen, drehen vor dem Werfen auf und führen das Bein vor dem Schuss nach hinten.
Читать дальше