Matthias Morgenroth
Anatomie des Handy-Menschen
Matthias Morgenroth
Anatomie des Handy-Menschen
Ein Seelen-Selfie
echter
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹ http://dnb.d-nb.de› abrufbar.
1. Auflage 2020
© 2020 Echter Verlag GmbH, Würzburg
www.echter.de
Umschlag: Vogelsang Design, Jens Vogelsang, Aachen
(Umschlagbild: stock.adobe.com, © jiris)
Innengestaltung: Crossmediabureau, Gerolzhofen
E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de
ISBN
978-3-429-05508-0
978-3-429-05097-9 (PDF)
978-3-429-06489-1 (ePub)
Stell dir das Schlimmste vor. Das Schlimmste, das ist natürlich: Das Handy ist auf einmal weg …
… es ist nicht in Sichtweite. Nicht in Reichweite wie sonst immer. Du kannst dich auf nichts mehr konzentrieren. Das Gespräch bricht ab. Die anderen schauen irritiert, aber das ist dir egal … soll doch das Essen kalt werden: wo IST das handy? Erst verschämt, dann hektisch, schließlich fast panisch – nein, von Handy-Sucht keine Spur, nein, nein – blindwütig, kopflos durchkämmst du alle potentiellen Handy-Aufbewahrungsorte, die Jacke, die andere Jacke, ist es hinter das Sofa gerutscht, oder hattest du es mit auf die Toilette genommen, hast du es etwa in Gedanken in den Kühlschrank gelegt …
Ohne Handy fühlen wir uns allein. Verloren. Abgeschnitten. Orientierungslos. Hilflos. Nein: Ohne Handy fühlen wir uns amputiert .
Das Handy ist längst ein Teil von uns geworden. Spätestens die Corona-Krise hat sichtbar gemacht, wie verwachsen wir mit unserer digitalen Schnittstelle sind. Im Ausnahmezustand mag unser Fenster zur Welt überlebenswichtig sein. Doch auf Dauer? Alle Apps versuchen schließlich, uns das Leben etwas leichter zu machen und uns Dinge abzunehmen. Nur: Wenn wir nicht aufpassen, dann nehmen sie uns das Leben ab .
Ah – da ist es ja wieder, mein Handy! Puh. War doch nur untern Stuhl gerutscht. Du bist wieder komplett. Du kannst wieder weitermachen. Hinterher lachst du drüber. Lachst du wirklich?
Wenn es dir auch schon einmal so gegangen ist, dann bist du auch schon mutiert. Zum Handy-Menschen. Dann wird es höchste Zeit für ein Seelen-Selfie.
Inhalt
Beipackzettel: Liebe macht blind
Kopf hoch: Vom Display aufschauen
Ich: Homo Digitalis
Online: Der verlängerte Geist
Androide: An Der digitalen Leine
Sichtprobleme: Keine Vergleichsgruppe ohne Handy
Nicht ohne mein Smartphone: Liebe macht blind
Vernetzt: Wir sind über uns hinausgewachsen
Standpunkt: Woher wir kommen
1. Auf der Suche nach dem Selbstgefühl: Das Instrumentarium
Im Spiegel: Unterwerfung und Vergötterung
Mein weites Ich: Potenz in Reinform
Perspektivwechsel: Die Botschaft fühlen
Korrektur des Verstandes: Sentire aude
Uns neu erzählen: Methode Übertreibung
Mit dem ganzen Leib: Phänomenologie
Illtümer: Was wir glauben, muss nicht stimmen
Zersplintert: Wo sind wir, wenn wir ins Smartphone schauen?
TINA: Alternativlos ausgeliefert?
2. Der Möglichkeitssinn
Kunst der Menschheit: Spiegelbild des Bewusstseins
Wachsende Möglichkeiten: Magie, Mythos, Ratio
Integral: digital?
Konzentration: Touchscreen
Instant-Tiefe: Schockgefrostete Möglichkeit
Auf halber Strecke: Das ganz andere Werkzeug
Gute Verbindung: Kein Gespräch
Ersatzbefriedigung: Klick und Wisch
Verdummung: Der einfache Weg des Daddelns
Teile dich: Training des Eigensinns
Vorsortierte Suche: Wer googelt, der findet
Download: Googling is believing
3. Digitalisierung verleiht Flügel
Wir haben nicht die Zeit: Wir sind sie
Auf Flügeln: Nie wieder warten
Zeitsparen: Das Tempo-Phone
Beschleunigungszirkel: Verlorener Zeitgewinn
Die faule Gleichung: Zeit ist Geld
Blindflug: Multitasking
Offene Arbeitsfenster: Wandernde Aufmerksamkeit
Scheingeschwindigkeiten: Missverständnisse des Schnellen
Suchtpotential: Viele Dinge im Griff haben
4. Der Uhr-Instinkt
Polaritäten: Der Rhythmus der Naturzeit
Einteilungen: Der Takt der Uhrzeit
Handyzeit: Immer auf dem Punkt statt pünktlich
Zeitkollaps: Ich habe dich bei deinem Namen gerufen
Verspielt: Das Glück des Fließens
Wunschmaschinen: Der Jagdinstinkt
5. Weltvergesslichkeit
Ewig on: Verlässlich bunt
Ortlos: Alles in Reichweite
Trost und Sicherheit: Rasender Stillstand
Verloren: Die bessere Welt
Die Grenzen des Zoombaren: Tiefe spüren
6. Das Vertrauensseelchen
Unser Freund: Unser Helfer
Selbsttäuschung: Berechnet, nicht gemeint
Was wir nicht sehen: Verraten und verkauft
Stolz und Vorurteil: Teil der erlösten Welt
Auslesbar: Die Metadaten sind die Botschaft
Ende der gemeinsamen Welt: Microtargeting und Filterblasen
Überwachung und Steuerung: Social Credit System
Profiling: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß
Meine Daten: Das Erdöl der digitalen Welt
Durchsichtig: Gen-Code plus Daten-Bild
Das Missverständnis: Ich habe nichts zu verbergen
Menschengemachte Rechenregeln: Algorithmen sind nicht wie das Wetter
7. Der Wisch-Welt-Daumen
Im Großen und Gleichen: Alles hat sein Recht
Wisch und weg: Mensch und Bot
Emotionsmotor Handy: Die große Sorge
In Wallung: Kampfmodus an
8. Die Dunkellinse
Was Schlagzeilen macht: Instinkt der Negativität
Medien haben Regeln: Annäherungen an die Wahrheit
Smarte Nachrichten: Wenn die Geschichte und die Erzähler verschwinden
Der entfesselte Skandal: Jeder mischt mit
Meditation der Hölle: Der Sog der isolierten Nachricht
Gemeine-Welt-Syndrom: Ach ist es nicht schrecklich
Aushalten: Schlecht und besser
Informationstremolo: Wir sind überall, nur nicht bei uns
9. Hornhaut auf der Seele
Tausend Bilder: Kein Augenblick
Nachlese in der Galerie: Reflexion statt Erleben
Für dich geschossen: Dokumentation als Selbstzweck
Unendlich viel: ist nichts
Hinter Panzerglas: Ich und Du
10. Der Daten-Virus
Tief in uns: Die Motorisierung der Fortbewegung
Die Enteignung der Straße: nicht mehr kreuz und quer, sondern rechts vor links
Weiterfahren: Die Nähe ist zerstört
Smart-Home: Das Handy als Cockpit
Internet der Dinge: Komfort, Sicherheit, Nachhaltigkeit
Ohne uns: Wir können uns rausrechnen
Praktisch: Apps nehmen uns das Leben ab
Verrechnungen: Transformator Smartphone
Ende der Verantwortung: Vermessung des Körpers
Der Vergleich des Unvergleichlichen: Alles verrechenbar
11. Die Schäm-dich-Backe
Die vierte Kränkung der Menschheit: die Antiquiertheit
Rückzugsgefechte: Was ist das Humanum?
Nebenwirkungen: Spiegel im Spiegel
Anmerkungen
Literaturverzeichnis
Beipackzettel: Liebe macht blind
Du hast eine Anatomie des Handy-Menschen in der Hand. Ein kleines anatomisches Lehrbuch. Eine Momentaufnahme. Manches ist noch unscharf. Manches versteckt sich noch. Manches wird sich wieder verwachsen. Aber schon der erste Blick zeigt: Wir sind nicht mehr dieselben. Wir sind über uns hinausgewachsen.
Kopf hoch: Vom Display aufschauen
Wir haben einige neue Organe entwickelt, die unsere medizinischen Lehrbücher und Gesundheitslexika nicht kennen. Darum ist die bevorstehende Tomographie des smarten Menschen eine Entdeckungsreise. Ein echtes Forschungsgebiet. Mit Risiken und Nebenwirkungen. Wir sind mehr oder minder auf uns allein gestellt, aber wir müssen da durch, wenn wir uns weiterhin selbst verstehen wollen. Wenn wir freie Menschen bleiben wollen.
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