Im Jahr 1854, fast gleichzeitig wie die Firma Benziger, gründete auch das Kloster Einsiedeln in Spencer County im südlichen Indiana eine Niederlassung. Sie wurde nach dem Eremitenmönch Meinrad (797–861) – der Gründerfigur Einsiedelns – benannt. Das Kloster lag in einer Gegend, in der sich in den Jahrzehnten zuvor zahlreiche deutsche Katholiken angesiedelt hatten. Eingefädelt hatte die Gründung Josef Kundek (1810–1857), gebürtiger Kroate und Generalvikar der Diözese Vincennes (heute Erzbistum Indianapolis) in Indiana, der Abt Heinrich Schmid während eines persönlichen Besuchs in Einsiedeln von diesem Unterfangen überzeugen konnte. Von St. Meinrad aus erfolgten mit der Zeit weitere Klostergründungen in den Staaten Arkansas (1878), Louisiana (1889), Illinois (1933), South Dakota (1950) und Kalifornien (1958). Die Firma Benziger stand mit St. Meinrad und insbesondere mit Martin Marty (1834–1896) aus Schwyz, dem ersten Abt von St. Meinrad und späteren Bischof von St. Cloud, in regem Kontakt. 289
Auch als sich andere Innerschweizer Klostergemeinschaften in den USA ansiedelten – das Benediktinerkloster Engelberg OW ab 1873, das Benediktinerinnenkloster Maria Rickenbach NW ab 1874 (beide in Missouri), war die Firma Benziger in verschiedenen Funktionen beteiligt. Sie empfing die Amerikareisenden in New York, vermittelte Kontakte zur Politik und hohen Geistlichkeit, versorgte die von den Mönchen und Schwestern gegründeten Schulen mit Büchern und stattete die neu gebauten Kirchen mit religiöser Kunst aus. 290
Altruismus und Kalkül lassen sich bei solchen «Freundschaftsdiensten» nicht immer auseinanderhalten. Kurz vor der Abreise der ersten Engelberger Mönche in die USA im Frühling 1873 schrieb Adelrich B.-Koch an seinen Cousin Adelrich B.-von Sarnthein in New York: «In wenigen Wochen […] erhalten Sie Besuch von 2 Patres Benediktinern aus Engelberg P. Frowin Conrad und P. Adelhelm, die nach America auswandern eine Filiale […] zu stiften. Abt Marty […] hat den Gedanken zur Reise gefördert. P. Frowin Conrad ist der Bruder des Einsiedler Pater Ignaz Conrad [später erster Abt der Abtei Subiaco in Arkansas], Latein Prof. u. besonders Protektor und Lehrer von Nicolaus u. Carli [zwei Neffen von Adelrich B.-Koch, damals an der Stiftsschule Einsiedeln]. […] Erstens ist die ganze Familie Conrad sehr achtenswerth u. mir nahestehend, wichtiger: ist P. Frowin sehr fähig, beliebt, gewandt […] u. wird sonder Zweifel bald Abt u. ist mir sehr gewogen. Wenn wir uns so weit durch beste familiale u. geschäftlich freundliche Aufnahme warm empfehlen, thun wir es mit Herz u. mit Berufung, aus Gewogenheit u. um diese Schöpfung von Anfang an sich geneigt zu machen.» 291
Nicht alle Bekannten durften mit einer «familialen Aufnahme» rechnen. Ein paar Jahre früher hiess es über einige ehemalige Angestellte in Einsiedeln, die beabsichtigten, in die USA auszuwandern: «Lasst sie zappeln u. stellt sie nicht an. Vielleicht einige Jahre unter fremden Leuten macht den beiden die Einsiedler-Prinzipale besser erscheinen, als wenn man nichts sah u. nur stets unsere neidische Wirthshaus- u. Beamten-Schimpfereien einathmete.» 292Der soziale Raum über den Atlantik hinweg hatte für einige Auswanderer auch seine Kehrseite, insofern in ihm auch Konfliktverhältnisse und soziale Randständigkeit reproduziert werden konnten.
Die Filialgründungen folgten der Logik des Markts, ein missionarischer Eifer ist in den Quellen aber nicht greifbar. Halten wir deshalb zum Schluss fest: Religiosität spielt sich nie in einem luftleeren Raum ab, sondern muss im Wechselspiel mit Wirtschaft und Gesellschaft betrachtet werden. Mit ihrem von rationalen, kapitalistischen Strategien geprägten verlegerischen Wirken trug die Firma Benziger dazu bei, den Katholizismus in den USA zu etablieren, auch wenn dies nicht die primäre intrinsische Motivation für den Schritt nach Amerika gewesen sein mag. Verlagshäuser wie Benziger haben Millionen von Katholiken und Tausende von Pfarreien, Kirchen, Vereinen, Schulen und Bibliotheken mit den für die religiöse Andacht und Erziehung nötigen materiellen Kulturgütern versorgt. Kapitalistisches Handeln und religiöse Überzeugung schlossen sich dabei keineswegs aus. Dass in der überlieferten Geschäftskorrespondenz konkrete, zahlengetriebene Massnahmen gegenüber Reflexionen über religiöse Gesinnungen bei Weitem überwiegen, liegt in der Natur der Sache. Der Firma Benziger und ihren Verlegern war eine klare katholische Gesinnung so tief inkulturiert, dass sie sich darüber in ihrer Korrespondenz nicht auszutauschen brauchten.
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