75Eid ordnete die indirekte Sterbehilfe jedoch der passiven zu. [Vgl. Eid , Aspekte, 23-24.]
76Borasio stellt zu Recht fest, dass in manchen Situationen statt Lebensverlängerung eigentlich Sterbeverlängerung betrieben wird. [Vgl. G. D. Borasio , Wann dürfen Menschen sterben?, in: ÖR 56 (2007) 248-251, 248.]
77Zur Debatte über die Existenz eines natürlichen Todes siehe F.-J. Bormann , Ist die Vorstellung eines ‚natürlichen Todes’ noch zeitgemäß? Moraltheologische Überlegungen zu einem umstrittenen Begriff, in: G. D. Borasio/F.-J. Bormann (Hg.), Sterben. Dimensionen eines anthropologischen Grundphänomens, Berlin 2012, 325-350; J. Schuster , Der Tod aus theologischer Sicht, in: V. Schumpelick (Hg.), Klinische Sterbehilfe und Menschenwürde. Ein deutsch-niederländischer Dialog. Akten des Symposiums vom 5.-8. Oktober 2002 in Cadenabbia, Freiburg/Br. 2003, 35-40.
78Vgl. Römelt , Christliche Ethik/II, 291; Kämpfer , Selbstbestimmung, 37. Der Arzt und Medizinethiker Jochen Vollmann sieht die Gefahr, dass diese terminologischen Unklarheiten im medizinischen Alltag zu großer Verunsicherung beim medizinischen Personal darüber führen, welche medizinischen Handlungen nach juristischen Kriterien erlaubt sind. Vor allem die Konnotation von physischem Tun mit aktiver Sterbehilfe führe in der Praxis dazu, dass Behandlungsabbruch als aktive Sterbehilfe missverstanden wird, obwohl dieser eigentlich dem Bereich der passiven Sterbehilfe zuzurechnen sei. [Vgl. J. Vollmann , Sterbebegleitung (Gesundheitsberichterstattung des Bundes 2), Berlin 2001, 7.] Ähnliches vermuten auch Vollmann und Borasio. [Vgl. G. D. Borasio/B. Weltermann u.a. , Einstellungen zur Patientenbetreuung in der letzten Lebensphase. Eine Umfrage bei neurologischen Chefärzten, in: Der Nervenarzt 75 (2004) 1187-1193; Vollmann , Sterbebegleitung, 7.]
79Vgl. Borasio , Über das Sterben, 163.
80Siehe diesbezüglich Bundesärztekammer , Grundsätze zur ärztlichen Sterbebegleitung (2011), A364. Wie notwendig eine Differenzierung zwischen der pflichtgemäßen Basisversorgung und der therapeutischen Behandlung des Patienten ist, zeigt die folgenschwere Gleichsetzung des Stillens von Hunger und Durst mit der künstlichen Flüssigkeits- und Nahrungszufuhr. Während Hunger und Durst von Sterbenden bereits durch die Befeuchtung der Mundschleimhäute mittels eines Eiswürfels oder geringer Tropfen Wasser gestillt werden können, ist die künstliche Flüssigkeits- und Nahrungszufuhr für den sterbenden und alten Menschen nicht nur sehr beschwerlich, sondern zusätzlich kontraproduktiv. [Vgl. Borasio , Über das Sterben, 108-114; G. D. Borasio , Ernährung und Flüssigkeit am Lebensende aus palliativmedizinischer Sicht, in: G. D. Borasio/F.-J. Bormann (Hg.), Sterben. Dimensionen eines anthropologischen Grundphänomens, Berlin 2012, 150-158; G. D. Borasio , Medizinischer Kommentar zum Fallbericht, in: ZME 55 (2009) 426-429.]
81Vgl. Woellert/Schmiedebach , Sterbehilfe, 18.
82Thomas geht in seiner Summa theologica der Frage nach, ob es im Rahmen der Selbstverteidigung jemandem erlaubt sei, einen anderen zu töten. Seiner Argumentation zufolge stehe der Tatsache „nichts im Wege, daß ein und dieselbe Handlung zwei Wirkungen hat, von denen nur die eine beabsichtigt ist, während die andere außerhalb der Absicht liegt. Die sittlichen Handlungen aber empfangen ihre Eigenart von dem, was beabsichtigt ist, nicht aber von dem, was außerhalb der Absicht liegt, da es zufällig ist […]. So kann auch aus der Handlung dessen, der sich selbst verteidigt, eine doppelte Wirkung folgen: die eine ist die Rettung des eigenen Lebens; die andere ist die Tötung des Angreifers. Eine solche Handlung hat auf Grund der Absicht, die auf die Rettung des eigenen Lebens geht, nichts Unerlaubtes“ [ Thomas von Aquin , Summa theologica, II-II, 57-79: Recht und Gerechtigkeit, in: Albertus-Magnus-Akademie (Hg.), Die deutsche Thomas-Ausgabe. Vollständige, ungekürzte deutsch-lateinische Ausgabe der Summa theologica 18, Heidelberg 1953, q. 64, a. 7.].
83Vgl. Thiele , Aktive Sterbehilfe, 17. Eine ausführliche Darstellung bietet Häcker , Die ethischen Probleme der Sterbehilfe, 54-59.
84Vgl. Borasio , Über das Sterben, 165. Er beruft sich neben persönlicher Erfahrung auf eine Studie der englischen Palliativmediziner Nigel Sykes und Andrew Thorns aus dem Jahr 2003, die nach Analyse von 3000 Fällen aufzeigen konnten, dass die hohe Dosierung von starken Schmerzmitteln wie Opioiden oder Sedativa in der letzten Lebensphase keine Lebensverkürzung nach sich zog. Stattdessen sei es aufgrund der medizinisch indizierten Sedierung sogar zu einer lebensverlängernden Wirkung gekommen. [Vgl. N. Sykes/A. Thorns , The Use of Opioids and Sedatives at the End of Life, in: LO 4 (2003) 312-318, 317.]
85Diese Dreiteilung geht auf den Philosophen und Ethiker Peter Singer und seine Differenzierung in voluntary, involuntary und nonvoluntary zurück. [Vgl. P. Singer , Practical ethics, New York 32011.] Die Unterscheidung in freiwillige, unfreiwillige und nichtfreiwillige Sterbehilfe verwenden u.a. Zimmermann-Acklin , Euthanasie, 105-106; Häcker , Die ethischen Probleme der Sterbehilfe, 25-26; P. Foot , Euthanasie, in: A. Leist (Hg.), Um Leben und Tod. Moralische Probleme bei Abtreibung, künstlicher Befruchtung, Euthanasie und Selbstmord, Frankfurt/Main 1990, 285-317, 306-308; Thiele , Aktive Sterbehilfe, 23-24; Birnbacher , Tun und Unterlassen, 362-363; Frieß , ‚Komm süßer Tod’, 37-43; Woellert/Schmiedebach , Sterbehilfe, 23, 31.
86Vgl. Frieß , Sterbehilfe, 23. Zur Debatte der Freiheit einer entsprechenden Willensentscheidung siehe Punkt 4.2.2.
87Vgl. Thiele , Aktive Sterbehilfe, 20; Frieß , Sterbehilfe, 25. Diese ist als (fahrlässige) Tötung eines einwilligungsfähigen Patienten zu qualifizieren. [Vgl. Woellert/Schmiedebach , Sterbehilfe, 34-35; Frieß , Sterbehilfe, 41.]
88Vgl. Thiele , Aktive Sterbehilfe, 20; Häcker , Die ethischen Probleme der Sterbehilfe, 26.
89Ein Patient ist nur dann einwilligungsfähig, wenn er die Bedeutung, den Umfang, die Tragweite und die Folgen eines geplanten Behandlungseingriffs geistig erfassen kann, zu diesem mit dem geforderten Urteils- und Einsichtsvermögens Stellung nimmt und seinen eigenen Willen bestimmt. [Vgl. D. Griesen , Art. Einwilligung, in: LBE 1 (2000) 539-543, 540.]
90Zur Bestimmung des mutmaßlichen Willens anhand früherer Aussagen des Patienten gegenüber Familienangehörigen, Freunden, Ärzten, Pflegern und/oder Betreuern siehe u. a. G. D. Borasio/H.-J. Heßler u.a. , Patientenverfügungsgesetz. Umsetzung in der klinischen Praxis, in: DÄ 106 (2009) A1952-A1957; M. Parzeller/M. Wenk u.a. , Aufklärung und Einwilligung bei ärztlichen Eingriffen, in: DÄ 104 (2007) A576-A586; A. May , Autonomie und Fremdbestimmung bei medizinischen Entscheidungen für Nichteinwilligungsfähige (Ethik in der Praxis. Studien 1), Münster 22001.
91Vgl. Häcker , Die ethischen Probleme der Sterbehilfe, 28.
92Andere Kombination wie ( ärztliche ) Suizidbeihilfe, Beihilfe zur Selbsttötung, assistierter Suizid lassen sich finden unter Verrel , Patientenautonomie und Strafrecht bei der Sterbebegleitung, 17-20; Hillebrand , Ethische Aspekte der Sterbehilfe, 127; Nationaler Ethikrat , Selbstbestimmung, 55; Frieß , Sterbehilfe, 14. Zur Diskussion, ob Ärzte beim Suizid helfen dürfen, siehe G. Klinkhammer , Darf ein Arzt beim Sterben helfen? Medizinethiker, Ärzte, Juristen und Vertreter der Ärztekammern nehmen teilweise konträre Positionen ein, in: DÄ 110 (2013) A500-A501; E. Richter-Kuhlmann , Sterbehilfe. Gesetz liegt voerst auf Eis, in: DÄ 110 (2013) A112; E. Richter-Kuhlmann , Assistierter Suizid. Dissens um die Arztrolle, in: DÄ 109 (2012) A1970; F. S. Oduncu/G. Hohendorf , Die ethische Verantwortung des Arztes, in: DÄ 108 (2011) A1362-A1364; V. Lipp/A. Simon , Beihilfe zum Suizid. Keine ärztliche Aufgabe, in: DÄ 108 (2011) A212-A216.
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