Ulrich Karger
VERQUER
Roman-Collage
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Inhaltsverzeichnis
Titel Ulrich Karger VERQUER Roman-Collage Dieses ebook wurde erstellt bei
Vorwort
I. DER BRUDER IM GEISTE
- Anspiel
Ordnung
- Zwischenspiel
Der Bruder im Geiste
- Zwischenspiel
Sich vertreten
- Zwischenspiel
Dreiklang
- Zwischenspiel
Nicht allein
II. ABGESTAUBT
Abgestaubt
- Zwischenspiel
An das Über-Andere
- Zwischenspiel
Zugabe
- Zwischenspiel
Voll der Gnaden
- Zwischenspiel
Immer dasselbe ...
III. EINGANGS
War was?
- Zwischenspiel
Eingangs
- Zwischenspiel
Nachgefragt
- Zwischenspiel
Zwischenbericht des Untersuchungsausschusses
- Zwischenspiel
Grüße aus dem Diesseits
- Zwischenspiel
Unterwegs durch SO 36
- Zwischenspiel
Zwiesprache
IV. KINDERWUNSCH
Frau Semmelbach
- Zwischenspiel
Einblick
- Zwischenspiel
Froh zu sein, ...
- Zwischenspiel
Kinderwunsch
- Abspiel
EPILOG
Leseprobe aus „Kindskopf – Eine Heimsuchung“
Leseprobe aus „Herr Wolf kam nie nach Berchtesgaden“
Leseprobe aus „Homer: Die Odyssee nacherzählt von Ulrich Karger“
Edition Gegenwind
Impressum neobooks
Bei VERQUER handelt es sich um die Neuausgabe einer gleichnamigen „Roman-Collage“, die das Denken und Erleben von Johannes Krummbiegel widergespiegelt – in sechzehn Kurzprosatexten, sechs Gedichten und seinen Kommentaren dazu. (Für den Index der E-Book-Ausgabe wurden Krummbiegels Kommentare mit An- , Zwischen- und Abspiel überschrieben, in der Buchausgabe sind sie ohne Überschriften eingeschoben.) Johannes Krummbiegel ist ein in den 1950ern geborenes Wirtschaftswunderkind, das sich erwachsen geworden zu Weihnachten mit seinen Eltern versöhnen will. Er kann weder den Besuch bei den Eltern vermeiden noch kommt er umhin, der christlichen Prägung durch sie nachzuspüren. Noch dazu in einem geteilten Deutschland, dem das Christentum seinen Stempel aufgedrückt hat – im Schlechten, aber halt auch im Guten. So wurde den meisten Texten auch jeweils ein Zitat aus der Bibel vorangestellt, das wiederum ein „weites Feld“ zwischen Anspruch und der meist zur Realsatire gewordenen Wirklichkeit aufmacht – egal, ob ganz privat bei Johannes Krummbiegel oder im Kanzlerdeutsch eines Helmut Kohl. Wie das Zusammentreffen der Krummbiegels an den eher weniger Freude und Frieden stiftenden Festtagen ausgeht? Lassen Sie sich überraschen oder bestätigen … Angefangen und abgeschlossen 1990 in der für die beiden Deutschlands so bedeutsamen „Wende“-Zeit, wurde VERQUER für diese Neuausgabe von mir durchgesehen und in die neue Rechtschreibung übertragen. Zudem habe ich eine von der Erstausgabe abweichende Umstellung vorgenommen sowie ein Gedicht und zwei der Kurzprosastücke durch zwischenzeitlich komplett überarbeitete Texte ersetzt.
Ulrich KargerBerlin, im Dezember 2012
Meinungen und Rezensionen zur Buch-Erstausgabe von 1990: „Ich habe Verquer mit unterwegs gehabt, bin angetan und manchmal sogar gefesselt. (..) und ich werde noch so manches Mal in Ihren verqueren Texten lesen.“ Franz Josef Degenhardt , 9.7.1990 „Verquer enthält viele kurze Texte, auch Gedichte, die zum Weiterdenken anregen. Vor allem die Passagen, wo Karger nah an seiner persönlichen Erfahrung bleibt, sind scharf und witzig beobachtet. (..) Ein ehrliches Buch zum Thema Christ-sein heute, genau auf der Grenze zwischen ja und aber.“ Angelika Obert, Berliner Sonntagsblatt Nr. 43 / 28.10.1990 „Karger arbeitet mit Ironie gegen den Zynismus an und (..) hat sich vieler Stilformen bedient, um sein Thema einzukreisen. Besonders erfreulich: es gelingt ihm kurios, ohne erhobenen Zeigefinger, ohne zu missionieren oder den Moralapostel zu spielen.“ Neues Deutschland, Berlin 31.01. 1991 „Im Vorwort heißt es (..): Das, was von dem uns allen dem Namen nach Bekannten am Kreuz berichtet wird, kann damit nichts, aber auch gar nichts zu tun haben. Ulrich Karger führt diese wichtige, inhaltliche Auseinandersetzung nicht moralinsauer oder missionierend, vielmehr gelingt es ihm, die leisen Zwischentöne in den Real-Satiren, Glossen und Grotesken hörbar zu machen.“ Thomas Holtbernd, Plärrer 01/91, Nürnberg „Ein interessantes, ehrliches Stück Literatur!“ Norbert Ney, Andere Zeitung 02/91, Frankfurt a. M.
1. Kapitel
Kommst in die Jahre und all das Finger aufzeigen nutzt noch immer nix. Bereits der Lehrer sah ihn nicht, nahm immer nur den geleckten Apothekersohn an die Reihe, dessen Vater auf Rezept schon zu Weihnachten den schönen Bildkalender mit dem aufgedruckten Kundennamen überreichte. Für die weniger ehrenwerten Kunden musste es auch ein billigeres und farbloseres Exemplar tun, ohne das: Mit vorzüglicher Hochachtung, Herr Professor, und Ihnen und der gnädigen Frau Gemahlin Gesundheit, vor allem Gesundheit und dergleichen mehr.
Erst hatte Johannes Krummbiegel gestaunt, mit offenem Mund diesen und ähnlichen Ereignissen beigewohnt, dann hatte ihn die Wut gepackt, die er auch erklären und rechtfertigen mochte, dann aber sagte er nur noch: Wahnsinn, alles Wahnsinn, und dann sagte er nichts mehr.
… und gott schuf den menschen nach seinem bilde (Gen 1 f.)
Und Gott war den Menschen sichtbar in allumfassendem Sein, in Leben und Tod, in Licht und Schatten.
Da begab es sich, dass jenen Menschen ein in Gott-Sein nicht genügte. Es genügte nicht, in Allem Gott zu erkennen. Es genügte nicht mehr, in sich und anderen Gott zu lieben.
Jedes Ding bekam nun zwei Seiten: Ein Vorne und Hinten, ein Unten und Oben. Die Menschen aber standen über den Dingen.
Durch nichts zu bremsen, schufen sie auch noch das Richtige und Falsche, das Gute und Böse. Diese Kopfgeburten machten sich des Nachts einen Spaß und fingen an, zu tanzen. Eine Polonaise durch all die stolzen Menschengehirne.
Rumtata fidiralala.
Am nächsten Morgen hatte kein Mensch Bedenken, sondern Kopfschmerzen, und alle sagten: So geht das nicht weiter!
Ohne Aspirin fanden sie dann ihrer Weisheit letzter Schluss: Eine Ordnung muss her, gelenkt und getrennt der ganze Haufen, die Guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen.
Also zogen sie sich gegenseitig die Felle über die Ohren und nähten daran bis zum Abend: Fertig war die Ordnung. Nicht irgendeine Ordnung, sondern dieOrdnung! Das würde die Tänzer lehren, ihre Schöpfer zu ehren! Und als die wilde Jagd aufs Neue mit „Rumtata fidiralala“ anheben wollte, wurde sie von einem schauerlichen Geräusch erschreckt: Die Ordnung schlürfte und schnappte mit ihrem kleinen Loch nach allem, was sie umgab, und das war zuallererst mal Luft. Die Luft blähte die Ordnung, bis an anderer Stelle ein jaulender Wind entwich. Schließlich gerieten auch die Unruhestifter in den Sog, und am Morgen schwebte die Ordnung über den leer geräumten Köpfen ihrer Schöpfer. Da entlud die Ordnung einen besonders gewaltigen Wind, der besagte, dass das Beste über allem anderen stehe, und alles dem Besten zu dienen hätte. Und nun herrscht Ordnung auf der Welt. Gott aber ist den Menschen nicht mehr sichtbar, denn die Ordnung hat des Weiteren verfügt, dass Gott das Entweder-Oder ist ...
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