Teresas erste Kindheitseindrücke sind eingebettet in den Schoß eines gläubigen und gottergebenen Elternhauses, wie wir in den ersten Kapiteln ihrer Autobiographie erfahren: „ Mein Vater las gern gute Bücher; er war voll Liebe zu den Armen und Kranken, und selbst für die Dienstboten hatte er ein offenes Herz. Er war von großer Wahrhaftigkeit. Niemals kamen ein Fluch oder eine üble Nachrede über seine Lippen. Auch meine Mutter war von hervorragender Tugend. Sie war von seltener Schönheit, ohne jedoch jemals ein Aufhebens davon zu machen. Sie besaß die Gabe, Frieden zu stiften, und hatte einen scharfen Verstand. Zeit ihres Lebens musste sie viel Schweres erdulden. (…) Wir waren drei Schwestern und neun Brüder“ (V 1,1).
„… para siempre, siempre, siempre („für immer und ewig“): Die Wirkung der Heiligenlegenden auf das Kind Teresa
Nach Teresas wiederholten Aussagen prägen schon im Kindesalter Bücher ihr Leben. Begierig verschlingt sie alle ihr zugänglichen Heiligenlegenden und versetzt sich mit Inbrunst in das Schicksal ihrer Helden: „ Zusammen mit meinem Lieblingsbruder las ich oft die Lebensbeschreibungen der Heiligen. Als ich nun sah, was die Märtyrer aus Liebe zu Gott auf sich genommen hatten, erschien es mir, als hätten sie dieses ‚Immer-bei-Gott-verweilen-Dürfen‘ wohlfeil erkauft, und so begann ich, den Tod herbeizusehnen.“
Früh zeigt sich dabei auch ein gewisser Hang zum „Feilschen“, wenn sie sich – wie selbstverständlich – als Gegenleistung „ den Himmel “ erhofft (V 1,5).
„Sehnsucht einer Achtjährigen nach dem Martyrium: frühes Ausreißmanöver „ins Land der Mauren“
Wohl damals schon hat Teresa eine unwiderstehliche Sehnsucht nach dem, was „oben“ ist, verspürt. Sie ist ein kühnes, zu Abenteuern wie geschaffenes Kind, wenn sie früh beschließt, „ den Himmel zu erringen, und zwar um jeden Preis“ , wie man es aus ihrem Munde erfährt, als sie im Alter von acht Jahren Rodrigo, ihren 11-jährigen Lieblingsbruder, überredet, mit ihr „ ins Land der Mauren zu ziehen“ , damit – wie sie in ihrer Vita schreibt – „ uns dort aus Liebe zu Gott die Köpfe abgeschlagen würden“ (V I,5).
Da den Geschwistern das Martyrium verwehrt bleibt, versuchen sie Einsiedler zu werden, um auf diese Weise die ewige Seligkeit zu verdienen (man beachte wiederum den merkantilen Aspekt ihrer Überlegungen!). Und doch scheint Teresa früh an diesen kindlich-frommen Übungen Gefallen gefunden zu haben: „Und es gefiel uns, oftmals zu sagen: für immer, für immer!“
Teresas standesgemäße Erziehung und Bildung
Obwohl „Frau“ zu sein zu Teresas Zeit bedeutet, keinen Zugang zu „Bildung und Wissen“ zu haben, erklärt sie mehrfach „ich war immer eine Liebhaberin von Studien“ (V 5,3), und wie sehr sehnt sie sich nach Bildung, wenn es später darum geht, ihre mystischen Erfahrungen ins Wort zu nehmen. Dennoch stellen wir im Falle Teresas eine überraschende Belesenheit fest. Gemäß dem Brauch ihrer Familie wurde sie unterrichtet in Kalligraphie, Gesang, Sticken und Spinnen und war offenbar eine gute Schachspielerin, wie diesbezügliche Beispiele in ihren Schriften belegen.
Aus Teresas eigener Feder wissen wir, dass die Lieblingsbeschäftigung ihrer Mutter, Ritterromane zu lesen, auf sie übergegangen war: „ (Meine Mutter) war versessen auf Ritterromane, doch nahm sie durch diesen Zeitvertreib nicht so großen Schaden wie ich, da sie deswegen ihre Arbeit nicht vernachlässigte. Wir Geschwister aber brachten unsere Aufgaben schnell hinter uns, um uns sogleich wieder der Lektüre zu widmen. Vielleicht tat meine Mutter das auch, um nicht an die großen Mühsale zu denken, die sie immer wieder durchmachte, und um uns Kinder zu beschäftigen, damit wir uns nicht in anderen Dingen verlieren würden. Darüber wurde mein Vater so unwillig, dass wir aufpassen mussten, dass er nicht dahinterkam. Ich machte es mir immer mehr zur Gewohnheit, sie (diese Romane ) zu lesen, und so war dieser kleine Fehler, den ich an meiner Mutter wahrnahm, der Anfang dafür, dass meine guten Vorsätze lauer wurden und ich auch anderweitig fehlte. (…) Ich war derart davon besessen, dass ich mich unglücklich fühlte, wenn ich nicht immer wieder ein neues Buch hatte (V 2,1).
Ihr ganzes Leben lang wird Teresa ihre Zuflucht zu Büchern nehmen, wobei sie nicht nur gründlich liest und sich mit dem Gelesenen identifiziert, sondern auch durch Anstreichen das Gelesene memoriert und ihre eigenen Erfahrungen dokumentiert. Beispielsweise werden die Bekenntnisse des heiligen Augustinus für sie zu einer Art Vorlage für ihre spätere Autobiographie ( La Vida) , oder sie bekundet durch Unterstreichen ganzer Textpassagen in Laredos Aufstieg zum Berg Zion , dass sie in diesen Zeilen ihr eigenes Erleben wiedererkannt hat.
2.Erste Lebenskrise: der frühe Tod der Mutter (1528) und die Folgen
„Lebenslange Zuflucht bei der Muttergottes“ und „kleine Schatten auf der Familienehre“
Diese Art der Frömmigkeit ändert sich schlagartig mit dem frühen Tod der geliebten Muter, die – ausgelaugt von zehn Geburten – mit nur 33 Jahren verstirbt. „Ich erinnere mich, (…) als meine Mutter starb“ – (V 1,7) Teresa flüchtet sich zu einem Bild der Muttergottes und fleht sie unter Tränen an, doch von nun an ihre Mutter zu sein.
Die „schöne Teresa“ erregt erstes Aufsehen in Ávila
Teresa hatte von ihrer Mutter die „Vorliebe“ für die Lektüre von Ritterromanen so sehr übernommen, dass sie unruhig wurde, „ wenn (sie) nicht immer ein neues Buch hatte“ (V 2,1). Als feinen Unterton hören wir heraus, dass diese Beschäftigung unerlaubterweise „ hinter dem Rücken meines Vaters“ erfolgte, wenngleich Teresa noch beschwichtigend hinzufügt: „Mir kam es nicht schlimm vor, viele Stunden am Tag und sogar bei Nacht mit einer so nutzlosen Beschäftigung zu vertun, dazu noch hinter dem Rücken meines Vaters.“
Teresa, die spätere Meisterin der Analyse geistlichen Geschehens, spürt sehr wohl die „Abkühlung“ des ersten jugendlichen Elans ihrer Hinwendung zu Gott, „ sodass meine guten Vorsätze lau wurden“ (V 2,1). Fortan ist sie auf Schönheit und weltliche Vergnügungen bedacht und gibt sich allerlei Zeitvertreib hin. „Ich begann, aufwändige Kleider zu tragen und wollte durch mein Aussehen gefallen, wobei ich viel Sorgfalt auf meine Hände und Haare verwendete, mit Parfum und allerlei Schnickschnack, was ich so auftreiben konnte – und das war einiges, denn ich war sehr eitel. Dabei war meine Absicht nicht schlecht und ich wollte keinesfalls, dass jemand meinetwegen Gott beleidigte. Diese große Eitelkeit, mich zu sehr herauszuputzen, und anderes Gebaren, das mir keineswegs als Sünde vorkam, hielt über Jahre an. Heute sehe ich ein, wie verkehrt das alles gewesen sein muss “ (V 2,2).
Als sie beginnt, ihre „ weiblichen Reize“ – die nach ihrer eigenen Aussage „zahlreich waren“ – zu entdecken, steht sie immer mehr im Mittelpunkt des Interesses ihrer gleichaltrigen und älteren Cousins. „Auch hatte ich ein paar Cousins – denn andere kamen bei uns gar nicht ins Haus, weil mein Vater da sehr streng war – und hätte es Gott doch gefallen, dass er es auch mit diesen gewesen wäre! (…) Sie (meine Vettern) waren fast in meinem Alter, ein wenig älter als ich. Wir steckten andauernd zusammen. Sie hatten mich sehr gern; und ich unterhielt sie mit allem, was ihnen Spaß machte, und hörte ihnen zu, wenn sie von ihren so gar nicht erbaulichen Liebeleien und Kindereien erzählten. Und was noch schlimmer war: Meine Seele ließ sich auf das ein, was der Grund für ihre ganze Verderbtheit war“ (V 2,2).
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