In ihrer Autobiographie benennt Teresa selbst zwei große Wegstrecken ihres Gebetslebens und unterscheidet ein „Vorher“ und ein „Nachher“, wenn sie schreibt: „ Es ist ein anderes, neues Buch ab hier, ich meine ein anderes, neues Leben. Das bis hierher war meines; das, was ich gelebt habe, seitdem ich diese Gebetserfahrungen zu erläutern begann, ist – wie mir scheint – das, was Gott in mir lebt“ (V 23,1). Ihr ganzes Leben durchziehen immer neue Erfahrungen des Betens. Und dieser Prozess kennt Höhen und Tiefen, Krisen aller Art und echte Konversionen. Ohne immer neue Suche nach dem, was einen echten Dialog zwischen Gott und der Seele ausmacht, wäre Teresas Leben nicht denkbar. Und dieser Dialog wird immer mehr zum „ Gespräch mit einem Freund, mit dem wir oft und gern allein zusammenkommen, um mit ihm zu reden, weil wir sicher sind, dass er uns liebt“ (V 8,5–6). Wenn aber dieser Dialog misslingt oder von Teresas Seite vernachlässigt wird, gerät ihr Leben sogleich aus den Fugen. Erst viel später wird Teresa ein hübsches Bild für dieses Sich-immer-mehr-in-Ihn-Versenken finden: die sieben Wohnungen der Inneren Burg , in dessen Zentrum Er, Gott, wie ein liebender Bräutigam die Seele als Seine Braut erwartet. Erst dann ist sie wirklich angekommen, wird sie in Ihn selber verwandelt, wird sie zu Teresa de Jesús , was so viel bedeutet wie ganz die Seinige .
6. La Vida: Teresas folgenschwere Autobiographie (1565)
7. Der mühselige „Weg zur Vollkommenheit“
Teresa, Gründerin allen Hindernissen zum Trotz – „femina inquieta“und „Vagabundin in Gottes Diensten“
8. San José:Erste Klostergründung mit Hindernissen (1562–1567)
9. Die Madre Fundadora:Teresas aufreibende Gründungsreisen quer durch Spanien
10. Teresa auf dem Höhepunkt ihrer geistlichen Suche: die „Burg mit den sieben Wohnungen“
11. Teresa als feinfühlige, kenntnisreiche Darstellerin innerer Vorgänge
12. Teresa, ein „Genie der Freundschaft“ zwischen Gott und den Menschen: „etwa 25 000 Briefe und kein Ende“ …
Zeittafel
Anmerkungen
Siglen und Abkürzungen
Literaturhinweise
Teresas Schriften werden grundsätzlich nach der altspanischen Werkausgabe zitiert: Santa Teresa de Jesús , Obras Completas, Biblioteca de Autores Cristianos (BAC), Madrid 1977, hg. v. Efrén de la Madre de Dios OCD und Otger Steggink O. Carm.
Die Übertragung der Zitate ins Deutsche besorgte – wo nicht anders vermerkt – die Autorin. Die dabei aus Gründen des Umfangs notwendig gewordenen Auslassungen und Kürzungen werden durch (…) gekennzeichnet.
Auf Fundstellen in der vollständigen Neuübertragung der Werke Teresas von Elisabeth Peeters OCD und Ulrich Dobhan OCD (Reihe Herder-Spektrum) wird bei Bedarf verwiesen.
Die übrigen Zitate sind pro Seite durch Kurztitel und Seitenangaben gekennzeichnet, sodass sie anhand des Literaturverzeichnisses zu verifizieren sind.
München, den 18. Dezember 2014
Elisabeth Münzebrock
Prolog: Teresa heute: eine „Heilige aus Leidenschaft“?
Wer mit Teresa von Ávila (1515-1582) in Berührung kommt, kann sich dem Zauber ihrer außerordentlichen Persönlichkeit nur schwer entziehen. Stark war sie, glaubwürdig, kompromisslos; unerschrocken im Umgang mit den Mächtigen ihrer Zeit.
Sinn und Halt ihres rastlosen Wirkens als Reformatorin des Karmels ist ihre Freundschaft mit Gott, der in ihr Leben einbricht, es bis in alle Tiefen erschüttert und immer aufs Neue ihre radikale und totale Antwort begehrt.
Nach jahrzehntelangem Ringen um ein „Loslassenkönnen“ all dessen, was ihrer Freundschaft mit Gott im Weg steht, gelangt Teresa zum Gipfel der mystischen Einigung. Sie wird eine der Größten in der Welt der Mystik und bleibt doch die Frau mitten im Alltag mit ihrem praktischen Verstand: Teresa, die „Gottes-Erfahrene“, Nonne, Ordensgründerin und Reformatorin, ist ebenso eine ausgezeichnete „Psychologin“ wie eine mit allen Qualitäten modernen Managements ausgestattete Organisatorin, die mit feurigem Herzen eine der bedeutendsten Reformbewegungen der Kirchengeschichte in die Wege geleitet hat.
Und zu alledem entwickelt sie sich – wiewohl Autodidaktin – nach und nach zu einer hochbegabten Schriftstellerin, die gleichsam als „inkarnierte Kommunikation zwischen Gott und den Menschen“ als Niederschlag ihrer Erfahrungen ein vielbändiges autobiographisches und mystisches Werk hinterlässt. Nach derzeitigem Kenntnisstand stammen etwa 25 000 Briefe aus Teresas Feder. Dass Teresa wirklich zu Recht als „Genie der Freundschaft“ gilt, belegt vor allem die überbordende Schreibaktivität der Heiligen, wobei sie in einer Fülle von Bildern und mit zuweilen herzerfrischender Schlagfertigkeit alles zu Papier bringt, was sie erlebt hat – in Innenwelt und Außenwelt. Dabei ist sie stets die ganz menschliche, mitfühlende, humorvolle, von Geist und Witz sprühende Gesprächspartnerin, wie sie uns überhaupt als eine ganzheitlich begabte „menschliche Heilige“ gegenübertritt.
Auf dem Weg zur Mystikerin
1. Doña Teresa Sánchez de Cepeda y Ahumada: Kindheit und Jugend in bewegter Zeit
Teresa Sánchez de Cepeda y Ahumada wurde am 28. März 1515 in bewegter Zeit als fünftes von zwölf Kindern in Ávila, Kastilien, geboren. Väterlicherseits stammt sie von sogenannten conversos ab, das sind konvertierte Juden, die entweder nach und nach aus Überzeugung dem Glauben der Väter abgeschworen oder sich durch Eheschließung – wie im Falle von Teresas Vater, Alonso Sánchez de Cepeda (1480–1543) – mit „Rechtgläubigen“ wie Beatriz Dávila y Ahumada [1494–1528/29]) verbunden hatten.
Tochter eines „hidalgo“ (Edelmanns) mit jüdischen Wurzeln: Teresas familiäres Umfeld
Don Alonso war also jüdischer Abstammung, gehörte jedoch kraft eines Adelsbriefes, den sein Vater bei seiner Konversion 1485 erworben hatte, offiziell dem niederen Adel an. Mit der bald nach der Konversion erfolgten Übersiedlung von Toledo nach Ávila versuchte die Familie in einer fremden Stadt eine neue Identität aufzubauen. In einer Art Familienstammbuch, in welchem Don Alonso die Geburten seiner Kinder eintrug, heißt es: „Am Mittwoch, dem achtundzwanzigsten März des Jahres fünfzehnhundertfünfzehn /1515/ um fünf Uhr früh, mehr oder weniger (denn es war schon fast Tagesanbruch an jenem Mittwoch), wurde meine Tochter Teresa geboren . 1
Widersprüchliches zur Herkunft Teresas; und ein „beredtes“ Schweigen
Teresas Biographen haben jahrhundertelang ihre jüdische Herkunft verschwiegen oder bewusst geleugnet. Heutigen Lesern ist diese überzogene Betonung der „Reinheit des Blutes“ unverständlich, obwohl die Kenntnis hierüber für das Verständnis der geistigen Aufgeschlossenheit Teresas unabdingbar ist. Den conversos wird ein gewisser Hang zu Innerlichkeit und Weltverachtung nachgesagt, wobei hier auch die Wurzel des Verdachts, eine Alumbrada (Erleuchtete) und damit der Häresie verdächtig zu sein, liegen könnte, dem Teresa später immer wieder entgegentreten muss. Ihre Kritik der „ honra“ (Ehre) , ihre außerordentliche Begabung, „Netzwerke“ zu knüpfen mit Angehörigen aller Gesellschaftsschichten – vom Hochadel, den königlichen Beamten, Bankiers, Geschäftsleuten, Ärzten bis zu ihren zahlreichen Freunden und Gönnern – ist nur vor diesem Hintergrund einsichtig.
Teresas „Loblied auf die Familie“
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