Elisabeth Göbel - Von Blüten und Blättern
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Elisabeth Göbel
Von Blüten und Blättern
EIN KLEINMACHNOWER GARTENTAGEBUCH
Verlag Josefine Rosalski, Berlin 2014
Inhalt
Cover
Titel Elisabeth Göbel Von Blüten und Blättern EIN KLEINMACHNOWER GARTENTAGEBUCH Verlag Josefine Rosalski, Berlin 2014
Zitat »Es gibt im Grunde nichts, was dem Dichten so nahe steht, als ein Stück lebendiger Natur nach seiner Phantasie umzugestalten.« Hugo von Hofmannsthal Coreopsis – Mädchenauge
1. Januar, Samstag
2. Januar, Sonntag
3. Januar, Montag
4. Januar, Dienstag
6. Januar, Donnerstag
7. Januar, Freitag
8. Januar, Samstag
9. Januar, Sonntag
10. Januar, Montag
17. Januar, Montag
20. Januar, Donnerstag
2. Februar, Mittwoch
3. Februar, Donnerstag
5. Februar, Samstag
8. Februar, Dienstag
17. Februar, Donnerstag
19. Februar, Samstag
20. Februar, Sonntag
21. Februar, Montag
22. Februar, Dienstag
23. Februar, Mittwoch
26. Februar, Samstag
2. März, Mittwoch
7. März, Montag
8. März, Dienstag
9. März, Mittwoch
11. März, Freitag
Irgendwann im März
25. März, Freitag
1. April, Freitag
2. April, Samstag
8. April, Freitag
17. April, Sonntag
19. April, Dienstag
20. April, Mittwoch
21. April, Donnerstag
22. April, Freitag
23. April, Samstag
24. April, Sonntag
25. April, Montag
26. April, Dienstag
30. April, Samstag
1. Mai, Sonntag
2. Mai, Montag
4. Mai, Mittwoch
6. Mai, Freitag
8. Mai, Sonntag
9. Mai, Montag
10. Mai, Dienstag
11. Mai, Mittwoch
12. Mai, Donnerstag
14. Mai, Samstag
15. Mai, Sonntag
17. Mai, Dienstag
18. Mai, Mittwoch
19. Mai, Donnerstag
20. Mai, Freitag
21. Mai, Samstag
22. Mai, Sonntag
23. Mai, Montag
24. Mai, Dienstag
25. Mai, Mittwoch
26. Mai, Donnerstag
28. Mai, Samstag
29. Mai, Sonntag
30. Mai, Montag
31. Mai, Dienstag
1. Juni, Mittwoch
4. Juni, Samstag
5. Juni, Sonntag
6. Juni, Montag
8. Juni, Mittwoch
9. Juni, Donnerstag
14. Juni, Dienstag
17. Juni, Freitag
18. Juni, Samstag
19. Juni, Sonntag
24. Juni, Freitag
5. Juli, Montag
6. Juli, Dienstag
10. Juli, Sonntag
11. Juli, Montag
16. Juli, Samstag
19. Juli, Dienstag
20. Juli, Mittwoch
21. Juli, Donnerstag
22. Juli, Freitag
23. Juli, Samstag
24. Juli, Sonntag
25. Juli, Montag
27. Juli, Mittwoch
28. Juli, Donnerstag
29. Juli, Freitag
1. August, Montag
2. August, Dienstag
4. August, Donnerstag
5. August, Freitag
6. August, Samstag
10. August, Mittwoch
11. August, Donnerstag
12. August, Freitag
22. August, Montag
23. August, Dienstag
24. August, Mittwoch
25. August, Donnerstag
26. August, Freitag
27. August, Samstag
28. August, Sonntag
1. September, Donnerstag
2. September, Freitag
3. September, Samstag
5. September, Montag
6. September, Dienstag
9. September, Freitag
13. September, Dienstag
14. September, Mittwoch
16. September, Freitag
18. September, Sonntag
19. September, Montag
21. September, Sonntag
26. September, Montag
4. Oktober, Dienstag
5. Oktober, Mittwoch
15. Oktober, Samstag
29. Oktober, Freitag
31. Oktober, Montag
2. November, Mittwoch
8. November, Dienstag
9. November, Mittwoch
14. November, Montag
24. November, Donnerstag
25. November, Freitag
28. November, Montag
29. November, Dienstag
8. Dezember, Donnerstag
11. Dezember, Sonntag
20. Dezember, Dienstag
24. Dezember, Samstag
31. Dezember, Samstag
Impressum
»Es gibt im Grunde nichts, was dem Dichten so nahe steht, als ein Stück lebendiger Natur nach seiner Phantasie umzugestalten.«
Hugo von Hofmannsthal
Coreopsis – Mädchenauge
1. Januar, Samstag
Ich lese – Sofa- und Bettlektüre im Winter – einen englischen Roman, Michael Cunninghams By nightfall . Die New Yorker Kunst- und Galeristenszene, ein durch Schönheit verführbarer Lebensästhet und eine Ehegeschichte, die Sprache anspruchsvoll, was für ein Vergnügen, bei allem, was man jetzt so liest, und fremde Vokabeln zwingen mich zur Disziplin, ich greife nach dem Wörterbuch. Und sollte doch eigentlich Wörter suchen für das, was ich in meiner Muttersprache beschreiben will. Den Garten der Kindheit. Schnee. Mein Vater in Russland. Schnee. Ein Schwein wird geschlachtet. Nein, das lassen wir weg, es war eine Schwarzschlachtung im Winter 47. Schnee: Den Garten der Gegenwart. Warum lese ich nicht Adalbert Stifters Bergkristall? Oder noch einmal die großartige Schneeszenerie, in der sich Hans Castorp verliert. Oder Fräulein Smillas Gespür für die weiße Pracht – wer zum Kuckuck, war doch gleich der Autor? Oder Hemingways Schnee auf dem Kilimandscharo , dessen Held sich, das gefällt mir, das »Fett von der Seele herunterarbeiten« will, indem er schreibt. Seitenlang Schnee bei Stifter und Thomas Mann. Mein weißes unbeschriebenes Blatt.
Tag für Tag ein Blatt; weißes Blatt, grünes Blatt – über den Garten schreiben, übers Schreiben schreiben.
Wir haben Schnee seit Anfang November, Berge von Schnee allüberall, viel zu viel Schnee, doch das Wegschieben am Morgen gleich nach dem Aufstehen war und ist mir ein Genuss. Die Welt ist weich und leise, die Luft voll Geflimmer und so sauber wie sonst nie. Keiner darf vor mir die Wege betreten, weil unter jedem Tritt sich sogleich eine fußgroß kalte Pracht zusammenklumpt, die sich dann nicht mehr wegschieben lässt. Einen schmalen Pfad habe ich freigeschoben, damit die Anstrengung der lustvollen Betätigung nicht allzu groß werde, der Mann wird ihn später verbreitern, wird Schneeberge aufhäufen, von keinem Schmutz getrübtes Weiß. Locker war der Novemberschnee, als der frühe Winter begann, und feiner als Zucker, von der Küche trieb ich meinen Pfad bis zum Briefkasten, jeden Morgen, um die Zeitung zu holen. Dann Kaffee trinken in der warmen Küche und das Neueste aus aller Welt hereinholen. Eine unaufgeregte Ehegeschichte im Buch, das neben der Kaffeetasse liegt. Die Schneemengen lassen den Alltag so unwirklich erscheinen, so herausgeschält aus dem Gewöhnlichen. Allüberall; von jedem Fenster ein anderer Ausblick, eine andere Kinderfreude, beschneite Birkenäste, Tannenzweige, die schwer geworden sind, der Bambus, der sich unter dem ungewohnten Gewicht zum weißen Tuch des Bodens hinabbeugt. Schnee, der auf den Bambus fällt. Immer wieder war ich draußen, um mit einem Besen das Kindervergnügen von den Halmen herabzuschütteln. Fröste machen ihm nichts aus, aber die Schneelast zwingt ihn in die Knie. Ein leises Rascheln, die Blätter sind trocken, aber grün, weißes Gestöber kommt auf mich herab, und sogleich richten sich die biegsamen Zweige wieder auf, befreit aus der Zwangslage durch die zu Eis verkrustete obere Schneeschicht. Das Bambusrohr bricht nicht, sondern gibt nach und steht auf, sobald es von seiner Last befreit ist.
Heute ist Neujahr, und die Temperatur ist über den Gefrierpunkt gestiegen. Überall liegen Reste der nächtlichen Lichtershow herum, fallen schmutzig ins Auge auf dem gestern noch schneeweißen Papier. Raketenstäbe, die aus den Nachbargärten herüberkamen, trage ich zusammen, sie werden die Sommerblumen stützen. Noch sind die Konturen der Beete und des Weges verborgen, nur auf den durchs Weiße gezogenen Schneisen – zur Holzstapelwand, zum Komposthaufen, zum Apfelschuppen – schimmert die Wiese hervor. Unter der Schneedecke ist der Rasen gut geschützt, bleibt grün und frisch den Winter über, wo aber durch das Schneefegen die Grasnarbe freigelegt ist, wird man später die Frostschäden sehen, eine falbfarbene Spur. Der Garten hat keine Sommerwege mit Ausnahme der Auffahrt von der Straße zum Haus und vom Haus zum Hinterhaus, sonst ist überall Wiese, jetzt ist überall Schnee. Im Sommer gibt es keine Trampelpfade, weil wir immer wieder andere Wege gehen, mal hier mal da, wo es gerade etwas zu sehen oder zu tun gibt. Jetzt gibt es nur die Schneisen im Schnee.
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