36Vgl. Schönemann, H., Konkret werden - Pastoraltheologischer Blickwechsel. Vortrag auf der Zweiten Pastoraltagung des Bistums Rottenburg-Stuttgart am 17. Mai 2011, unveröffentlichtes Manuskript
37Vgl. Wippermann, C. / de Magalhaes, I., Zielgruppen-Handbuch. Religiöse und kirchliche Orientierungen in den Sinus-Milieus© 2005. Eine qualitative Studie des Instituts Sinus Sociovision zur Unterstützung der publizistischen und pastoralen Arbeit der Katholischen Kirche in Deutschland im Auftrag der Medien-Dienstleistung GmbH und der Katholischen Sozialethischen Arbeitsstelle, Heidelberg 2006
38Wanke, J., Was uns die Sinus-Milieu-Studie über die Kirche und ihre Pastoral sagen kann – und was nicht, in: Lebendige Seelsorge 57(2006)242-246; 243
39Vgl. ebd.
40Ich werde im sechsten Kapitel näher auf diesen theologischen Topos eingehen und ihn dann eingehender entfalten und kritisch reflektieren.
41Vgl. Kaufmann, F. X., Kirche begreifen. Analysen und Thesen zur gesellschaftlichen Verfassung des Christentums, Freiburg 1979
42Vgl. Köhl, G., Der Beruf des Pastoralreferenten. Pastoralgeschichtliche und pastoraltheologische Überlegungen zu einem neuen pastoralen Beruf. Praktische Theologie im Dialog Bd. 1, Freiburg/CH 1987; Karrer, L., Die Stunde der Laien. Von der Würde eines namenlosen Standes, Freiburg 1999; Bausenhart, G., Das Amt in der Kirche. Eine not-wendende Neubestimmung, Freiburg 1999
43Hier sei nur auf die Reglementierungen der bundesdeutschen Diözesen in der Frage der Schwangerenkonfliktberatung hingewiesen, die sich in der Mehrheit lange Zeit für den Verbleib im Beratunssystem ausgesprochen hatten, weil sie der Auffassung waren, dass dies, vor allem angesichts der positiven Beratungserfolge im Sinne des Embryonenschutzes, die bessere Möglichkeit war, das Leben der Ungeborenen zu schützen, dafür aber in Kauf nahmen, dass sie in diesem Prozess auch Schuld auf sich nehmen müssten.
44Das gilt auch in pastoraler Hinsicht, denn es gibt eine deutliche Aufgabenspezifizierung zwischen Priestern, die vor allem für Liturgie, Kasualien und Sakramentenspendung zuständig sind und den Laien, deren Dienst in der und an der Welt immer wieder stark in den Mittelpunkt gestellt wird. Übernehmen letzteres die Laien, sind die Priester davon selbstverständlich dispensiert.
45Vgl. Gabriel, K., Christentum zwischen Tradition und Postmoderne, Freiburg 2000; ders., Entkirchlichung. In: Lexikon für Theologie und Kirche. Dritte völlig neu bearbeitete Aufl., hrsg. von W. Kasper u.a. Bd. 3, Freiburg 1995, Sp. 681; ders., Säkularisierung und Religiösität im 20. Jahrhundert, in: Bueb, B. u.a., Alte Werte – Neue Werte. Schlaglichter des Wertewandels, Göttingen 2008, 97-106
46Vgl. die Diskussion von 20 prominenten Menschen aus dem Bereich der Politik, der Theologie und der Kirche zum Verständnis dieser Rede in: Erbacher, J. (Hg.), Entweltlichung der Kirche? Die Freiburger Rede des Papstes, Freiburg 2012
47Vgl. Habermas, J. / Ratzinger, J., Dialektik der Säkularisierung. Über Vernunft und Religion, Freiburg 2005; Habermas, J., Zwischen Naturalismus und Religion, Frankfurt am Main 2005; Peters, T. R., Mehr als das Ganze. Nachdenken über Gott an den Grenzen der Moderne, Ostfildern 2008; Mate, R., Die Religion in der postsäkularen Gesellschaft. Zur Debatte zwischen Flores d’Arcais und Habermas, in: Polednitschek, T. / Rainer, M. J. (Hg.), Theologisch-politische Vergewisserungen. Ein Arbeitsbuch aus dem Schüler- und Freundeskreis von Johann Baptist Metz, Münster 2009, 197-209; Höhn, H.-J., Postsäkular. Gesellschaft im Umbruch – Religion im Wandel, Paderborn 2007
2. Soziologische und zeitdiagnostische Außenbetrachtungen
Es kann in den folgenden soziologischen und zeitdiagnostischen Außenbetrachtungen nicht darum gehen, eine umfassende Analytik zu entwickeln. Wiederum soll der Versuch unternommen werden, die für unsere Fragestellung relevanten Entwicklungen und Perspektiven herauszuarbeiten und kritisch zu reflektieren. Dieses Vorgehen mag religionssoziologisch anfragbar sein, erscheint hier dennoch gerechtfertigt, um nicht aus dem Blick zu verlieren, was unsere Aufgabe hier ist.
2.1 Die Deutung der Zeichen der Zeit als Aufgabe für die Theologie
Inzwischen hat sich der Topos „Zeichen der Zeit“ so sehr in den alltagssprachlichen Gebrauch verallgemeinert, dass die Tiefenstruktur dieses Wortes kaum noch wahrgenommen wird. Mit den Zeichen der Zeit ist keineswegs bloß eine tagespolitische Zeitansage, auch nicht einfach eine bloß die Gegenwart erfassende Rede gemeint, vielmehr rühren die Zeichen der Zeit zugleich an Vergangenheit und Zukunft. Zeichen der Zeit sind auch Erinnerungen, Hoffnungen, Sehnsüchte; Signaturen einer Welt, die Veränderungen durchläuft, die in diesen aber zugleich auch Opfer produziert; die Versprechen macht, von denen die Gegenwart zehrt und sie für die Zukunft fruchtbar machen möchte.
Die Suche nach den Zeichen der Zeit, wie sie spätestens seit der bahnbrechenden Enzyklika von Johannes XXIII. Pacem in terris (1963) der Theologie aufgegeben ist, öffnet zugleich wiederum die Türen der Kirche und der Theologie. Eine reine Binnenperspektive reicht zur Erfassung der Zeichen der Zeit nicht mehr hin, ja, sie ist von Johannes geradezu ausgeschlossen. Theologie kann nunmehr auch die Auseinandersetzung mit anderen Wissenschaften nicht mehr ablehnen. Es lohnt, die entscheidende Passage aus Gaudium et spes noch einmal zu zitieren, die die Grundlagen von Pacem in terris aufgreift und zugleich weiterführt. 1
„Zur Erfüllung dieses ihres Auftrags obliegt der Kirche allzeit die Pflicht, nach den Zeichen der Zeit zu forschen und sie im Licht des Evangeliums zu deuten. So kann sie dann in einer jeweils einer Generation angemessenen Weise auf die bleibenden Fragen der Menschen nach dem Sinn des gegenwärtigen und des zukünftigen Lebens und nach dem Verhältnis beider zueinander Antwort geben. Es gilt also, die Welt, in der wir leben, ihre Erwartungen, Bestrebungen und ihren oft dramatischen Charakter zu erfassen und zu verstehen. Einige Hauptzüge der Welt von heute lassen sich folgendermaßen umschreiben. Heute steht die Menschheit in einer neuen Epoche ihrer Geschichte, in der tiefgehende und rasche Veränderungen Schritt um Schritt auf die ganze Welt übergreifen. Vom Menschen, seiner Vernunft und schöpferischen Gestaltungskraft gehen sie aus; sie wirken auf ihn wieder zurück, auf seine persönlichen und kollektiven Urteile und Wünsche, auf seine Art und Weise, die Dinge und die Menschen zu sehen und mit ihnen umzugehen. So kann man schon von einer wirklichen sozialen und kulturellen Umgestaltung sprechen, die sich auch auf das religiöse Leben auswirkt. Wie es bei jeder Wachstumskrise geschieht, bringt auch diese Umgestaltung nicht geringe Schwierigkeiten mit sich. So dehnt der Mensch seine Macht so weit aus und kann sie doch nicht immer so steuern, daß sie ihm wirklich dient. Er unternimmt es, in immer tiefere seelische Bereiche einzudringen, und scheint doch oft ratlos über sich selbst. Schritt für Schritt entdeckt er die Gesetze des gesellschaftlichen Lebens und weiß doch nicht, welche Ausrichtung er ihm geben soll. Noch niemals verfügte die Menschheit über soviel Reichtum, Möglichkeiten und wirtschaftliche Macht, und doch leidet noch ein ungeheurer Teil der Bewohner unserer Erde Hunger und Not, gibt es noch unzählige Analphabeten. Niemals hatten die Menschen einen so wachen Sinn für Freiheit wie heute, und gleichzeitig entstehen neue Formen von gesellschaftlicher und psychischer Knechtung. Die Welt spürt lebhaft ihre Einheit und die wechselseitige Abhängigkeit aller von allen in einer notwendigen Solidarität und wird doch zugleich heftig von einander widerstreitenden Kräften auseinandergerissen. Denn harte politische, soziale, wirtschaftliche, rassische und ideologische Spannungen dauern an; selbst die Gefahr eines Krieges besteht weiter, der alles bis zum Letzten zerstören würde. Zwar nimmt der Meinungsaustausch zu; und doch erhalten die gleichen Worte, in denen sich gewichtige Auffassungen ausdrücken, in den verschiedenen Ideologien einen sehr unterschiedlichen Sinn. Man strebt schließlich unverdrossen nach einer vollkommeneren Ordnung im irdischen Bereich, aber das geistliche Wachstum hält damit nicht gleichen Schritt. Betroffen von einer so komplexen Situation, tun sich viele unserer Zeitgenossen schwer, die ewigen Werte recht zu erkennen und mit dem Neuen, das aufkommt, zu einer richtigen Synthese zu bringen; so sind sie, zwischen Hoffnung und Angst hin und her getrieben, durch die Frage nach dem heutigen Lauf der Dinge zutiefst beunruhigt. Dieser verlangt eine Antwort vom Menschen. Ja er zwingt ihn dazu.“ (GS, 4)
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