203Die Bistumszugehörigkeit der Stadt Erfurt und des Eichsfelds zu Paderborn wurde später nicht in Abrede gestellt. In Weimar entwickelte sich jedoch ein heftiger Streit über die Diözesanzugehörigkeit der katholischen Untertanen: konkret handelte es sich um das Gebiet der Rhön. Es gehörte als katholische Enklave seit Jahrhunderten zur Fürstabtei bzw. zum Fürstbistum Fulda, das auch geographisch am Nächsten lag. „De salute animarum“ unterscheidet jedoch dieses neue weimarische Staatsgebiet nicht vom protestantischen Stammland, so dass nach Wortlaut des Schreibens die Rhöner Pfarreien ab sofort zum Bistum Paderborn gehörten.
204Vgl. Burkard, Staatskirche – Papstkirche – Bischofskirche, S. 506.
205Bulle Papst VII. „Provida solersque“, 16. August 1821. in: Huber/Huber, Staat und Kirche, S. 249f. Die Regierung in Weimar ging jedoch von der bis dato im Juli getroffenen Bestimmung aus. Dies führte zu erheblichen Auseinandersetzungen.
206Eine solche unterschied sich jedoch zunächst von einer wirklichen Aufnahme der Territorien in die Bistümer, sondern beschränkte sich auf eine von Rom anerkannte Jurisdiktionsausübung, um die Seelsorge an den Katholiken abzusichern. Die Territorien der Fürsten zu Reuß und die Gebiete des 1826 neu umschriebenen Herzogtums Altenburg gehörten in vorreformatorischer Zeit zum Bistum Naumburg. Nach Untergang des Bistums durch Einführung der Reformation erlosch katholischerseits eine konkrete Zuordnung der Gebiete, die folglich damit direkt dem Papst unterstanden bzw. ab 1667 dem Apostolisches Vikariat für die Nordische Mission. Konkrete Auswirkungen hatte dies jedoch nicht. Erst mit Entstehung katholischer Gemeindestrukturen wurden jurisdiktionelle Zuordnungen mit den Erzbischöfen von Prag (für Reuß ä. L.) und den Apostolischen Vikaren in Dresden ausgehandelt.
207Vgl. Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 517; R. Aubert, Die katholische Kirche und die Restauration. Die erneuerte Stellung des Heiligen Stuhles in der Kirche, in: H. Jedin (Hg.), Handbuch der Kirchengeschichte, Bd. VI, Die Kirche in der Gegenwart, I. Teil: Zwischen Revolution und Restauration, Freiburg u.a. 1985, S. 127-139, hier S. 130-132 und R. Lill, Kirchliche Reorganisation und Staatskirchentum in den Ländern des Deutschen Bundes und in der Schweiz, in: H. Jedin (Hg.), Handbuch der Kirchengeschichte, Bd. VI, Die Kirche in der Gegenwart, I. Teil: Zwischen Revolution und Restauration, Freiburg u.a. 1985, S. 160-173, hier S. 163, sowie: Fleischer, Katholische und lutherische Ireniker, S. 91 und Wolf, Katholische Kirchengeschichte, S. 101-106.
208Vgl. M. Ebertz , „Ein Haus voll Glorie, schauet…“ Modernisierungsprozesse der römischkatholischen Kirche im 19. Jahrhundert, in: W. Schieder (Hg.), Religion und Gesellschaft im 19. Jahrhundert (Industrielle Welt 54), Stuttgart 1993, S. 62-85, hier S. 62f.
209Die ultramontane Perspektive auf die Verhandlungen der Staats-Kirchenverträge war sehr kritisch ausgeprägt. Den kirchlichen Verhandlungspartnern wurde ein „antikirchlicher Geist“ nachgesagt, der die Vorrangstellung des Papsttums untergraben würde. Dieser Vorwurf ist sehr interessengeleitet und muss widersprochen werden. Ein Ausschluss der päpstlichen Autorität lag nicht im Sinne der kirchlischen Würdenträger und auch der Einsatz für die Kirche in Deutschland widerspricht nicht zwangsläufig der Zugehörigkeit zur römischen Kirche. Vgl. Burkard, Staatskirche – Papstkirche – Bischofskirche, S. 726f.
210Vgl. Besier , Kirche, Politik und Gesellschaft, S. 9 und R. Aubert , Die Anfänge der katholischen Bewegung in Deutschland und in der Schweiz, in: H. Jedin (Hg.), Handbuch der Kirchengeschichte, Bd. VI; Die Kirche in der Gegenwart, I. Teil: Zwischen Revolution und Restauration, Freiburg u.a. 1985, S. 259-271, hier 261f. Fernerhin: K. Rivinius, Der Weg des deutschen Katholizismus in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: ThGl 72 (1982), S. 216-225, hier S. 219f und Wolf, Katholische Kirchengeschichte, S. 112-114.
211Der ultramontane Katholizismus war stark konservativ, antimodern und zentralistisch geprägt. Der Universalepiskopat und die Unfehlbarkeit des Papstes wurden ins Zentrum des katholischen Bekenntnisses gerückt. Kirchliches Leben an sich, aber auch Theologie (stark neuscholastisch geprägt) und Philosophie wurden stark an die Autorität des Lehramtes gebunden. Vgl. J. Strötz, Der Fels der Kirche. Ultramontane Kirchenlehre im 19. Jahrhundert dargestellt am Beispiel des Eichstätter Bischofs Franz Leopold Freiherr von Leonrod (1827-1905) (Studien zu Religionspädagogik und Pastoralgeschichte 6), Hamburg 2003, S. 65-97, hier S. 66f. und dazu weiterführend: Hürten, Kurze Geschichte des deutschen Katholizismus, S. 109-135; Brandt/Hengst, Geschichte des Erzbistums Paderborn, S. 89; Wolf, Katholische Kirchengeschichte, S. 115-117; K. Schatz, Aufklärung, Staatskirchentum und Ultramontanismus im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts, in: K.-H. Braun (Hg.), Kirche und Aufklärung – Ignaz Heinrich von Wessenberg (1774-1869) (Schriftenreihe der Katholischen Akademie der Erzdiözese Freiburg 38), München-Zürich 1989, S. 9-27, hier S. 11.
212Vgl. Hürten, Kirche auf dem Weg, S. 99. Und dazu weiterführend: B. Schreyer, Die „Nation“ als Zauberwort der Moderne. Nationales Denken im Liberalismus, Konservatismus und bei den Völkischen im 19. Jahrhundert (Spektrum Philosophie 32), Würzburg 2008.
213Vgl. J. Störtz, Der Katholizismus im deutschen Kaiserreich 1871 bis 1918. Strukturen eines problematischen Verhältnisses zwischen Widerstand und Integration. Teil 1: Reichsgründung und Kulturkampf (1871-1890) (Studien zu Religionspädagogik und Pastoralgeschichte 6), Hamburg 2005, S. 115.
214Es ist darauf hinzuweisen, dass die Rolle der katholischen Kirche in den europäischen Staaten diesbezüglich unterschiedlich war. Kirche konnte demnach als Hindernis für die nationale Bewegung bewertet werden, oder zur Identitätsbildung eines Volkes im Kampf um seine Unabhängigkeit und Nationalstaatlichkeit, entscheidende Punkte setzen (z.B. Polen). Vgl. Altermatt, Katholizismus und Nation. Vier Modelle in europäisch vergleichender Perspektive, in: Ders./F. Metzger (Hg.), Religion und Nation. Katholizismen in Europa des 19. und 20. Jahrhunderts (Religionsforum 3), Stuttgart 2007, S. 15-33, hier S. 21.
215Vgl. weiterführend: Wolf, Katholische Kirchengeschichte, S. 143-146.
216 Störtz, Der Katholizismus im deutschen Kaiserreich, Teil 1, S. 116. Trotz dieses Gegensatzes galt Deutschland für die römische Kurie vor dem Kulturkampf als verlässlicher Verhandlungspartner und wurde 1870 noch angefragt, ob ein mögliches Asyl des Papstes in Deutschland denkbar wäre: „Er (der Papst) hat bei uns schon gebeten, wir möchten bei Italien vermittelnd anfragen, ob man reisen lassen würde, und ob dies mit der ihm gebührenden Würde geschehen könnte. Wohin aber? Nach Frankreich kann er nicht, da ist Garibaldi. Nach Österreich mag er nicht. Nach Spanien?–Ich habe ihm Bayern vorgeschlagen […] Er hat in der Tat schon angefragt, ob wir ihm ein Asyl gewähren können. Ich habe nichts dagegen einzuwenden–Köln oder Fulda […] aber der König will nicht.“ Erklärung Bismarcks gegenüber einer Anfrage Kardinalstaatssekretärs Antonelli, Oktober 1870, hier zit. nach: W. Löhde, Das päpstliche Rom und das Deutsche Reich. Eine Dokumentation (Hintergrundanalysen 12), Hannover 1991, S. 26.
217Vgl. zur Evangelischen Kirche im 19. Jahrhundert vgl. weiterführend: K. Nowak , Evangelische Kirchengeschichte von der Französischen Revolution bis zum Ende des Ersten Weltkrieges, in: H. Wolf (Hg.), Ökumenische Kirchengeschichte, Bd. 3: Von der Französischen Revolution bis 1989, Darmstadt 2007, S. 19-90, bes. zum Thema Reich und Kulturkampf, S. 63-70.
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