164Interessant erscheint dennoch, dass trotz aller Sorge der Thüringer Landesherren um die Zukunft ihrer Staaten durchaus eine gewisse Offenheit gegenüber der Schaffung eines neuen Staatenkomplexes bestand, wenn auch dies mit Abstrichen in der eigenen Machtfülle verbunden gewesen wäre. Die Herzöge waren durchaus selbst von Ideen, wie der Schaffung eines nach außen hin geeinten Deutschlands, unter Wahrung der Monarchie, angetan. Die Rolle, die sie selbst in einem solchen Staat einnahmen, bedurfte freilich der Klärung. Als Erbgroßherzog Carl Alexander (1818-1853-1901) in Weimar, zur Beruhigung der Massen, selbst die Fahne der Revolution, schwarz-rot-gold, ergriff, stellte er sich selbst auf die Seite eines vereinigten Deutschlands, in dem aber der Einzelstaat Sachsen-Weimar-Eisenach seine Daseinsberechtigung behalten sollte, was durch die weimarischen Fahnenbänder symbolisch angezeigt wurde. Vgl. Wentzcke, Thüringische Einigungsbestrebungen im Jahre 1848, S. 15. Grundsätzlich wurde die Schaffung eines einheitlichen Thüringens ernsthaft in Erwägung gezogen. Das Scheitern der Revolutionsbewegung von 1848 und der heftige Widerstand der Meininger Regierung gegenüber Abstrichen in der Staatssouveränität verhinderten ein entsprechendes Staatenbündnis aus Thüringer Staaten. Der abfällige Kommentar Heinrich von Treitschkes über das politische Vermögen und die politische Bedeutung Thüringens ist demnach stark zu relativieren und tut letztlich den idealisierten Staatsbegriff von Treitschkes kund: „Fast alle anderen deutschen Stämme nahmen doch irgend einmal einen Anlauf nach dem Ziele politischer Macht, die Thüringer niemals. Unsere Cultur verdankt ihnen unsäglich viel, unser Staat gar nichts.“ H. v. Treitschke, Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert, 2. Teil: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen (Staatengeschichte der neuesten Zeit 25), Leipzig 1893, S. 395.
165Kriegshandlungen fanden auch auf Thüringer Boden statt. Am 27. Juni 1866 siegten preußische und sachsen-coburg-gothaische Truppen über die Armee des Königreichs Hannover. Sachsen-Weimar-Eisenach, Schwarzburg-Rudolstadt und Reuß j.L. schlossen sich im Zuge des preußischen Sieges in Königgrätz dem preußischen Bündnis an. Vgl. Raßloff, Geschichte Thüringens, S. 70. Sachsen-Meiningen und Reuß ä.L. hielten bis dahin am Bündnis mit Osterreich fest, entgingen durch Abdankungen und Reparationszahlungen allerdings der politischen Auflösung. Ihre Politik blieb gegenüber Preußen jedoch noch lange reserviert. Vgl. ebd., S. 70 und 72.
166Nicht nur der Norddeutsche Bund, sondern auch süddeutschen Staaten wie Bayern, Baden und Württemberg schlossen sich den Kriegshandlungen auf Seiten der Preußen an.
167Vgl. H.-J. Ruge, Gewerbepolitik und Industrialisierung in der Neuzeit, in: H. Hoffmeister/V. Wahl (Hg.), Die Wettiner in Thüringen. Geschichte und Kultur in Deutschlands Mitte, Arnstadt-Weimar 1999, S. 287-292, hier S. 287.
168Vgl. ebd. S. 287f.
169Der Geraer Kaufmann Ernst Weber und der Gothaer Versicherungspionier Ernst Wilhelm Arnoldi zählen zu den Wortführern in Thüringen, die eine Umstrukturierung des Handels- und Zollwesen proklamierten. Vgl. H.-W. Hahn, Region und Integration, S. 7.
170Vgl. Ruge , Gewerbepolitik und Industrialisierung, S. 288 und D. Blaha , Der Anschluss an den preußischen Zollverein, in: H. Hoffmeister/V. Wahl (Hg.), Die Wettiner in Thüringen. Geschichte und Kultur in Deutschlands Mitte, Arnstadt-Weimar 1999, S. 367-373, hier S. 343. Insbesondere die Preußischen Gebiete in Thüringen, allen voran Erfurt, stellten für die Händler eine teure Zollbarriere dar. Zum Teil waren einzelne Kleinstaaten regelrecht eingekesselt vom neuen preußischen Zollverein, so etwa Schwarzburg-Sondershausen, das nur durch den Anschluss an diesen, am 25. Oktober 1819, aus seiner wirtschaftlichen Stagnation kommen konnte. Vgl. W. Mühlfriedel , Die Industrialisierung in Thüringen. Grundzüge der gewerblichen Entwicklung in Thüringen von 1800 bis 1945, Erfurt 2001, S. 21; und dazu weiterführend: Hahn, Warum trat Schwarzburg-Sondershausen zuerst dem preußischen Zollverein bei?, in: ZVThGA neue Folge 24 (1920), S. 165-171.
171Vgl. Ruge , Gewerbepolitik und Industrialisierung, S. 288. Einzelverhandlungen zwischen Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-Gotha und dem Königreich Sachsen scheiterten, da Sachsen versuchte die wirtschaftliche Situation der Thüringer Verhandlungspartner auszunutzen. Vgl. Blaha, Der Anschluss an den preußischen Zollverein, S. 344.
172Vgl. Hahn, Region und Integration, S. 8. Mitglieder waren: Königreich Sachsen, Königreich Hannover, Kurfürstentum Hessen-Kassel, die Großherzogtümer Oldenburg und Sachsen-Weimar-Eisenach, die Herzogtümer Braunschweig, Nassau, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg und Gotha, die Landgrafschaft Hessen-Homburg, die Fürstentümer Schwarzburg-Rudolstadt, Reuß ältere Linie (Reuß-Greiz), Reuß-Schleiz, Reuß-Lobenstein und Ebersdorf, die freien Städte Bremen und Frankfurt.
173Sachsen-Meiningen, Sachsen-Coburg und Gotha, gefolgt von Schwarzburg-Rudolstadt und den reußischen Fürstentümern nahmen gesonderte Verhandlungen mit Preußen auf und schwächten somit den Mitteldeutschen Zollverein. Vgl. Blaha, Der Anschluss an den preußischen Zollverein, S. 346.
174Vgl. Mühlfriedel, Die Industrialisierung in Thüringen, S. 23. Die ernestinischen Herzogtümer erklärten bereits am 11. Mai 1833 ihre Beitrittsabsicht, die am 1. Januar 1834 mit der Zollvereinsgründung in Kraft trat. Vgl. Ruge, Gewerbepolitik und Industrialisierung, S. 288; Raßloff, Geschichte Thüringens, S. 73.
175Die Vielzahl an Residenzstädten bedingte, dass Betriebe gleicher Branchen geografisch eng zusammenlagen und damit früh in eine wirtschaftliche Konkurrenz eintraten. Damit etablierte sich in Thüringen indirekt eine Form von Gewerbefreiheit, vgl. P. Lange, Kleinstaatlichkeit und Wirtschaftsentwicklung in Thüringen, in: J. John (Hg.), Kleinstaaten und Kultur in Thüringen vom 16. bis 20. Jahrhundert, Weimar-Köln-Wien, S. 187-203, hier S. 195.
176Vgl. Mühlfriedel, Die Industrialisierung in Thüringen, S. 34.
177Vgl. Lange, Kleinstaatlichkeit und Wirtschaftsentwicklung, S. 192-195.
178Vgl. U. Hess, Geschichte Thüringens. 1866 bis 1914, Weimar 1991, S. 132-135 und Ruge, Gewerbepolitik und Industrialisierung, S. 290.
179Vgl. Mühlfriedel, Die Industrialisierung in Thüringen, S. 137.
180Vgl. Raßloff, Geschichte Thüringens, S. 73.
181Vgl. D. Burkard, Staatskirche – Papstkirche – Bischofskirche. Die „Frankfurter Konferenzen“ und die Neuordnung der Kirche in Deutschland nach der Säkularisation (Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte 53) Rom-Freiburg-Wien, 2000, S. 111.
182Vgl. ebd., S. 114f. Kaiser Franz II. stimmte jedoch nur unter Vorbehalt zu. Er war politisch dazu gezwungen, schädigte damit aber seine Stellung im Reich.
183Vgl. H.-J. Becker, Umbruch in Mitteleuropa. Der Reichsdeputationshauptschluss von 1803, in: P. Schmid/K. Unger (Hg.), 1803 Wende in Europas Mitte. Vom feudalen zum bürgerlichen Zeitalter, Regensburg 2003, S. 17-34, hier S. 29 und weiterführend: H. Maier, Der Reichsdeputationshauptschluss von 1803 und die Folgen (Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 38), Münster 2004.
184Vgl. M. Martin, Staat, Recht und Kirche. Der Weg der katholischen Kirche in Mitteleuropa bis ins 19. Jahrhundert, Berlin 2000, S. 298.
185Die Erscheinung der Säkularisation ist älter, doch gerade im Zuge der Aufklärung wurden Stimmen immer lauter, die eine Trennung von weltlicher Herrschaft und geistlichem Amt forderten. Die geistlichen Territorien galten als rückständig gegenüber einem Staatsaufbau im Sinne der Aufklärung. Hinzukam die starke territoriale Zerstückelung des Reiches und letztlich der Wille weltlicher Herrscher, sich kirchlichen Besitz anzueignen. Teilsäkularisierungen, wie z.B. in Bayern und Österreich, in denen Klöster aufgehoben wurden, gab es bereits im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts. Vgl. dazu: M. Martin, Staat, Recht und Kirche, 293-301, bes. S. 293ff.; Hausberger, Reichskirche, S. 69120, bes. S. 70-84.
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