Vitus Seibel - Architektur einer Gemeinschaft

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Was macht den Geist einer Gemeinschaft aus? Wie verleiblicht sich ihre Spiritualität? Jesuiten sind geprägt durch die Geistlichen Übungen ihres Gründers Ignatius von Loyola. Aber auch die Ordensregeln, die so genannten Satzungen, sind von großer Bedeutung. In ihnen sind der Geist und die Architektur des Ordens grundgelegt. Hier sind viele Einsichten und Anregungen zu finden, die den Reichtum ignatianischer Erfahrungen für das Leben einer Gemeinschaft erschließen und fruchtbar machen.

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Vitus Seibel

Architektur einer Gemeinschaft

Impulse aus den Satzungen der Jesuiten

Ignatianische Impulse

Herausgegeben von Stefan Kiechle SJ, Willi Lambert SJ und Martin Müller SJ

Band 59

Ignatianische Impulsegründen in der Spiritualität des Ignatius von Loyola. Diese wird heute von vielen Menschen neu entdeckt.

Ignatianische Impulsegreifen aktuelle und existentielle Fragen wie auch umstrittene Themen auf. Weltoffen und konkret, lebensnah und nach vorne gerichtet, gut lesbar und persönlich anregend sprechen sie suchende Menschen an und helfen ihnen, das alltägliche Leben spirituell zu deuten und zu gestalten.

Ignatianische Impulsewerden begleitet durch den Jesuitenorden, der von Ignatius gegründet wurde. Ihre Themen orientieren sich an dem, was Jesuiten heute als ihre Leitlinien gewählt haben: Christlicher Glaube – soziale Gerechtigkeit – interreligiöser Dialog – moderne Kultur.

Vitus Seibel

Architektur einer Gemeinschaft

Impulse aus den Satzungen der Jesuiten

Architektur einer Gemeinschaft - изображение 1

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über < http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

© 2013 Echter Verlag GmbH, Würzburg

www.echter-verlag.deUmschlag: Peter Hellmund Druck und Bindung: fgb • freiburger graphische betriebe ISBN 978-3-429-03583-9 (Print) 978-3-429-04700-9 (PDF) 978-3-429-06099-2 (ePub)

Inhalt

Vorwort

I. Die Eigenart der Satzungen

1. Das Labyrinth des Ignatius

2. Ergebnis der Werkstattarbeit: Ja, aber …

3. Ein Fanfarenstoß – so beginnt es

4. Von der Ouvertüre zum Finale – ein Lebensskript

5. 17 + X – schöpferische Treue

II. Durchgehende Perspektiven

1. Gott zuerst, inmitten und zuletzt

2. Was einem flämischen Jungjesuiten einfiel …

3. SJ = S ystem J e nachdem

4. Typisch jesuitisch

5. Leben in Spannungen – ein spannendes Leben

6. Kein Strohfeuer – angelegt auf Nachhaltigkeit

7. Die ganze Welt ist unser Haus – die apostolische Dynamik

III. Einzelthemen

1. Männer für eine gefährliche Reise

2. Das Mittelmaß – die Mitte zwischen den Extremen

3. Die »Soldaten des Papstes«

4. Erstaunliches über das Gebet

5. Hast du was, dann bist du was – über die Armut

6. Ein schmerzliches Kapitel – über die Keuschheit

7. Vom Gehorchen zur Liebe – über den Gehorsam

8. Karriere nach unten – der Generalobere

9. Einfallstore der Sinne – durchlässig für alles?

10. Vernetzung – Information und Kommunikation

11. Die Absicht gerade halten – die tägliche Korrektur

12. Wagemut statt Ängstlichkeit

13. Nicht unter Sünde

14. Wellness? Die Sorge für den Leib

15. Krankheit als Gnade?

Ein Vorwort als Nachwort

Vorwort

In der Reihe der Ignatianischen Impulse fehlte bis jetzt ein Beitrag, der sich speziell mit den Satzungen des Jesuitenordens befasst. Vielleicht kommt das daher, dass sie an sich ja nicht für eine breite Öffentlichkeit, sondern für die Ordensmitglieder geschrieben sind. Ich meine aber, dass man hier Perlen geistlicher Tradition entdecken kann, Schätze, die gehoben werden dürfen. Heutige Fragestellungen können durch die Satzungen geistlich bedacht werden. So werden sie vielleicht auch für Nichtjesuiten hilfreich und anregend sein. Hier eine Brücke zu schlagen, ist das Anliegen dieses kleinen Buches.

Seit vielen Jahren beschäftige ich mich mit den Satzungen. Das hängt mit den Aufgaben zusammen, die ich in meinem Orden hatte. Besonders während der Zeit, in der ich die letzte Ausbildungsphase meiner jungen Mitbrüder zu begleiten hatte, das so genannte Tertiat, bildeten die Satzungen ein wichtiges Schwerpunktthema. Dabei hat in besonderer Weise immer auch Pater Peter Knauer mitgewirkt. Ihm bin ich deshalb zu großem Respekt und Dank verpflichtet. Dank gilt auch vielen anderen Mitbrüdern. Ihre Erfahrungen sind in das Büchlein mit eingegangen, ohne dass dies im Einzelnen noch genauer angegeben werden könnte. In einer Gemeinschaft »profitiert« man ja voneinander, ohne dass dies immer genau registriert werden müsste.

Die Satzungen sind so etwas wie das Haus der Jesuiten. Es hat einen Bauplan, der dem geistigen Gebäude zugrunde liegt. Es hat Funktionsräume und Einzelzimmer, Gebetsorte und Erholungsmöglichkeiten. Es gibt ein solides Fundament, Energieversorgung, feste Wände und ein schützendes Dach. Es hat Fenster, durch die man bis in fernste Fernen blicken kann. Und es hat Türen, weniger, um sie hinter sich abzuschließen, sondern vielmehr, um hinauszugehen in alle Welt. Die Satzungen stellen tatsächlich die Architektur der Gemeinschaft dar.

Zunächst führe ich in einem ersten Teil ein in die Eigenart und in die verborgene Dynamik der Satzungen. In einem zweiten Teil weise ich auf einige durchgehende Perspektiven hin und darauf, was sich daraus für heute ergeben könnte. In einem dritten Teil lege ich dasselbe an einigen Einzelthemen dar.

Benützt habe ich außer den üblichen Quellen vor allem die 1997 erschienene deutsche Übersetzung des spanischen Urtextes: Satzungen der Gesellschaft Jesu und Ergänzende Normen. Der deutsche Text der Satzungen wurde übersetzt durch Peter Knauer, die Ergänzenden Normen, d.h. die Fortschreibung der Satzungen ins Heute durch ein Team von Mitbrüdern. Die Satzungen sind durchgezählt (1–827), ebenso die Ergänzenden Normen (1–416). So zitiere ich sie auch. Die Satzungen werden auch Konstitutionen genannt. Unter diesem Ausdruck sind sie den Ordensmitgliedern vertraut. Ich verwende beide Bezeichnungen abwechselnd für ein und dieselbe Sache.

»Ein Leib für den Geist«, so lautet der Titel eines Buches des französischen Jesuiten Dominique Bertrand über die Konstitutionen. Ein trefflicher Ausdruck, denn sie sind tatsächlich so etwas wie die Verleiblichung der Geistlichen Übungen. Das »innere Gesetz der Liebe« (134) findet im Bauplan der Satzungen seine Verwirklichung. Beide bedeutenden Werke des Ignatius von Loyola sind so in eine erhellende Beziehung gebracht.

Schön wäre es, wenn der eine oder andere Gedanke, der in diesem Büchlein den Konstitutionen entspringt, bei der Leserin oder dem Leser Wurzeln schlagen würde, sich also gewissermaßen verleiblichen könnte durch den Geist Gottes.

I. Die Eigenart der Satzungen

1. Das Labyrinth des Ignatius

»Ein Labyrinth«, so nannte Nicolas Bobadilla, einer der ersten Gefährten des Ignatius, nach dessen Tod die gerade vorliegenden Satzungen des jungen Ordens. Bobadilla fand, dass die Satzungen verwirrend seien, eben ein Labyrinth. Weder Obere noch Untergebene würden sie je verstehen können.

Vielleicht war sein Urteil noch getrübt durch eine Verärgerung. Ignatius hatte nämlich 1550 den ersten Gesamtentwurf den in Rom anwesenden Jesuiten zur Kritik vorgelegt. Anscheinend fand Bobadilla seine damals geäußerten Bedenken nicht genügend berücksichtigt. Es könnte auch sein, dass er sich als einer der Gründerväter des Ordens bei der Abfassung der Satzungen zu wenig beteiligt sah. Er sorgte dafür, dass auch Papst Paul IV. seine Beurteilung der Satzungen erfuhr. Darüber hinaus nannte er Ignatius einen Tyrannen. Dies führte zu einer schweren Krise, da auch der Papst wegen eines früheren Konflikts keine gute Meinung über Ignatius hatte. Die Krise konnte erst nach der Wahl des Nachfolgers des Ignatius behoben werden.

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