Das AITUS-Modell
Teilen Sie jede Unterrichtseinheit (das kann eine Doppellektion, ein Halbtag, ein Tag sein) in die folgenden fünf Teile ein (T und U können auch vertauscht sein oder wiederholt werden):
A |
wie Anfangen |
I |
wie Interesse wecken |
T |
wie Theorie vermitteln und erarbeiten |
U |
wie Umsetzen und Üben |
S |
wie Schluss |
Beachten Sie bei jedem einzelnen der fünf Teile die folgenden Hinweise.
Erste Phase: A wie anfangen
Wer lernt, will wissen, wohin sein Lernen führt, was es nützt. Lernen fällt deshalb leichter, wenn alle wissen, wozu das Gelernte gut sein soll, was man nachher damit anfangen kann. Auch ist es für viele hilfreich, wenn sie den Weg und damit die Vorgehensweisen, wie gelernt wird, ungefähr im Voraus erkennen können.
Die erste Lernphase beginnt am Anfang! Die Bereitschaft für das Lernen, für die Aufmerksamkeit, für aktives Mitdenken hängt wesentlich von den ersten paar Minuten einer Lektion ab. Dieser erste Teil soll nicht länger als ein Zwanzigstel der Unterrichtseinheit dauern, als Methoden kommen Referat und Präsentation infrage.
Für Sie als Lehrperson heisst anfangen:
•Ziel und Zweck der Lerneinheit bekannt geben
•Einen Überblick über den Ablauf der Lerneinheit geben
•Voraussetzungen für mögliche Lernkontrollen bekannt geben
So kann man anfangen
•Sachlich motivieren mit dem «informierenden Beginn» (siehe Materialien zum Buch http://mehr.hep-verlag.ch/lehren-kompakt-1)
•Ziele der Lerneinheit sichtbar machen
•Lernziele begründen (Bezug zur Praxis, zur Prüfung)
•Ablauf der Lerneinheit für alle sichtbar aufschreiben (Orientierungshilfe)
•Sinn und Zweck der Lerneinheit erklären
•Verbindungen zu andern Fächern/zum Lehrplan verdeutlichen
Zweite Phase: I wie Interesse wecken
Erwachsene lernen, indem sie an bereits Gelerntes und an Erfahrungen anknüpfen. In der zweiten Phase geht es deshalb darum, das Vorwissen zum neuen Stoff dem Lernenden bewusst zu machen, zu aktivieren und ihn an Problemstellungen und offene Fragen heranzuführen. Wenn Sie beispielsweise diskutieren, wie eine gestellte Aufgabe anzugehen wäre, erhalten Sie wichtige Informationen, wo Sie mit Ihrem Unterricht ansetzen können: Wenn Ihre Lernenden schon viel wissen oder können, werden Sie die Phase der Wissensvermittlung entsprechend anpassen. Wenn wenig Vorwissen vorhanden ist, ist es angezeigt, umfassender vorzugehen, eine sichere Basis zu schaffen, auf der die neuen Informationen auf bauen können.
Achtung: Diese Phase darf nicht mit einer Repetition des bisher behandelten Stoffes verwechselt werden. Es geht darum, durch eigene Erfahrungen im Themenbereich das Interesse am Neuen zu aktivieren und das Vorwissen zum neuen Stoff herauszufinden, um anknüpfen zu können. Die Teilnehmenden sollen in der Lage sein, den neuen Inhalt in ihrer internen Wissenslandkarte sinnvoll mit bereits vorhandenem Wissen in Verbindung zu bringen. Als Methoden können Moderation, Brainstorming, Satzanfänge, Murmelgruppe, Assoziationen zu einem Wort, Textarbeit oder ein Bild verwendet werden; es sind aber auch ganz andere Ansätze möglich. Diese zweite Phase kann sehr kurz gehalten werden oder – wenn die Lernenden viel Vorwissen oder Erfahrung zum Thema mitbringen – auch länger dauern und ohne Übergang in die dritte Phase münden.
Für Sie als Lehrperson heisst Interesse wecken:
•Einstimmen, Neugier wecken
•Bezug schaffen zu Bekanntem
•Positive Erinnerungen zum neuen Thema reaktivieren
•Sich über den Wissensstand der Lernenden zum entsprechenden Thema informieren
•Aktives Denken der Lernenden in Gang setzen
•«Konsumenten» zu Mitbeteiligten machen
So kann man Interesse wecken
•Problemstellung durch die Lernenden formulieren lassen
•Frage an die Lernenden nach Erlebtem, nach Bekanntem
•Vorwissen sammeln und visualisieren, Skizze oder Mindmap zeichnen lassen
•Aktuellen Beitrag aus den Medien als Diskussionsgrundlage einbringen
•Fallbeispiel darstellen
•Provokation oder Widerspruch zur Diskussion stellen
Dritte Phase: T wie Theorie fachgerecht vermitteln und erarbeiten
In dieser Phase bringen Sie als Fachperson die notwendigen Informationen ein, die es braucht, um das Lernziel zu erreichen. Dabei erhalten diejenigen Mitteilungen die grösste Aufmerksamkeit, die nicht bereits bekannt sind, sondern etwa zur Hälfte aus Unbekanntem bestehen. Diese Phase baut neues Wissen auf, fördert Fertigkeiten und stellt Verständnis und Zusammenhänge sicher. Wenn die Lernenden aus der zweiten Phase heraus motiviert und interessiert an den Problemstellungen und am vorgestellten Thema sind, fällt die fachgerechte Vermittlung auf fruchtbaren Boden.
Für Sie als Lehrperson heisst Theorie vermitteln und erarbeiten:
•Vermittlung unter Einbezug aller Aufnahmekanäle (Augen, Ohren, Tastsinn und Gefühl)
•Lernende möglichst selbst aktiv denken und handeln lassen (erarbeiten passiert bei den Lernenden, nicht bei der Lehrperson)
•Begreifen kommt von Greifen. Wer begreifen soll, muss selbst aktiv werden. Lernen können nur die Lernenden selbst.
So vermittelt und erarbeitet man Theorie fachgerecht
•Mit treffenden Fragestellungen (fragend-entwickelnder Unterricht im Lehrgespräch oder Moderation von Teilnehmerbeiträgen)
•Vortrag der Lehrperson (Achtung: Phasen, in denen nur die Lehrperson spricht, so kurz wie möglich halten!)
•Die Lernenden erarbeiten anhand von Unterlagen die Informationen in Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit selbst
•Mit Videos, Bildern, Musik, Objekten: mit allem, was die Sinne anspricht
•Mit einem guten, entspannten Lernklima
Vierte Phase: U wie umsetzen und üben
Die Lernenden müssen die Bedeutsamkeit der Theorie für ihr eigenes Denksystem selbst erschliessen und das Gehörte oder Gelesene in bestehende Gedankenstrukturen integrieren können. In der Phase des Umsetzens müssen die Lernenden das Wissen also für sich selbst so erarbeiten, dass sie das Neue anwenden können. Stellen Sie ihnen Aufgaben, die zum Selbst-Denken zwingen. Wenn die Übungen mit gesteigertem Anforderungsgrad wiederholt werden, bleibt der Lernerfolg langfristig erhalten, denn: Übung macht die Meister/innen! Dabei motivieren nicht die leichtesten Aufgaben am besten, sondern jene mit mittlerem Abstraktionsgrad.
Im Unterricht, der auf Praxis abzielt (z. B. PC-Unterricht, praktische Fächer), ist diese Phase die entscheidende überhaupt. Sie können getrost Theorie zugunsten von vielen Übungen zurückstellen und anhand von diesen Prinzipien, Regeln und Zusammenhänge aufzeigen. Aber auch in theorielastigeren Fächern sind die Anwendung des Wissens und die Problemlösung zentral. Dafür geeignete Methoden finden Sie in Kapitel 7 beschrieben.
Für Sie als Lehrperson heisst umsetzen und üben:
•Aufgaben zur Vertiefung stellen, damit die Lernenden selbst aktiv werden und so den aufgenommenen Stoff verdauen und umsetzen können
•Zeit und Gelegenheit für praktische Anwendung geben
So kann man umsetzen und üben
•Anwendungsmöglichkeiten suchen
•Im Austausch mit anderen Fragen/Probleme aufdecken
•Analysen, Bewertungen vornehmen
•Üben am Objekt, Aufgaben lösen
•Theorie auf eine konkrete Situation übertragen, Checklisten erstellen
Fünfte Phase: S wie Schluss
Nach angemessenem Erarbeiten und Üben ergibt es Sinn, am Ende jeder Lerneinheit die Ergebnisse festzuhalten und zusammenzufassen.
Oft erfolgt dies mit einer Lernkontrolle. Da Sie die Lernziele beim informierenden Beginn bekannt gegeben haben, wissen Sie und die Lernenden seit Ausbildungsbeginn, was Sie wie prüfen. Lernkontrollen sind meist nicht sehr beliebt, weil Druck und Stress damit verbunden werden. Es gibt aber durchaus Methoden, die eine Lernkontrolle zu einer sinnvollen, vergnüglichen Lernsequenz machen. Mehr zu den Lernkontrollen finden Sie in Kapitel 13.
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