Christian Macharski
Der Tango des Todes
Das Buch
Ein kleiner Wanderzirkus möchte seine Zelte in dem beschaulichen Dorf Saffelen aufschlagen. Aus Mitleid überlässt Landwirt Hastenraths Will den Schaustellern seine Weide. Kurz darauf ereignet sich ein folgenschwerer Überfall auf einen der Dorfbewohner. Schnell geraten die Zirkusleute ins Visier von Hauptkommissar Kleinheinz, der allerdings feststellen muss, dass die Sache weitaus komplizierter ist, als es zunächst den Anschein hat. Hinzu kommt, dass sich der einzige Zeuge des Verbrechens, Richard Borowka, nicht mehr an die Tatnacht erinnern kann, dafür aber ein dunkles Geheimnis mit sich herumträgt. Je länger die Polizei auf der Stelle tritt, desto mehr spitzt sich die Situation zu. Inmitten dieses hochexplosiven Minenfelds übernimmt Hastenraths Will Verantwortung und beginnt auf eigene Faust zu ermitteln. Als er der erschütternden Wahrheit gefährlich nahekommt, überschlagen sich plötzlich die Ereignisse. Will gerät in einen Alptraum aus dubiosen Machenschaften, verschmähter Liebe und brutaler Gewalt, aus dem es kein Entrinnen gibt.
Der Autor
Christian Macharski wurde 1969 in Wegberg geboren. Seit 1991 ist er als Kabarettist und Autor tätig und entwickelte diverse Programme mit dem Comedyduo „Rurtal Trio“ sowie drei Soloprogramme. Darüber hinaus arbeitete Macharski als Autor für verschiedene Fernsehsender (WDR, SAT1, RTL) und war zehn Jahre lang Kolumnist bei den Aachener Nachrichten. „Der Tango des Todes“ ist der fünfte Teil der Dorfkrimireihe um den ermittelnden Landwirt Hastenraths Will.
Von Christian Macharski außerdem als Taschenbuch erhältlich:
Irgendwo da draußen(ISBN 978-3-9807844-0-5)
25 km/h(ISBN 978-3-9807844-2-9)
Das Schweigen der Kühe(ISBN 978-3-9807844-4-3)
Die Königin der Tulpen(ISBN 978-3-9807844-5-0)
Das Auge des Tigers(ISBN 978-3-9807844-7-4)
Die Rache des Waschbären(ISBN 978-3-9424540-8-7)
© 2013 by paperback Verlag
Alle Rechte vorbehalten. Abdruck, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlags
Umschlaggestaltung: kursiv, Oliver Forsbach
Fotos: Marcus Müller
Lektorat: Kristina Raub
ISBN 978-3-9814897-5-0
Die Personen und Handlungen der Geschichte sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden und verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt. Die Protagonisten des Romans basieren auf Bühnenfiguren des Comedy-Duos Rurtal Trio.
Für Agnes
Es hatte aufgehört zu regnen. Die Abendsonne blinzelte zwischen den Wolken hervor und ein gewaltiger Regenbogen spannte sich über den Horizont. Der junge Mann stand auf dem Bahnsteig neben seinem vollgestopften Trekkingrucksack und wartete. Er hatte die Augen fest geschlossen und genoss die Wärme auf seiner Haut. In seinen Gedanken sah er sich an einem einsamen Strand liegen, mit dem Rücken im Sand unter einer schattenspendenden Palme, das Rauschen des Meeres im Ohr und das Gefühl der Freiheit im Herzen. Ein gellender Pfiff riss ihn aus seinem Tagtraum. Er öffnete die Augen und der feuchte Bahnsteig lag immer noch verwaist und leergefegt vor ihm. Nur eine zerdrückte Coladose rollte im leichten Wind hin und her und gab scheppernde Laute von sich. Der Schaffner kam auf ihn zugelaufen und sah ihn mitleidig an, als er sagte:„Es tut mir leid, aber wir müssen jetzt wirklich abfahren.“ Der junge Mann nickte und wuchtete sich den Rucksack über seine Schulter. Irgendwie hatte er geahnt, dass sie nicht kommen würde. Er warf noch einen letzten Blick zurück und stieg dann in den Zug, der schon seit geraumer Zeit ungeduldig wie ein altes Schlachtross vor sich hin schnaubte. Nachdem sich die schweren Türen hinter ihm geschlossen hatten, presste er sein Gesicht an die Scheibe und beobachtete den Bahnhof dabei, wie er immer kleiner wurde und sich am Ende in Luft auflöste. Er betrat ein leeres Abteil, hievte seinen Rucksack ins Gepäcknetz und ließ sich in den Zweite-Klasse-Sessel sinken. Aus der Innentasche seiner Jeansweste zog er einen Brief hervor und faltete ihn auseinander. Immer wieder überflog er die wenigen Zeilen, bis er irgendwann in einen unruhigen Halbschlaf fiel. Doch das gleichmäßige und sanfte Ruckeln des Zuges zog ihn tiefer und tiefer in einen Traum, der ihn wieder an einen sonnenüberfluteten Strand zurückversetzte. Ein wohliger Schauer deckte ihn zu. Und er lächelte.
Hastenraths Will stöhnte. Mit dem Ärmel seines karierten Baumwollhemdes wischte er sich über die feuchte Stirn. Seine Knochen schmerzten, als er die Küche seines Bauernhofes betrat. Die Arbeit im Stall machte dem Landwirt von Jahr zu Jahr mehr zu schaffen. Wie lange würde er sich noch um seine geliebten Kühe und Schweine kümmern können? Waren die zunehmenden Gelenkschmerzen ein erstes Anzeichen dafür, dass er sich so langsam mit dem Ruhestand würde beschäftigen müssen? Für Will ein unvorstellbarer Gedanke – und dennoch: Einen Nachfolger für den prächtigen Hof gab es nicht. Seine einzige Tochter Sabine hatte einen Computerspezialisten geheiratet, der zwar seine bedingte Tauglichkeit unter Beweis gestellt hatte, als er die Melkmaschine neu programmiert hatte, aber ganz sicher keine Lust hatte, etwas derart aus der Zeit Gefallenes wie einen Bauernhof mit klassischer Tierhaltung zu bewirtschaften. Schon mal gar nicht in seinen gebügelten Bundfaltenjeans und den um den Hals geknoteten Pullovern mit aufgestickten Krokodilen, die er so gerne trug. Will streifte seinen verwaschenen Bundeswehrparka ab und hängte ihn über den Küchenstuhl. Nachdenklich kratzte er sich am Hinterkopf, wobei ihm seine grüne Schirmmütze leicht nach vorne rutschte und den oberen Rand seiner Brille berührte. War er – Hastenraths Will, der erfolgreichste Bauer von ganz Saffelen – etwa auch bereits aus der Zeit gefallen? Unsinn. Männer wie er wurden immer gebraucht. Also verwarf er den Gedanken und goss sich einen frischen Filterkaffee in eine große Keramiktasse mit der Aufschrift „Deuka – das Kraftfutter“. Der Kaffee verströmte im ganzen Raum den herrlichen Duft der Arabicabohne. Er war tiefschwarz und sehr heiß, wie Will bei seinem etwas zu hastigen ersten Schluck feststellen musste. Fluchend wischte er sich die Spritzer vom Hemd. Seine Frau Marlene hatte den Kaffee offensichtlich noch schnell frisch aufgeschüttet, bevor sie mit ihrem neuen Liebling das Haus verlassen hatte. Vor einem halben Jahr hatte Will ihrem Drängen nachgegeben und ihr einen kleinen Jack-Russell-Rüden geschenkt, der auf den verharmlosenden Namen „Knuffi“ hörte. Knuffi war ein typischer Vertreter seiner Rasse: furchtlos, lebhaft und trotz einer Größe von gerade mal 25 Zentimetern mit deutlich zu viel Selbstvertrauen ausgestattet. Letzteres war allerdings auch kein Wunder, schließlich las ihm sein Frauchen jeden Wunsch von den kleinen braunen Knopfaugen ab, vor allem, wenn das dazugehörige Köpfchen schief auf ihrem Oberschenkel lag, während sie am Tisch saß, um zu essen. Hinzu kam, dass die beiden Enkelkinder, Kevin-Marcel und Justin-Dustin, in das neue Familienmitglied ganz vernarrt waren und dessen Abenteuerlust immer wieder aufs Neue anstachelten. Nun, da Marlene mit Knuffi einen Verdauungsspaziergang machte, den der nach dem Frühstück und vielen heimlich vom Tisch gefallenen Wurstresten sicher sehr nötig hatte, hatte Will wenigstens etwas Muße, um seinen Gedanken nachzuhängen.
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