Ist dagegen die Prüfung bestanden, genügt das Prüfungszeugnis für den Berufseinstieg, ein Dienst- oder Arbeitszeugnis wird nicht benötigt.
c) Bescheinigung für Ärzte im Praktikum
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Die Bescheinigung über die Tätigkeit als Arzt im Praktikum aufgrund der Approbationsordnungen ist kein Arbeitszeugnis im Sinne der gesetzlichen Vorschriften; denn sie hat nur die Funktion, die für die Approbation zuständige Behörde zu informieren, und darf sogar für Bewerbungen bei Dritten nicht verwendet werden.14
d) Dienstbescheinigung für Seeleute
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Ebenso wie das Seefahrtsbuch im ehemaligen Seemannsgesetz hat auch die Dienstbescheinigung gemäß § 33 SeeArbG keinen Zeugnischarakter; sie enthält zwar zahlreiche Angaben, die im Wesentlichen dem Inhalt eines einfachen Zeugnisses entsprechen, aber sie darf ausdrücklich keine Beurteilung von Leistung und Verhalten enthalten – wird die Beurteilung verlangt, so wird gesetzlich auf das Zeugnis nach § 109 GewO verwiesen (§ 33 Abs. 4 SeeArbG). Tarifvertraglich haben Seeleute, die Mitglieder der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sind, bisher schon das Recht, vom Reeder ein Arbeitszeugnis zu verlangen (§ 33 MTV-See).
Das „Seearbeitszeugnis“ bzw. „Fischereiarbeitszeugnis“ wird als schiffsbezogenes Dokument von der Berufsgenossenschaft dem Reeder erteilt (§§ 130, 133 SeeArbG) und hat mit dem eigentlichen Arbeitszeugnis nichts zu tun.
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Ende 2004 hat die EU einen „Europass“ eingeführt, der die berufliche Mobilität erhöhen soll. Wer die berufliche Aus- und Weiterbildung sowie sonstige Lernabschnitte im Ausland durchführen möchte, kann mit diesem Pass, in dem die eigenen Fähigkeiten, erworbenen Qualifikationen und Kompetenzen transparenter dargestellt sind, seine Bewerbungen erleichtern. Der Pass enthält mehrere, nach einheitlichem Schema gefasste Dokumente, darunter die „Zeugnis-Erläuterungen“15 – hierbei geht es um ergänzende Informationen zu beruflichen Abschlusszeugnissen, um sie für ausländische Arbeitgeber leichter verständlich und „lesbar“ zu machen; diese Erläuterungen betreffen also nicht die Arbeits- oder Dienstzeugnisse.
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Sicherlich wäre es nützlich, nicht nur berufliche Abschlusszeugnisse, sondern auch Arbeitszeugnisse zu erläutern, um sie europaweit bei Bewerbungen einsetzen und verstehen zu können. Aber dafür ist der qualifizierende Teil des Zeugnisses ungeeignet:
• die Abschlusszeugnisse enthalten klare Notenziffern, die international „lesbar“ sind, während die Zeugnissprache der Arbeitszeugnisse kaum übersetzbar ist,
• außerdem ist die Rechtslage sehr unterschiedlich: z.B. ist die Beurteilung von Leistung und Verhalten in Deutschland bei Bewerbungen unentbehrlich, in Österreich dagegen besteht darauf kein Anspruch und im Übrigen darf nichts Nachteiliges im Zeugnis vermerkt werden. Schon diese beiden Länder lassen ein einheitliches Schema für eine Beurteilung von Leistung und Verhalten nicht zu.
6. Geschichte des Arbeitszeugnisses16
a) Allgemeines
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Bescheinigungen über geleistete Arbeit sind rund 500 Jahre alt. Sie wurden – etwa ab 1500 beginnend – aktuell, als die Arbeitskräfte nicht mehr dauerhaft an Haus und Hof gebunden, auf eng begrenztem Gebiet beschäftigt waren, sondern ihren dörflichen Dunstkreis verlassen, auf Wanderschaft gehen und die Arbeitsplätze weiträumiger wechseln konnten, zugleich breitere Bevölkerungskreise des Schreibens und Lesens allmählich kundig wurden.
Die damaligen Polizeistaaten verlangten beim Arbeitsplatzwechsel bzw. bei Wanderungen aus sicherheitspolizeilichen Erwägungen Bescheinigungen, die ein Mixtum aus Arbeitserlaubnis, polizeilichem Führungszeugnis und Reisepass darstellten.
Betroffen waren 3 Berufsgruppen, die das „Zeugnisrecht“ über mehrere Jahrhunderte prägten: die Bergleute17, die wandernden Handwerksgesellen18 und das Gesinde19 (häusliches und ländliches Dienstpersonal, das sich durch hohe Mobilität auszeichnete).
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Die Berg-, Polizei- und Gesindeordnungen der einzelnen Landesherren sowie die Zunftordnungen waren übereinstimmend beherrscht von folgenden Grundsätzen:
• Es durfte unter Strafandrohung niemand beschäftigt werden, der nicht eine Abschiedsbekundung (im Bergbau: Abkehrschein – im Handwerk: Kundschaft) des bisherigen Dienstherrn vorlegen konnte. Demgemäß war jede Dienstherrschaft verpflichtet, eine Abschiedsbekundung über die Dauer der Beschäftigung auszustellen (= „Zeugniszwang“). Ein „Abschied“ wurde nicht erteilt, falls die Arbeitsstätte ohne ordnungsgemäße Kündigung verlassen wurde oder Straftaten/Schulden vorlagen; ohne „Abschied“ bestand keine Chance für eine andere Arbeit.
• Die „Abschiede“ mussten noch von der Polizeibehörde beglaubigt werden; es bestand ein polizeiliches Interesse, den Dienstwechsel zu überwachen und die Wandernden zu kontrollieren, insbesondere im Hinblick darauf, ob sie sich dadurch nicht dem Gesindezwangsdienst oder Militärdienst entziehen.
• Schließlich dienten die Bescheinigungen als Reisedokument und enthielten eine genaue Personenbeschreibung (Alter, Größe, Statur, Haarfarbe).
An diesem von polizeilichen Erwägungen getragenen Zweck und Inhalt der „Abschiede“ änderte sich 350 Jahre lang substanziell nichts!
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Die gewerblichen Arbeiter (Fabrikarbeiter) waren es, die endlich Bewegung in das „Zeugnisrecht“ brachten. Denn sie wollten ab Mitte des 19. Jahrhunderts nicht länger dulden, sich vom Staat zugunsten der Arbeitgeber bevormunden zu lassen und an die „Kandare genommen“ zu sein. Die Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes von 1869 schaffte den Zeugniszwang ab, eine neue Beschäftigung setzte nicht mehr die Vorlage eines „Abschieds“ voraus, und die Arbeiter erhielten erstmals das Recht , auf Antrag ein Zeugnis über Art und Dauer der Beschäftigung zu verlangen, das sich auf Wunsch auf die Führung zu erstrecken hatte und ab 1891 auch auf die Leistung – dies entspricht inhaltlich der heutigen Zeugnislage.
Die bisherige, polizeiliche Pflicht- Beglaubigung des gesamten Zeugnisses erfolgte seit der Reichsgewerbeordnung nur auf Wunsch des Beschäftigten und bezog sich ab 1878 lediglich auf die Unterschrift, um deren Echtheit sicherzustellen.
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Diese „Emanzipation“ des Arbeiters im Gewerberecht lief am Gesinderecht völlig vorbei; die Gesindeordnungen galten unverändert weiter bis zum Ende der Monarchie (1918).20
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Im Bergrecht erfolgte nur insofern eine Änderung, als mit dem Preußischen Berggesetz (1865) auf Wunsch ein gesondertes Zeugnis über Führung erteilt werden musste (das 1892 auf die Leistungen erweitert wurde), aber alles andere blieb bestehen21 (= Pflicht des Arbeitgebers zur Erteilung des Abkehrscheins, und „Ohne Abkehrschein keine Arbeit als Bergmann“ – dies war damit begründet, dass der Bergwerksbesitzer angesichts der Betriebsgefahren des Bergbaues schon bei der Einstellung wissen soll, was der Bergmann bisher gearbeitet hat, um entscheiden zu können, wie er, ohne andere zu gefährden, beschäftigt werden kann). Der Abkehrschein und die damit zusammenhängenden Pflichten sind in den einzelnen Bundesländern spätestens mit dem Bundesberggesetz im Jahre 1982 aufgehoben worden.
e) Handelsrecht und bürgerliches Recht
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Im Handelsrecht gab es erst mit § 73 HGB (in Kraft ab 1898) ein Zeugnis für Handlungsgehilfen, vorher nicht ; die gewerberechtliche Zeugnisvorschrift wurde auch nicht analog angewendet, allenfalls gab es aufgrund örtlichen Handelsgewohnheitsrechts ein einfaches Zeugnis.22 Desgleichen waren Zeugnisse im Bereich des allgemeinen bürgerlichen Rechts bis § 630 BGB (also bis 1900) völlig unbekannt.
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