Teil 1 Das Zeugnisrecht
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Der Begriff „ Arbeitszeugnis “ ist in einem formalen Gesetz bislang nicht verwendet worden,1 sondern nur der schlichte Begriff „ Zeugnis “. Zur Unterscheidung von anderen Zeugnisarten (Prüfungs-, Schul- und Hochschulzeugnissen aller Art) hat sich in der Praxis der Begriff „ Arbeitszeugnis “ und auch „ Ausbildungszeugnis “ herausgebildet.
Der Begriff „ Dienstzeugnis “ ist erstmals 1937 für Beamte in das Deutsche Beamtengesetz eingeführt worden, und später auch für Soldaten (und Zivildienstleistende).
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Das Zeugnis2 bietet für alle Zukunft den bleibenden Nachweis der beruflichen Beschäftigung des Arbeitnehmers3 innerhalb des bescheinigten Zeitraums.
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Die Crux des Zeugnisrechts besteht in der Kürze der gesetzlichen bzw. tariflichen Regelung; es geht um die „Art und Dauer“ des Beschäftigungsverhältnisses und die Beurteilung von „Leistung und Verhalten“, als Formalie ist die Schriftform genannt – wie das Zeugnis im Übrigen auszusehen hat, aus welchen Bestandteilen es besteht, wie es zu gliedern und zu formulieren ist, welche Umschreibungen wichtig sind, dies ist immer noch teilweise offen und mit dem Prozessrisiko behaftet.
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Deutsches Recht und damit die deutschen Zeugnisvorschriften gelten für jeden, der in Deutschland seinen gewöhnlichen Arbeitsort hat bzw. hier eingestellt wurde.4
§ 109 GewO gilt für sämtliche Arbeitnehmer (siehe auch § 6 Abs. 2 GewO).
§ 630 BGB, die ehemalige Grundnorm des Zeugnisrechts, findet keine Anwendung mehr auf Arbeitsverhältnisse (siehe § 630 Satz 4 BGB) und hat an Bedeutung für das Arbeitsrecht verloren.
§ 16 BBiG bildet die gesetzliche Grundlage für Ausbildungszeugnisse.
Für Beamte bestehen spezielle, gesetzliche Zeugnisvorschriften.
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Auch in Tarifverträgen finden sich Zeugnisvorschriften, die entweder den bereits gesetzlich normierten Zeugnisanspruch inhaltlich gleichsam deklaratorisch wiederholen, oder eine über die gesetzlichen Vorschriften hinausgehende, aber für den Arbeitnehmer günstigere Ausgestaltung des Zeugnisrechts vorsehen (z.B. § 35 TVöD bzw. TV-L).
Die tarifvertragliche Zeugnisvorschrift genießt durch § 4 Abs. 4 TVG eine Absicherung hinsichtlich des Verzichts und der Verwirkung.
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Die verschiedenen Zeugnisvorschriften ähneln sich, lediglich § 630 BGB spielt insofern eine Sonderrolle, als ein „dauerndes“ Dienstverhältnis gefordert wird (siehe Rn. 109).
Die jeweilige Rechtsgrundlage wird im Zeugnis nicht zitiert.
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Je nach Anlass und Zeitpunkt gibt es folgende Arten von (Arbeits- bzw. Dienst-) Zeugnissen:
• das endgültige Zeugnis
• das vorläufige Zeugnis
• das Zwischenzeugnis
• das Ausbildungszeugnis.
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Wenn das endgültige Zeugnis verlangt werden kann, scheiden das vorläufige und das Zwischenzeugnis aus, sie sind subsidiär.5
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Inhaltlich werden diese Zeugnisse unterschieden (siehe § 109 Abs. 1 GewO):
Das einfache Zeugnis (das nur Fakten wiedergebenden Charakter hat) und
das qualifizierte Zeugnis6 (das darüber hinaus Bewertungen über Leistung und Verhalten enthält).
3. Referenz/Empfehlungsschreiben
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„Referenz“ ist ein vom Vorgesetzten im eigenen Namen allgemein ausgestelltes Schreiben, das „Empfehlungsschreiben“ an konkrete Adressaten gerichtet – beide Formen werden auch als „Referenzschreiben“ bezeichnet. Diese schriftlichen Aussagen von Vorgesetzten sind keine dem Arbeitgeber zurechenbare Erklärungen und berühren die Pflicht des Arbeitgebers zur Zeugnisausstellung nicht7 (und binden ihn auch nicht inhaltlich) – abgesehen davon, dass Referenzschreiben eher ein Meinungsbild über künftige Leistungen geben,8 während Arbeitszeugnisse vergangene Leistungen dokumentieren. Solche Schreiben sind eine freundliche Geste, um seinem Mitarbeiter bei der Stellensuche behilflich zu sein,9 sie gründen sich zwar auf gute Personenkenntnisse, aber sie enthalten generell zu positive Bewertungen.
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Problematisch ist es, wenn der Vorgesetzte Begriffe verwendet, die in der Zeugnissprache anders/negativ ausgelegt werden – unbeachtlich sind Schreiben, die von Gleichgeordneten (Kollegen/Freunden) verfasst sind.10
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Auffallend ist, dass der Inhalt solcher Schreiben nicht zur Diskussion steht: welche Aussagen sind wichtig, wie ist zu gliedern und zu formulieren, wie lässt sich eine unvermeidliche, notenmäßige Abstufung erreichen. Hier gibt es eine unstrukturierte Vielfalt, die die Einschätzung solcher Schreiben erschwert (die ohnehin nicht den gleichen Informationswert wie Zeugnisse haben).
Sie enthalten zudem Unzulänglichkeiten, die Grau/Watzka 11 zutreffend umschreiben:
„ Überstarke Tendenz zu positiven Aussagen, Gefälligkeitsschreiben, Angst vor juristischen Konflikten, geringe Vergleichbarkeit der Dokumente, nicht eindeutig entschlüsselte Sprache, zum Teil unqualifizierte Ersteller.
Insofern bieten sich Referenzschreiben als Alternative für Arbeitszeugnisse nicht an. Das hieße, < den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben > . “
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Anstelle dieser schriftlichen Äußerungen kann es hilfreich sein, mit einem Vorgesetzten zu vereinbaren, dass er anderen Arbeitgebern mündlich/fernmündlich den Inhalt des erteilten Arbeitszeugnisses bestätigt oder weitere Informationen gibt. Nachteilig ist, dass diese Informationen durchweg nicht kontrollierbar sind und man nicht sicher sein kann, dass sie inhaltlich stets positiv ausfallen.
(Siehe auch Teil 5 „Auskünfte über Arbeitnehmer“, Rn. 848ff.).
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Selbständige, Freiberufler, freie Mitarbeiter haben keinen Zeugnisanspruch (siehe Rn. 86), mangels Vorgesetzter entfällt auch ein Referenzschreiben. Zwecks Werbung könnte eine Kunden-Empfehlung in Betracht kommen.
4. Sonstige Bescheinigungen
a) Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 SGB III
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Diese Arbeitsbescheinigung dient der behördlichen Ermittlung des Arbeitslosengeldes, nicht dem Fortkommen im Berufsleben, hat mit der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz nichts zu tun; sie hat nur Zeitwert und verliert ihre Bedeutung, wenn ein neues Arbeitsverhältnis begründet wird, sie hat als öffentlich-rechtliche Verpflichtung eine völlig andere Rechtsgrundlage und ist daher kein Ersatz für ein Arbeitszeugnis.
b) Zeugnisse für Rechtsreferendare
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Stationszeugnisse für Rechtsreferendare dienen ausschließlich Prüfungszwecken und daher können negative Leistungen deutlich bezeichnet und bewertet werden; die Rechtsprechung über die wohlwollende Gestaltung von Arbeitszeugnissen ist auf diese Zeugnisse nicht zu übertragen.12
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Wer aus dem Referendariat ausscheidet, weil er etwa die Große juristische Staatsprüfung trotz Wiederholung nicht bestanden hat, kann (wie bei jedem Ausscheiden aus einem Beschäftigungsverhältnis) ein Dienst- oder Arbeitszeugnis verlangen (je nachdem, ob der Referendar im Beamtenverhältnis auf Widerruf stand oder Angestellter war).
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Bei diesem Zeugnis ist wichtig, in welchen Funktionen und wie lange jeweils der Referendar in welchen Abteilungen und auf welchen Rechtsgebieten tätig war, die einzelnen Ausbildungsabschnitte sind darzustellen; Angaben über Fleiß, Verantwortungsbewusstsein und Gründlichkeit sowie über Führung gehören dazu.13 Die Details enthält die jeweilige Justizausbildungs- und Prüfungsordnung.
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