Sie hatte anfangs noch die Hoffnung, wieder gesund zu werden. Hat wohl jeder. Sie hat sich durch die Chemo gekämpft, alles ertragen. Ich weiß gar nicht, woher sie so viel Willen nahm zu überleben … nachdem sie doch all die Jahre … Ich bilde mir ein, dass es auch ein bisschen damit zusammenhing, dass ich zurückgekehrt war. Und dass sie merkte, ich kann jetzt verstehen, warum sie mich als Kind so im Stich gelassen hat. Dass ich ihr deswegen nicht mehr böse bin. Nein, mein Vater hat sich abgekapselt, hat es dem Pflegedienst und mir überlassen. Er konnte noch nie was mit Frauenleiden anfangen … Und Brustkrebs, nein, das war für ihn igitt, irgendwie. Aber das war gar nicht schlimm, wir waren ja froh, dass er mit was anderem beschäftigt war und uns in Ruhe ließ, Mama und mich.
Wie es war, als sie gestorben ist? Das … bitte verzeihen Sie … das ist noch immer etwas, das ich mir nicht verzeihe. Ich war nicht da. Nein, sie ist nicht im Krankenhaus gestorben. Als die zweite Chemo keinen Erfolg hatte und sie immer mehr Schmerzen bekam und auf einmal Metastasen in den Lymphknoten hatte, und auch am Hals, sodass sie nicht mehr sprechen konnte … Ich habe nicht gemerkt, dass sie noch Packungen von dem Zeug gehortet hatte, ihre Benzos. Sie hat es geschafft, sie hat es tatsächlich geschafft, die noch zu nehmen. Alle auf einmal. Sie hat nicht mal davon gekotzt … sie war dann einfach weg. Ich hoffe, sie hat nichts gemerkt. … Danke, ich habe selbst ein Taschentuch … Ich habe sie erst am nächsten Morgen gefunden. Und mein Vater, dieser … dieser … er sagte mir, man könne mir einfach nichts anvertrauen, damals mein Bruder, jetzt Mama … und darum solle ich enterbt werden, nur Pflichtteil, mehr nicht. Das war alles, an das er gedacht hat. Und als ob ich schuld daran wäre. Stellen Sie sich das vor! Ich! Dabei hat er sich nie um etwas gekümmert! Er hat einfach nur zugeschaut, wie Mama verreckt ist. Einfach nur zugeschaut! Er hat sehenden Auges hingenommen, dass sie jämmerlich krepiert. Er hat sie nicht ein einziges Mal in den Arm genommen. Oder mit mir geredet. Oder wenigstens mit den Ärzten. Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen, das war sein Prinzip … diese drei Affen. Aber Affen sind nicht so, wir sind schlimmer als die … viele von uns jedenfalls.
Nein … nein, das war wohl nur eine leere Drohung. Ich habe den Hof geerbt, das wissen Sie doch … Ein Tatmotiv? Halten Sie mich allen Ernstes für so platt, dass ich jemanden umbringe bloß wegen Geld? Und dann auf eine solche Weise? Meinen eigenen Vater? Ja, natürlich, auch der Hass. Es muss Hass dabei gewesen sein. Geldgier und Hass, die Klassiker. Ach, Herr Baltes, so einfach ist die Welt nicht. Doch? Ihre vielleicht, meine nicht. Wissen Sie, wie viel Kraft es kostet, einen Menschen wirklich zu hassen? Sie sind naiv, Sie sind wirklich naiv.
Oh … natürlich, auch Sie kennen Abgründe. Tut mir leid, ich wollte Sie nicht beleidigen. Und vielleicht sind wirklich die meisten Taten so simpel gestrickt, ich weiß es nicht. Ich kann Sie verstehen, ich habe kein Alibi, jedenfalls ist mir keines bewusst, und ich habe gleich zwei Motive, die normalerweise ausreichen, um jemanden zu töten. Okay, meinetwegen ist das so, man tötet sogar für weniger als das. Für ein paar Euro sogar, sagen Sie? Das haben Sie im Beruf schon erlebt? Du lieber Himmel … Und ist es dann auch normal, einen Toten so zuzurichten, so wegzuwerfen, in den Müll zu werfen? Aber das bin ich nicht, verstehen Sie? Ich bin das nicht!
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