Die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung werden ausführlich erörtert und fallbezogen dargestellt in Kapitel 7 (
Kap. 7
).
In vielen Fällen ist eine förmliche Antragstellung – sei es schriftlich oder aus den Umständen schlüssig ersichtlich – neben den oben genannten Voraussetzungen Bedingung für die Gewährung einer Sozialleistung.
Beispiel 
Werden etwa Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung begehrt, so liegt in der Hingabe der Versichertenkarte in der Arztpraxis durch den Versicherten selbst die schlüssige (konkludente) Beantragung der entsprechenden Leistungen auf Krankenbehandlung.
Grundsätzlich gilt dabei:

§ 16 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch
Ist die Sozialleistung von einem Antrag abhängig, gilt der Antrag als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er bei einer der […] genannten Stellen eingegangen ist.
Besondere praktische Bedeutung gewinnt die Antragstellung im Zusammenhang mit der Frage, ab wann Leistungen der sozialen Pflegeversicherung den Versicherten gegenüber im Rahmen der ambulanten Pflege erbracht werden müssen. Hier spielen Grundregeln des Rechts der sozialen Pflegeversicherung eine besondere Rolle (vgl. a. § 33 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 SGB XI).

Die aus dieser Vorschrift resultierenden Konsequenzen für die Ermittlung des korrekten Leistungsbeginns werden beispielhaft anhand unterschiedlicher Fallkonstellationen dargestellt. Näheres wird ausgeführt in Kapitel 6 (
Kap. 6.3
).
Der Anspruch auf Sozialhilfe ist jedoch – anders als im Rahmen der Sozialversicherungsleistungen oder der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach SGB II – gerade nicht antragsabhängig, sondern entsteht bereits mit bloßer Kenntnis des örtlich und sachlich zuständigen Sozialhilfeträgers über das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen (vgl. § 18 SGB XII).
Dieser sogenannte Kenntnisgrundsatz als Ausnahme zum Antragsprinzip berücksichtigt, dass Sozialhilfe insoweit lediglich dazu beitragen soll, eine gegenwärtige Notlage abzuwenden.
1 Denn ob der Versicherungsfall »Pflegebedürftigkeit « tatsächlich bejaht werden kann und damit eine Leistungsverpflichtung der Pflegekassen als Kostenträger zu begründen vermag, bleibt der Einschätzungsprärogative 1 1 Vorrecht des Gesetzgebers über die Erforderlichkeit einer gesetzlichen Regelung zu entscheiden. der oben genannten Gutachter gerade vorbehalten! Deren Entscheidung jedoch wird dem Antragsteller regelmäßig erst später bekanntgegeben werden. Victor in Fall 1 kann somit keineswegs blind darauf vertrauen, dass er ebenso wie seine Bekannte Leistungen der Pflegeversicherung erhalten wird. Dies hängt davon, ob er nach den Prüfkriterien des neuen Begutachtungsassessments, wie es sich seit Anfang 2017 verpflichtend und bindend für die Begutachtungssituation ergibt, in einen der fünf neu konzipierten Pflegegrade eingestuft werden wird. Unabhängig vom Ausgang und Ergebnis der Begutachtung, d. h. vom Eintritt des Versicherungsfalls, besitzt er aber bereits einen Anspruch auf Pflegeberatung! Ausführlicheres hierzu, etwa zu den Fragen, innerhalb welcher Zeit nach Antragstellung die Begutachtung als solche und die sich daran anschließende Mitteilung des Begutachtungsergebnisses (= Erteilung des Bescheids der Pflegekasse) zu erfolgen hat, wird unten erörtert ( Kap. 6 ). In Kapitel 7 werden darüber hinaus die mittlerweile erheblich veränderten und zum Teil neu eingeführten einzelnen Leistungssegmente der sozialen Pflegeversicherung ausführlich fallbezogen dargestellt und diskutiert ( Kap. 7 ).
Vorrecht des Gesetzgebers über die Erforderlichkeit einer gesetzlichen Regelung zu entscheiden.
3 Das Leistungssystem der Grundsicherung
Angesprochen ist insoweit die Mindestabsicherung im Sinne der Wahrung von existenziell unabdingbaren Lebensbedingungen für in Notsituationen geratene Menschen. Auch hier ergibt sich der staatliche Handlungsauftrag unmittelbar aus dem oben angesprochenen Sozialstaatsprinzip.
Neben den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende für erwerbsfähige Menschen, die langzeitarbeitslos geworden, d. h. länger als ein Jahr beschäftigungslos geblieben sind, sind es vor allem die Leistungen der Sozialhilfe, die diesen Schutz gewährleisten.
Sie sind geregelt im Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch und treten zunächst als »Hilfen zum Lebensunterhalt« in Erscheinung, wenn eine nicht, noch nicht oder vorübergehend nicht erwerbsfähige Person außerstande ist, aus eigenem Vermögen und Einkommen den täglichen Bedarf zum Lebensunterhalt zu decken (vgl. a. § 27 SGB XII).
3.1 Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
Neben dieser klassischen Form der Sozialhilfe sind es die anderen Leistungsarten der Sozialhilfe in Form der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, die eine wichtige Funktion der Sozialhilfe im Rahmen der Altenpflege und Behindertenhilfe übernehmen (vg. a. § 41 Abs. 2 und Abs. 3 SGB XII):
• Sie mildert in beiden Erscheinungsformen die Defizite, die ältere, in ihrer häuslichen Umgebung nach wie vor lebende Menschen aufgrund zu geringer Renteneinkünfte in Kauf nehmen müssen. Damit wirkt sie zum einen ein Stück weit dem Schicksal von Altersarmut entgegen, von dem hierzulande immer mehr Menschen betroffen sind, wenn sie das für das Erreichen der Altersgrenze maßgebliche Lebensjahr vollendet haben.
• Zum anderen gewährt sie auch jenen beeinträchtigten Personen, die eine Rente bei voller Erwerbsminderung beziehen, ergänzende Leistungen in Form der Grundsicherung bei Erwerbsminderung. Wie bei der Grundsicherung im Alter wird die Sozialhilfe hier quasi als Aufstockung ergänzend zu den Renteneinkünften ausgezahlt, sofern es unwahrscheinlich ist, dass bei den Betroffenen eine Verbesserung ihrer Erwerbsfähigkeit jemals eintritt.
Da auch diese Leistungen dem Basissystem der sozialen Grundsicherung zuzuordnen sind, werden sie den nachfragenden Personen nur nach vorab erfolgter Bedürftigkeitsprüfung zur Verfügung gestellt. Letztere müssen daher vorab versuchen, die sie betreffende Notlage zunächst aus eigenem Vermögen oder Einkommen zu beheben. Hier gelten hinsichtlich dessen Einsatzes allerdings spezielle, gesetzlich geregelte Zumutbarkeitsgrenzen bzw. Schonvermögensansätze (vgl. a. §§ 85 bis 8 SGB XII bzw. §§ 90 bis 91 SGB XII).
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