
§ 112 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch
Die Träger der Pflegeeinrichtungen bleiben unbeschadet des Sicherstellungsauftrages der Pflegekassen (§ 69) für die Qualität der Leistungen ihrer Einrichtungen einschließlich der Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität verantwortlich.

Diese sogenannte Qualitätsverantwortung des einzelnen Leistungsanbieters bzw. -erbringers stellt somit spiegelbildlich das Gegenstück zum Sicherstellungsauftrag der Kosten- bzw. Versicherungsträger dar. Letztere überwachen die Einhaltung der Qualität der erbrachten Leistungen durch dazu eigens entwickelte Maßstäbe und Grundsätze, die zum Schutz der Pflegebedürftigen entwickelt worden sind (vgl. a. § 113 Abs. 1 SGB XI).
Jüngste Beispiele für eine Neuausrichtung dieser Qualitätsstandards lassen sich etwa in den Regelungen zur Personalbemessung in Pflegeeinrichtungen (vgl. a. § 113 c Abs. 1 SGB XI) sowie zur Erhebung und Übermittlung von indikatorengestützten Daten zur vergleichenden Messung und Darstellung von Ergebnisqualität in vollstationären Pflegeeinrichtungen finden (vgl. a. § 114 b SGB XI). Näheres hierzu wird unten in Kapitel 10 erläutert (
Kap. 10
).
1.1 Sozialgesetzgebung als dynamischer Prozess
Die Berücksichtigung neuer Lebenssachverhalte, die regelmäßig auf gesamtgesellschaftlichen Veränderungen, etwa der demoskopischen Entwicklung der Bevölkerung, beruhen, geben der gesetzgebenden Gewalt mannigfaltig Veranlassung, auf die daraus erwachsenden Anspruchserwartungen der Menschen zu reagieren.
Die Normen des Sozialgesetzbuchs Erstes Buch – SGB I – geben insoweit als allgemeine Bestimmungen den den Staat verpflichtenden Rahmen bei der Ausgestaltung von Sozialleistungen vor.

§ 1 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch
Das Recht des Sozialgesetzbuchs soll zur Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit Sozialleistungen einschließlich sozialer und erzieherischer Hilfen gestalten.
Im Sozialleistungsrecht hat sich dieser Gestaltungsauftrag vor allem auf die Absicherung eines weiteren sozial typischen Risikos erstreckt: der deutlich höheren finanziellen Belastung als unmittelbare Folge des erstmaligen Auftretens von Pflegebedürftigkeit.
Dieses Risiko ist für Betroffene und deren Angehörige seit zweieinhalb Jahrzehnten mit Etablierung der sogenannten sozialen Pflegeversicherung ein Stück weit versicherbar geworden.
Diese wurde seinerzeit stufenweise eingeführt, zunächst im ambulanten Bereich ab Anfang 1995 und wenig später im stationären Bereich zur Mitte des Jahres 1996.
Mit ihr hat der Gesetzgeber dem hierzulande sich bereits damals abzeichnenden, gehäuften Auftreten von Pflegebedürftigkeit quer durch alle Altersstufen Rechnung getragen. Im Laufe der Zeit erfuhr dieser neue, fünfte Zweig der deutschen Sozialversicherung mehrfach Korrekturen. Hierfür stehen vor allem die jüngsten Reformgesetze Pate, die die soziale Pflegeversicherung grundlegend verändert haben. In diesem Zusammenhang haben die insgesamt drei Pflegestärkungsgesetze der Jahre 2015 bis 2017 zusammen mit dem Pflegepersonalstärkungsgesetz des Jahres 2019 einen Paradigmenwechsel eingeleitet:
Zeitgleich mit der Abkehr vom alten System der Pflegestufen und der Hinwendung zu so genannten Pflegegraden wurde die Etablierung eines neuen, ressourcenorientierten Pflegebedürftigkeitsbegriffs verfestigt. Dieser soll seither unter Anwendung eines Neuen Begutachtungsassessments dazu beitragen, ein höheres Maß an Begutachtungsgerechtigkeit zu erzielen.
Vorgesehen ist zudem auch die Hinwendung zu einer angemesseneren Vergütung von Pflegekräften an bundesdeutschen Krankenhäusern und Kliniken sowie in den vollstationären Pflegeinrichtungen.
Darüber hinaus tragen aber auch die Rechtsprechung der Sozialgerichte, insbesondere die des Bundessozialgerichts und nicht zuletzt auch Anregungen und Widerstände aus der Mitte der Gesellschaft dazu bei, sozialrechtliche Problemstellungen neu zu bewerten. Dies geschieht nicht selten aus einem gehäuften persönlichen Betroffensein heraus. So wurde etwa die Finanzierung der Heimkosten durch Angehörige zu einem Thema von nach geradezu öffentlichem Interesse, das den Gesetzgeber nach Jahren des Zuwartens zur konkfliktbezogenen Problemlösung förmlich nötigte:
Mit Inkrafttreten des sogenannten Pflegeangehörigenentlastungsgesetzes seit Anfang 2020 regelt eine angehobene Belastungsgrenze die Frage der Zumutbarkeit der Belastung von grundsätzlich unterhaltsverpflichteten Angehörigen für die Kosten eines Aufenthalts in vollstationären Pflegeeinrichtungen weitgehend neu.
Schließlich hat die sich seit dem Frühjahr 2020 auch in Deutschland ausbreitende Coronapandemie den Gesetzgeber zu gesetzgeberischen Korrekturen gezwungen. Mit den §§ 147 bis 152 SGB XI hat er die Tür offen gehalten für Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der pflegerischen Versorgung während der durch das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 verursachten Pandemie. Diese betreffen vor allem Verfahrensfragen zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit als solcher, die Sicherstellung der pflegerischen Versorgung sowie die vorbehaltene Option einer Verlängerung dieser Maßnahmen durch den Erlass einschlägiger Verordnungen.
1.2 Gegliedertes System des Sozialleistungsrechts
Im Bereich der Pflege kommen von insgesamt vier unterschiedlichen Sachbereichen vor allem der sozialen Vorsorge in Gestalt der deutschen Sozialversicherung und der Grundsicherung eine überragende Rolle zu. Diese sollen daher kurz vorab näher erläutert werden.
2 Der Sachbereich der Sozialversicherung
Anliegen dieses Sachbereichs ist es, vorrangig die abhängig beschäftigten Arbeitnehmer*innen im Hinblick auf die Bewahrung ihrer Erwerbsfähigkeit zu schützen. Letztere ist ein Erwerbsleben lang durch so genannte sozial typische Risiken, die mit der Erwerbstätigkeit als solcher in engem Zusammenhang stehen, bedroht. Sofern sich diese Wechselfälle des täglichen Lebens im Einzelfall verwirklichen, sollen die Leistungen, insbesondere die finanziellen Zuwendungen der einschlägig zuständigen Träger der Sozialversicherung, die Betroffenen dazu befähigen, ihren durch die Beschäftigung einmal bereits erlangten Lebensstandard weitgehend aufrechtzuerhalten.
Im Vordergrund steht hier die vom Gesetzgeber unterstützte und gesellschaftlich erwartete Statussicherung bei Eintritt von voraussagbaren Schicksalsschlägen, gegenüber denen der Personengruppe der abhängig Beschäftigten eine entsprechende Vorsorge möglich und zumutbar ist. Insoweit wird daher auch von sozialer Vorsorge gesprochen. Diese wird durch Beitragszahlungen bewirkt und löst bei Eintritt bestimmter Risiken unterschiedliche Leistungen der deutschen Sozialversicherung aus.
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