Der Autor
Prof. Dr. Albert Bremerich-Vos ist Professor i. R. für Linguistik und Sprachdidaktik, zuletzt an der Universität Duisburg-Essen. Er war u. a. als Partner des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) beteiligt an der Konstruktion von Vergleichsarbeiten (Vera 3 und Vera 8) und von Kompetenzstufenmodellen für das Fach Deutsch. Er war Mitglied der nationalen Konsortien, die für die Internationalen Grundschul-Lese- Untersuchungen (IGLU) 2011 und 2016 zuständig waren, und ist Autor bzw. Ko-Autor zahlreicher Beiträge zur Lehrerprofessionsforschung.
Albert Bremerich-Vos
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1. Auflage 2021
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-035645-0
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-035646-7
epub: ISBN 978-3-17- 035647-4
Die großen internationalen Vergleichsstudien zu Schul- und Schülerleistungen vom Beginn des Jahrhunderts haben spürbare Innovationen im gesamten Bildungssystem bis hinein in die konkreten unterrichtlichen Praktiken mit sich gebracht. Auch die Forschungslandschaft rund um das Lehren und das Lernen wurde durch diese Impulse nachhaltig beeinflusst und wirkt ihrerseits weiter auf die Entwicklung von Schule und Unterricht ein.
Eine der Lehren aus diesen Studien war die Anerkennung der Notwendigkeit von Interdisziplinarität: Lehren und Lernen, wissenschaftlich betrieben, kann nur durch das Zusammenspiel pädagogischer, psychologischer, fachwissenschaftlicher und fachdidaktischer Theorien und Befunde befriedigend erklärt und gesteuert werden. In der pädagogischen Praxis kann keine Lerntheorie ohne Bezug auf eine konkrete Inhaltsdomäne und keine Lehrmethode ohne Curriculumsbezug und ohne Beachtung der individuellen Lernvoraussetzungen erfolgreich sein. Die je eigenen Perspektiven und Erkenntnisse der Psychologie, der Pädagogik und der beiden schulisch zentralen Fachdidaktiken Mathematik und Deutsch, vertreten in den Disziplinen der Herausgebenden, sollen in den einzelnen Bänden dieser Reihe jeweils zu einem kohärente Gesamtbild zusammengeführt werden. Neben der Interdisziplinarität liegt besonderer Wert auf einer – weit verstandenen – Empirie: Erfahrungswissenschaftlich gewonnene Erkenntnisse zum Lehren und Lernen stehen jeweils im Mittelpunkt der Darstellung. Schließlich fokussieren alle Bände der Reihe den Anwendungsbezug: Die entfalteten Themen, Diskurse und Fachgebiete sind jeweils unmittelbar bedeutend für Schule und Unterricht. Insgesamt präsentieren die Bände die wichtigsten unterrichtlich relevanten Forschungsthemen und -ergebnisse aus den unterschiedlichen Disziplinen.
Die vorliegende Reihe umfasst thematisch den Vorschul-, Grundschul- und weiterführenden Schulbereich bis etwa zur zehnten Klassenstufe. Konzipiert ist sie für (zukünftige) Lehrende, auch für PädagogInnen und PsychologInnen in weiteren Anwendungsfeldern im Bildungssystem. Mit dem »Lehren und Lernen« werden die oben angesprochenen politisch-praktischen Veränderungen im pädagogischen und fachlichen Feld und in der Aus- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern aufgegriffen, indem die Ergebnisse der empirischen Forschung in den zentralen Bereichen des Lehrens und Lernens aus interdisziplinärer Perspektive für professionelle Anwender verständlich und kompakt dargestellt werden.
Andreas Gold, Cornelia Rosebrock, Renate Valtin & Rose Vogel
Lehrkräfte in der Schule sind in erster Linie Fachleute für das Lehren und Lernen. Sie haben in der Regel mindestens zwei Fächer und Bildungswissenschaften studiert und das Referendariat erfolgreich abgeschlossen. Was macht ihre Professionalität aus? Wie die Antworten auch immer ausfallen: Auszugehen ist von den mit dem Beruf verbundenen Anforderungen. Deren Festlegung ist zum einen eine Aufgabe der Bildungspolitik. Ihr kommt die Kultusministerkonferenz nach, indem sie »Standards für die Lehrerbildung in den Bildungswissenschaften« und »Ländergemeinsame inhaltliche Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung« bestimmt und von Zeit zu Zeit aktualisiert. Zum anderen sind die mit der Lehrertätigkeit verbundenen Anforderungen Gegenstand der Diskussion in einer Reihe von wissenschaftlichen Disziplinen, z. B. in der Schulpädagogik, der Bildungssoziologie, der Pädagogischen Psychologie und in den mit den Schulfächern korrespondierenden Fachwissenschaften und -didaktiken.
Ewald Terhart (2011) hat vorgeschlagen, drei Ansätze zur Bestimmung von Professionalität im Lehrerberuf zu unterscheiden:
• Im Kontext des berufsbiographischen Ansatzes wird Professionalität in erster Linie als Entwicklungsproblem aufgefasst. Hier werden etwa Studien- und Berufswahlmotive thematisiert, die Übernahme eines beruflichen Habitus nach dem Referendariat und Fragen, die mit der Verknüpfung von privatem Lebenslauf und beruflichem Werdegang bis zum Ende der Berufstätigkeit zu tun haben.
• Gemeinsam ist Varianten des strukturtheoretischen Ansatzes, dass die beruflichen Anforderungen an Lehrkräfte als in sich widersprüchlich dargestellt werden. Diese Widersprüche können nicht aufgehoben werden. Professionalität zeigt sich in der Fähigkeit, reflektiert mit ihnen umzugehen und dabei jederzeit ein Scheitern vor Augen zu haben.
• Vertreter eines kompetenztheoretischen Ansatzes bemühen sich um die Bestimmung des fachlichen, fachdidaktischen und pädagogischen Wissens und Könnens von Lehrkräften, ihrer Überzeugungen und weiterer ihrer Merkmale mit dem Ziel, deren Beitrag zu Effekten auf Schülerseite nachzuweisen, u. a. zum Lernerfolg.
Wie mit jedem Versuch, ein Forschungsfeld überschaubar zu machen, sind mit Terharts Vorschlag Vor- und Nachteile verbunden. Für ihn spricht z. B., dass sich Beiträge zum struktur- und zum kompetenztheoretischen Ansatz auch in methodischer Hinsicht deutlich unterscheiden.
Alle Arbeiten, die sich dem strukturtheoretischen Ansatz zuordnen lassen, sind qualitativ, hermeneutisch bzw. rekonstruktiv ausgerichtet und primär soziologisch zu verorten. Nachteilig wäre es aber, würde man nur sie berücksichtigen. Denn es gibt auch andere qualitative Studien zu Aspekten von Lehrerprofessionalität, die nicht strukturtheoretisch, sondern z. B. gesprächsanalytisch oder ethnographisch ausgerichtet sind.
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