Ein Team ist niemals ein starres Konstrukt, sondern ständig in Bewegung. Was heute gut funktioniert hat, kann morgen schon scheitern. Ein einfaches Missverständnis in der Kommunikation kann zu einem Konflikt zwischen zwei Menschen führen – schon leidet das ganze Team unter der angespannten Stimmung. Und Teams sind niemals gleich. Es gibt ganz unterschiedliche Teamdynamiken, die getragen sind von Individuen und die neue Kolleg*innen und Leitungskräfte vor ganz unterschiedliche Herausforderungen stellen können.
3.8.2.1 Das unerfahrene Team
Hochmotiviert, schnell dabei, begeisterungsfähig – aber leider noch »grün hinter den Ohren«: Oftmals sind es frisch zusammengewürfelte Gruppen, die sich erst noch finden müssen. Gerade fertig mit dem Studium oder unerfahren im Teamwork steht eine neue Teamleitung vor ganz besonderen Herausforderungen: Die unterschiedlichen Talente, Interessen und Vorlieben müssen analysiert und gebündelt werden, um die nötigen Positionen richtig zu besetzen. Außerdem sollte langfristig eine gesunde Balance geschaffen werden zwischen dem Halten der hohen Motivation und den Standards, Regeln und Vorgaben, die zur täglichen Routine gehören.
Die große Chance bei einem so frischen Team besteht darin, gemeinsam Ziele zu artikulieren und das Formen der Standards zu einem erinnerungswürdigen Ereignis zu gestalten. Ein Kick-off-Termin bietet eine wunderbare Gelegenheit, eine stabile Basis für die gemeinsame Zukunft zu schaffen. Am Anfang ist das Abklopfen der gegenseitigen Erwartungen von Führungskraft und Team aneinander wichtig. Herausforderungen liegen für die Führungskraft unter anderem in einer notwendigen hohen Flexibilität und dem intensiven Arbeits- und Zeitaufwand bezüglich der Teamphasen und Teambildungsmaßnahmen.
Einfach ist es nie 
Auch wenn es anfangs scheinbar reibungslos läuft, zeigt die Erfahrung, dass es immer wieder zu stürmischen Phasen kommen kann. War jedoch die Ausgangsposition stabil und zeigt die Führungskraft von Beginn an eine hohe Präsenz und gibt klare Richtlinien und Leitplanken vor, in denen sich das Team finden kann, stehen die Chancen gut, Start-Turbulenzen zu überstehen und fest zusammenzuwachsen.
3.8.2.2 Das depressive Team
Das depressive Team ist getragen von einer mentalen Haltung, die darüber klagt, gestellte Aufgaben kaum zu schaffen. Die Mitglieder fühlen sich fremdbestimmt, glauben, sie müssten funktionieren, und finden grundsätzlich alles schwer und belastend. Depressive Teams – so die Regel – lassen sich nicht aufmuntern und die Grundstimmung ist nicht zu verändern. Im Gegenteil: Jeder Versuch, positive Stimmung zu erzeugen, treibt das Team noch stärker in die depressive Verstimmung.
Die Gründe sind ernst zu nehmen und müssen analysiert werden. Einfach nur gute Laune und positive Energie einzufordern, funktioniert genauso wenig wie bei depressiven Menschen. Die Ansätze sind ähnlich wie in der Psychotherapie: Es geht darum, das Verhalten zu spiegeln, Raum zu geben, Zeit zu lassen, zu reden. Diese Teams aufzuteilen, um die depressive Dynamik zu durchbrechen, wäre eine Lösung – vor allem, wenn die Gründe in Überforderung oder strukturellen Problemen liegen. Auch das Herauslösen einer Einzelperson, die möglicherweise ursächlich für die schlechte Stimmung verantwortlich ist, ist möglich, um das Team zu schützen und den anderen eine Chance zu geben, sich ohne den »Störenfried« neu auszurichten. Voraussetzung ist aber immer eine genaue Analyse vor der Entscheidungsfindung: Gibt es Mobbing? Ist das Team wirklich überlastet? Gibt es eine Chance, das Team mithilfe eines Mediationsprofis wieder in die Spur zu bringen? Können die Prozesse verbessert werden?
Eine andere Möglichkeit, depressive Teams zu unterstützen, besteht darin, durch neue Menschen frische Impulse hineinzubringen. Wie gesagt: Teambildung ist ein dynamischer Prozess. Kommt jemand Neues hinzu, muss er oder sie sich nicht nur integrieren; auch alle anderen müssen sich neu auf diese Person ausrichten. Jemand, der unbelastet ist, neue Perspektiven und Sichtweisen auf die Dinge hat und ohne Scheuklappen und mit frischem Wind agiert, kann heilsam sein für ein depressives Team und Veränderungsprozesse in Gang setzen, die zu neuen Einsichten bei allen führen. Es kann bei solchen Teams allerdings auch passieren, dass ein hochmotivierter Neuling nach kurzer Zeit »glattgeschliffen« und infiziert wird von der depressiven Grundstimmung. Um dem entgegenzuwirken, kann es notwendig sein, dass der oder die »Neue« durch die Führungskraft mit regelmäßigen Gesprächen geschützt und gleichzeitig ermuntert wird, die zu Beginn noch unverfälschte Perspektive auf die Dinge im Team kundzutun.
Neue Menschen verändern Teamdynamiken 
Eine solche Dynamik in Gang zu setzen ist ein mächtiges Werkzeug und es bedarf daher einer guten Abwägung der Vor- und Nachteile sowie Antizipation möglicher Verläufe. Eine solche Überlegung sollte auch personalstrategisch untermauert sein, d. h. es muss genau überlegt werden, wer mit welchen Eigenschaften ins Team integriert und wer anderswo positioniert wird.
3.8.2.3 Die mauernden Teamvarianten
Hier finden sich unterschiedliche Varianten einer Teamdynamik. Gleich ist allen, dass sie eng zusammenstehen und Veränderungen, Maßnahmen und Personen von außen ablehnen bzw. diesen besonders kritisch gegenüberstehen.
Unterschiede finden sich in der Art der Ausprägung: Bei der glorifizierenden Variante hält sich das Team für extrem leistungsfähig. Man glaubt, keine Fehler zu machen, beschönigt die eigenen Leistungen; Selbstbild und Fremdbild weichen deutlich voneinander ab. Für Außenstehende, die genauer hinsehen, ist diese Diskrepanz deutlich wahrnehmbar. Dieses Team kann auch dazu neigen, ehemalige Chefärzt*innen und Leitungskräfte zu glorifizieren.
Eine neue Leitung hat kaum eine Chance, die Position zu besetzen. Sie stößt immer wieder auf Gegenwehr. Aussagen wie »Früher haben wir das aber so und so gemacht« oder »Auf Dr. XY konnten wir uns blind verlassen« machen es schwer, sich zu integrieren und zu positionieren. Ein Lösungsansatz könnte sein, kein Wort über eventuelle Vorgänger zu verlieren oder sie auf keinen Fall durch Bemerkungen abzuwerten.
Das verharrende Team ist gekennzeichnet durch große Verbundenheit in der Gruppe. Subjektiv empfundene Störfaktoren werden ignoriert und sogar bekämpft, man wehrt sich gegen Veränderungen und lehnt sogar Weiterentwicklungen ab.
Beim verschlossenen Team potenzieren sich die Eigenschaften: Hier werden weder fachliche oder strukturelle Veränderungen noch neue Leitung akzeptiert.
Diese Strömungen können so weit gehen, dass Leitungskräfte aufgeben, weil sie keine Akzeptanz finden. Ist so ein Prozess bereits einmal erfolgreich gewesen, spürt das Team eine gruppendynamische Macht, diese »Meuterei« immer wieder – und mit Erfolg – einzusetzen.
Konsequenz und Soziogramme können helfen 
Ein Lösungsansatz kann die Übertragung neuer Aufgabenbereiche an einzelne Teammitglieder sein, um den persönlichen und individuellen Horizont zu erweitern und die Gruppe auf diese Art zu öffnen. Neue Mitarbeitende, die in dieses Team integriert werden, müssen von Führungskräften mit besonderer Aufmerksamkeit begleitet und geschützt werden. In der Regel ist zu empfehlen, niemals jemanden allein in schwierige Teams zu schicken, sondern besser gleich eine Gruppe aus zwei oder drei Kolleg*innen, die sich kennen, schätzen und gegenseitig stärken können. Auch Ehrlichkeit und Informationen sind wichtig: Denn ist »den Neuen« die spezielle Teamdynamik bekannt, sind sie besser gewappnet gegen eventuelle Angriffe und können sich gemeinsam stärker positionieren.
Читать дальше