2. Die Teammitglieder werden so ausgesucht, dass sie die Schwächen der Teamleitung ausgleichen sollen. Beispiel: Eine Teamleitung, die zu dominantem Verhalten neigt und mit hohem Tempo Ziele verfolgt, sucht für das eigene Team überwiegend stetig arbeitende Ärzt*innen aus, in der Hoffnung, dass diese ihn/sie bei der Erreichung der Ziele unterstützen und der Leitung wenig Kritik entgegenbringen. Diese auf den ersten Blick Erfolg versprechende Strategie birgt jedoch die Gefahr, dass die Leitung ungehindert autokratisch agiert und keine anderen Menschen oder Meinungen neben sich duldet, mit denen die Vor- und Nachteile des eigenen Handelns reflektiert werden können.
Verschiedenartigkeit der Teammitglieder fördern 
Beide Fehler haben zur Folge, dass die Leistungen des Teams in einigen Bereichen sehr stark und in anderen Bereichen schwach sein werden. Insgesamt bleibt die Teamleistung damit hinter ihren Möglichkeiten zurück. Daher ist es wichtig, dass die Ärztliche Leitungskraft eine Teamkultur schafft, die die Verschiedenartigkeit der Mitarbeitenden fördert, sodass ein sich gegenseitig stützender, voneinander lernender Organismus entsteht. Grundlegende Kenntnisse über die Merkmale unterschiedlicher Verhaltensprofile unterstützen dabei.
3.6.1 Sind wirklich alle gleich?
Unterschiedliche Spezialisierungen der Mitarbeitenden stellen Teams vor die Herausforderung, immer, zu jeder Tages- und vor allem Nachtzeit – unabhängig von der Zusammensetzung – stabil arbeits- und leistungsfähig zu sein. Gemeinsam einen Berg an Arbeit zu bewältigen und auf Augenhöhe zu agieren, ist dabei nicht immer leicht. Ein Klinikteam setzt sich aus ganz unterschiedlichen Mitgliedern zusammen. Dazu kommt auch die Tatsache, dass seit 2013 begonnen wurde, die Pflege zu diversifizieren: Eine Schicht setzt sich heute nicht selten aus leitenden Ärzt*innen, Assistenzärzt*innen, examinierten Pflegekräften, Krankenpflegehelfer*innen, Versorgungsassistent*innen, Stationssekretär*innen und Schüler*innen zusammen. Dabei gelingt es nicht immer, mit den einzelnen Gruppen auf Augenhöhe zu arbeiten.
Der Teamgedanke an sich ignoriert allerdings nicht die unterschiedlichen Qualifikationen, er ergibt sich aus dem Verhalten untereinander. Das heißt: Alle sind auf Augenhöhe in der Kommunikation bei gleichzeitiger Akzeptanz der unterschiedlichen Qualifikationen. Wer lernt, auf diese Weise miteinander umzugehen, wird nicht mehr von oben herab handeln, sondern gleichberechtigt agieren. Jede*r im Team ist wichtig. Das merkt ein gutes Team besonders in Stresssituationen, bei Unterbesetzung oder hohem Patient*innenaufkommen. Wenn sich alle untereinander wertschätzen und die Potenziale und Einsatzmöglichkeiten jedes und jeder Einzelnen richtig eingeschätzt werden, ist ein gutes Team auch für Ausnahmefälle besser gestärkt und vorbereitet. Aufgrund des Mangels an Pflegekräften werden viele Teams heute gelegentlich erweitert um Medizinische Fachangestellte (MFA) oder – besonders in Notaufnahmen – um Rettungsassistent*innen. Werden diese Arbeitsgruppen ohne notwendige Integrationsmaßnahmen und Schulungen nur zusammengewürfelt, sind oftmals große Spannungen zwischen all diesen Berufsgruppen spürbar. Hier ist ein hoher Führungsaufwand nötig, um Ressentiments und Vorurteile abzubauen und alle Beteiligten zu einem Team zusammenzuführen.
Wertschätzendes Miteinander 
Seien Sie stets freundlich, achtsam, professionell und respektvoll im Umgang miteinander – über alle Qualifikationen hinaus. Nicht trotz, sondern gerade wegen unterschiedlichster Qualifikationen ist eine wertschätzende Kommunikation auf Augenhöhe absolut notwendig.
Um ein gutes Team zu formen, das sich eventuell sogar zu einem Top-Team entwickeln kann, sind verschiedene Aspekte zu beachten:
1. Das Team muss zusammenpassen. Dazu gehört Geschick bei der Personalauswahl. Leider hinken Kliniken hier der freien Wirtschaft viele Jahre hinterher. Der bestehende Personalmangel erschwert den Auswahlprozess um ein Vielfaches. Allerdings gilt: Jede*n zu nehmen, der/die kommt, kann ein gutes Team unter Umständen sogar zerstören. Wer aufgrund des Charakters oder mangelnder fachlicher Qualifikationen nicht passt, hat in einem funktionierenden Team nichts zu suchen. Bei hoher Transparenz derartiger Personalentscheidungen trägt ein Team lieber den weiteren Ausfall und die damit verbundene Mehrbelastung als jemanden, der/die nicht ins Team passt.
2. Überzeugen durch gute Führung. Dazu gehört, eventuell vorhandene Veränderungswiderstände zu überwinden, den Mitarbeitenden immer wieder die Schätze aufzuzeigen, die auf dem Weg zum Team noch nicht gehoben wurden, und ggf. bei Bedarf auch mit gewisser Autorität zu führen, wenn beispielsweise existenzielle Werte verletzt werden (Verbindlichkeit von Absprachen, gegenseitige Unterstützung, …).
3. Das Potenzial der Mitarbeitenden erkennen und fördern. Verantwortung für die konsequente und nachhaltige Weiterbildung und Entwicklung für diejenigen Mitarbeitenden zu übernehmen, die das Potenzial haben, durch zusätzliche Qualifikationen das Team zukünftig noch besser zu unterstützen.
4. In einem guten Team redet niemand schlecht über die Leistungen anderer – weder im eigenen noch zwischen verschiedenen Teams. Stärken und Potenziale sollen erkannt und ausgebaut werden. Mit großer Konsequenz müssen Führungskräfte Mitarbeitende ansprechen, die Kolleg*innen anderer Berufsgruppen – oder auch der eigenen – abwerten. Hier muss massiv gegengewirkt werden.
3.6.2 Teamfähigkeit prüfen
Teamfähigkeit ist zugleich Ergebnis und Voraussetzung gelungener Teamentwicklung. Denn nur, wenn ein gewisses Maß an Teamfähigkeit überhaupt vorhanden ist, lässt sie sich entwickeln, sodass die zielorientierte Zusammenarbeit mit anderen gelingt. Speziell in Kliniken und Krankenhäusern ist Teamfähigkeit eine wichtige Voraussetzung. Mitarbeitende, die den Begriff Team für eine Abkürzung für »Toll, ein anderer macht’s« halten, sind fehl am Platz. Schließlich gilt es, möglichst schnell und wirksam zum Wohl der Patient*innen einzugreifen – und die eigenen Eitelkeiten dem Notfall unterzuordnen.
Fähigkeiten der Teammitglieder mit den Anforderungen des Arbeitsumfelds abgleichen 
Ob jemand in ein Klinikteam passt, hängt nicht nur von der individuellen Teamfähigkeit ab, sondern auch davon, wie mit den speziellen Anforderungen im Arbeitsumfeld – Hektik, Chaos, Unvorhergesehenes, hohe medizinische Anforderungen, viel Druck von außen, wenig Unterstützung, aufgeregte Patient*innen und Angehörige – umgegangen wird.
Das Prüfen der Teamfähigkeit ist nicht nur eine Aufgabe der Leitung, sondern auch eines jeden Mitglieds: Alle Mitglieder sollten sich selbst nach der persönlichen Eignung für die Herausforderungen eines Teams hinterfragen. Beispielsweise sollten sich Assistent*innen, die überlegen, dauerhaft in einem Notaufnahme-Team zu arbeiten, fragen, ob es ihrem Persönlichkeitsprofil entspricht, in einem so eng verzahnten, auf Schnelligkeit und Hochleistung angelegten Team mitzuwirken und ob sie gleichzeitig mit dem fordernden Arbeitsalltag klarkommen. Denn beide Faktoren – das Team und die Rahmenbedingungen – sind unveränderbar.
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