George wusste sofort, wovon sie sprach.
„Das kann ich bestätigen, Marion. Robert nimmt als Beobachter an einer Nahost-Konferenz in Genf teil, und mein Stabschef hatte mich bereits informiert, dass Jane ein Flugzeug für Aransas braucht. Ich muss sagen, dass ich das Engagement der Mansurs sehr schätze. Hoffentlich kommt Jane dort etwas zur Ruhe. Natürlich habe ich gesehen, dass es ihr schon länger nicht gut geht.“
„Ich weiß nicht, George, ob diese kurze Auszeit reicht. Wir müssen auch an unsere Enkel denken. Ein Ende der Ehe wäre für beide, besonders für Florence, eine Katastrophe. Jane braucht dringend unsere Hilfe. Was denkst du?“
George überlegte kurz, ob er für ein Familientreffen an seinen Wohnsitz nach Savannah fliegen sollte. Aber seit Tagen liefen Nachrichten bei ihm ein, dass sich im Iran etwas zusammenbraute und im Weißen Haus schnelle schwierige Entscheidungen anstehen könnten. Er musste in unmittelbarer Nähe des Lageraumes bleiben.
„Ein gemeinsames Gespräch halte ich für sehr sinnvoll, was immer dabei herauskommt. Hier ist es etwas schwierig, wegzukommen. Ich kämpfe an verschiedenen Schauplätzen, und einer ist eine tickende Zeitbombe. Was hältst du davon, wenn wir uns mit den beiden im Weißen Haus treffen? Ich hätte dich und auch die Kinder wieder einmal vor Ort, und nebenbei machen wir ein schönes Pressefoto von uns allen und von den spielenden Kindern in meinem Arbeitszimmer. Ich kann gute Publicity gebrauchen.“
„Du meinst sicherlich so ganz zufällig unter dem Resolute Desk ? Da war doch schon einmal so etwas bei einem deiner Vorgänger“, legte sie lachend nach.
„Du sagst es, und das bringt mich zu dem netten Foto mit dir und deinem Ski-Verehrer. Wer hat das denn geschossen?“
„Seine Frau aus unserer Vierergruppe, Darling. Und sie hat es an einige Freundinnen geschickt. Ich hoffe, du konntest die Wogen glätten!“
„Sally hat das wie immer souverän erledigt. Eine Frage noch, Marion, gibt es bei Jane oder Robert jemand Anderen? Das wäre wichtig für unser Gespräch mit den beiden Kampfhähnen.“
„Ich habe sie das natürlich auch gefragt, und sie hat es klar verneint.“
Als die Gangway herunterklappte und die First Daughter mit den beiden Kindern und der Jack Russell-Hündin in die Dunkelheit heraustraten, standen die beiden Secret Service Agents vor der Limousine bereit.
„Guten Abend, Mrs. Mayer, hatten Sie einen angenehmen Flug?“
„Guten Abend, danke, er war wundervoll, aber das Schönste ist, dass wir Washington D.C. hinter uns haben. Ich freue mich riesig auf Mustang Island!“
Der Agent öffnete die Türen, und kaum saßen die Kinder im Wagen, vertieften sie sich wieder gemeinsam ihr neuestes Computerspiel.
„Die Fahrt bis Rockport schaffen wir in wenigen Minuten, Ma’am. Dort erwartet uns das Speedboot von Ihren Freunden.“
Bevor er losfuhr, gab er über das Mikrofon auf dem Handgelenk an die beiden Sicherheitsbegleiter im zweiten Fahrzeug durch:
„Alle drei RAINBOWs an Bord!“
Jane konnte sich ein Grinsen über diesen Security-Konvoi nicht verkneifen. Ihr Vater liebte sie eben über alles. Bis hin an den Golf.
Während sie, gefolgt von einem Boot der Security, mit dreißig Knoten durch die Aransas Bay rauschten, versuchte sich Jane vorzustellen, was auf sie zukam.
Halims Frau Cecilia hatte so wenig Ahnung von dem Verhältnis wie ihr Mann Robert. Beide Familien hatten sich in Washington auf einer Gala kennengelernt und danach den Kontakt intensiviert. Robert war von dem Milliardär Halim zutiefst beeindruckt. Seine Großeltern waren irakischer Herkunft und Halim einer der ganz wenigen Muslime, die mit Software ein gigantisches Unternehmen in den USA aufgebaut hatten.
Zwischen Halim und Jane hatte es bereits am ersten Abend gefunkt. Halim war das komplette Gegenteil vom eher unauffälligen Robert, dem ehemaligen angestellten Ingenieur für Sicherheitstechnik. Ein Führertyp, stark, erfolgreich und mit einer großen Ausstrahlung von Verlässlichkeit und Geborgenheit.
Nach der ersten gemeinsamen Nacht im Hotel war sie wie ausgewechselt und musste aufpassen, dass sich ihr Verhalten zu Hause nicht änderte. Doch das fiel ihr unglaublich schwer. Sie war so vollkommen verliebt, wie sie es bei Robert nie erlebt hatte.
Es folgten zwei Besuche hier an der Küste, inkognito und völlig ohne Sicherheitsbegleitung. Zum ersten Mal nach Jahren fühlte sie sich frei. Frei wie auf dem College.
Jetzt war sie offiziell mit den Kindern hier, bei ihm und der ewig netten und eher unscheinbaren Cecilia, mit der sie nur wenig verband. Das Ehepaar hatte spontan zugesagt und fühlte sich geehrt, denn wer durfte schon die Präsidententochter mehrere Tage zu Gast haben?
Ich muss mich entscheiden. Fühlen, ob es mehr ist als eine Affäre. Fühlen, ob ich meinen Kindern eine Trennung antun kann. Herausfinden, wie Halim sein würde ohne diese Schmetterlinge im Bauch .
Die Mansurs erwarteten sie vor ihrem Anwesen. Cecilia eilte auf Jane zu:
„Herzlich willkommen, Jane! Mein Gott, die Kinder sind ja schon wieder gewachsen!“
Jane ließ sich nicht anmerken, dass sie das im spanischen Kolonialstil erbaute Haus bereits kannte, einschließlich eines der Schlafzimmer. Halim machte es ihr bei der Begrüßung spielerisch einfach. Trotzdem war sie extrem angespannt und dankbar, dass Cecilia ihr in einem ausgedehnten Rundgang das Haus und die Gästezimmer zeigte.
Robert war direkt nach Ankunft in Genf in das Hotel gegangen. Abends würde es einen Empfang bei dem Nahost-Vermittler der Vereinten Nationen mit den Delegationen aus Syrien, Iran, Irak, Israel, Saudi-Arabien und der Türkei geben. Doch jetzt interessierte ihn nur seine Frau Jane.
Es war ihm inzwischen schon fast egal, wenn sie einen Anderen hätte. Wie ihm inzwischen auch der ungeliebte Job im Weißen Haus als Sonderberater für Auslandsbeziehungen gleichgültig war. Er hatte innerlich bereits gekündigt.
Aber er wollte wenigstens herausbekommen, wer da eventuell etwas mit seiner Frau hatte. Robert war alle potentiellen Kandidaten durchgegangen, und als Jane nach dem Streit plötzlich an den Golf wollte und umgehend die Zusage dieses Halim Mansur bekommen hatte, kam der böse Verdacht und bohrte sich wie ein Krake in sein Hirn. Mansur, der Liebhaber seiner Frau, der gut aussehende Selfmade-Milliardär und er, das Anhängsel der Präsidententochter, das Nichts.
Als wolle er das Nichts sehen, ging er zum Spiegel und sah ein Gesicht von großer Trauer. Scheinbar teilnahmslos betrachtete er sein Gegenüber, wie zwei Tränen aus dessen Augen liefen, als er an seine Kinder William und Florence dachte. Doch noch mehr empfand er tiefes Mitleid mit sich selbst. Er, der alles in der Familie und im Weißen Haus gegeben hatte, wurde hintergangen und nicht wertgeschätzt.
Er konnte sich anstrengen, wie er wollte, aber er wurde vom Schwiegervater einfach nicht wahrgenommen. Jane hatte ihm einmal wegen seines wachsenden Selbstmitleids einen Narzissten genannt. Er würde ihre weiteren Demütigungen nicht mehr akzeptieren und musste jetzt die Kontrolle in seinem Leben zurückgewinnen, das schon viel zu lange einer Achterbahn glich, und bei der auch der Therapeut Dr. Baker am Ende nicht hatte helfen können.
Robert wandte sich abrupt von seinem Ebenbild ab, ging zu seinem Handy und aktivierte die Wanze in Janes Smartphone.
Cecilia war nach dem Frühstück im Haus geblieben und bereitete das Mittagessen vor, während Halim und Jane mit den beiden Kindern am Strand spazierten. Sie hatte durchgesetzt, dass nur ein Secret Service Agent bei ihnen war und sich um die in einiger Entfernung spielenden Kinder kümmerte.
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