Marc hatte lässig auf der Terrasse die Füße auf den nächsten Stuhl gelegt und konzentrierte sich auf das Kleingedruckte. Sie kam von hinten lautlos zu ihm. Er spürte ihre Hände auf seinen Schultern. Sie beugte sich nach vorn und sprach leise in sein Ohr:
„Da wäre noch etwas …“
Marc hielt inne, überlegte, aber er hatte überhaupt keine Idee. Er hielt ihren Kopf fest, ohne sich umzudrehen und wartete auf das noch etwas .
Sie sagte nichts.
Er wartete einen weiteren Augenblick, drehte sich um und sah in zwei strahlende Augen.
Sie sagte immer noch nichts.
Er fixierte sie ungläubig, schaute sie von oben nach unten an und wieder zurück.
Sie strahlte.
„Du bist doch nicht …?“
Sie genoss sein fast komisches Gesicht.
„Ja, Marc, ich bin schwanger, im dritten Monat. Ich weiß es sicher vom Arzt, seit heute Morgen.“
Marc, der immer auf alles einen Kommentar hatte, war sprachlos. Sein Puls raste.
Er nahm sie behutsam in den Arm, als wäre sie das zerbrechlichste Wesen auf dem Erdteil und hörte nicht auf, sie zu streicheln.
„Ein Baby, unser Baby, unser Sohn! Das ist ja wunderbar!“
„Nun mal langsam, Soldat, darf es eventuell auch eine Tochter sein?“
„Entschuldigung, natürlich. Ich rede Schwachsinn. Mich haut’s einfach um. Ich habe keine Erfahrung darin, Vater zu werden. Kannst du denn überhaupt noch morgen diese Reise antreten?“
Alle seine Schutzinstinkte waren geweckt.
Sie lachte jetzt lauthals los.
„Du weißt schon, dass es Frauen geben soll, die bis kurz vor der Entbindung arbeiten. Ich bin in drei Wochen wieder zurück und freue mich mit Sicherheit auf die nächste Tour.“
„Das kommt überhaupt nicht in Frage, das ist auch mein Kind!“
Sie bückte sich jetzt vor Lachen über ihren großen, starken Krieger.
„Das fängt ja prima an, lass’ es erst einmal wachsen, danach sehen wir weiter.“
Sie sprachen an diesem Abend lange über die anstehenden Veränderungen in ihrem Leben, und dass sie jeden Morgen zwischen 8.00 und 9.00 Uhr ihrer Schiffszeit telefonieren würden. Dafür gab er ihr ein Satellitentelefon aus dem Bestand von Maritime Security Services mit.
Am nächsten Tag stand sie im Hamburger Flughafen in ihrem blauen Caban mit weiß-blauem Schal und einem Rollkoffer zusammen mit anderen Crewmitgliedern zum Einchecken und winkte ihm zu wie jemand, der mehr Glück gar nicht ertragen konnte.
Das Präsidentenehepaar George und Marion gab sich bewusst locker, als es Jane und Robert in das private präsidiale Esszimmer im ersten Stock des Weißen Hauses führte. Das ungezwungene Aufeinandertreffen im Jaqueline Kennedy Garden , in dem jetzt Tobias Hunter, der persönliche Secret Service Agent des Präsidenten, mit den Kindern spielte, hatte bereits zumindest bei Jane zu einer Entspannung geführt. Robert bemühte sich, entspannt zu wirken, aber seine Verkrampfung war offensichtlich.
Sie waren unter sich. Die First Lady und Jane hatten den Service übernommen.
„Erzähl’ uns von deiner Reise, Jane. Wie leben die Mansurs?“
Jane berichtete über das Haus, die Weite der vorgelagerten Inseln am Golf, doch die Eltern spürten sofort, dass ihre Tochter den Boden unter den Füßen verloren hatte. Sie konnte zwischendurch ihre Tränen kaum unterdrücken. Robert berichtete über die Konferenz in Genf, die wieder einmal kein Ergebnis gebracht hatte, weil die zerstrittenen kämpfenden Parteien in Syrien und Jemen nicht bereit waren, miteinander zu sprechen.
Die Eltern hatten sich vorgenommen, Einzelheiten der Eheprobleme nicht zu thematisieren. Das mussten die beiden selbst ausmachen oder mit einem Therapeuten. Aber sie wollten die beiden unterstützen, Chancen wahrnehmen.
„Ihr seid jetzt zehn Jahre zusammen, also das Jahr der Rosenhochzeit, und es wäre vermutlich die erste Ehe, in der es nach dieser Zeit nicht erheblich knirscht“, sagte Marion und fuhr fort:
„Vielleicht solltet ihr einmal gemeinsam über den Horizont schauen und herausfinden, was jeder von euch beiden will und dabei nicht nur euch sehen, sondern auch William und Florence. Eure Kinder sind genau in dem Alter, in dem eine Trennung tiefe Spuren bei ihnen hinterlassen würde. Es gibt zwischen einer Ehekrise und einer endgültigen Zerrüttung einen langen Weg, auf dem auch schlimme Wunden heilbar sind, wenn man nur will.“
Jane nickte still.
Robert senkte den Kopf.
„Euer Vater hat da eine Idee.“
„Die ist schnell gesagt“, sagte George mit ermunterndem Blick auf die beiden.
„Wir könnten uns vorstellen, dass für euch eine Auszeit das Richtige wäre. Was denkt ihr? Blickt über den Horizont und findet im Gespräch euren Weg. Macht das zusammen mit euren beiden wunderbaren Kindern und vielleicht auch mit einigen wenigen ausgesuchten Gästen. Das lockert die Stimmung.“
George stand auf und goss etwas Wein nach. Er blieb stehen, blickte auf die beiden und sagte:
„Wir haben an eine Schiffsreise auf einem für euch gecharterten Schiff gedacht. Wir wollen euch diese Reise schenken.“
Marion schaute liebevoll zu ihrem Mann. Sie sahen, wie Jane ungläubig den Mund öffnete und mit der Hand ihr Gesicht verbarg. Sie überlegte.
Was für eine Chance ist das, wenn überhaupt, finden wir dort heraus, ob wir es noch einmal versuchen oder uns in Frieden trennen wollen .
Fragend schaute sie zu Robert hinüber und signalisierte ihm durch ein sehr bestimmtes Kopfnicken ihr Einverständnis. Robert hielt einen Augenblick inne, während die Eltern beiden demonstrativ durch Beschäftigung mit dem Essen Zeit gaben.
Was soll das … unsere Ehe ist doch bereits unwiderruflich zerrüttet … sie betrügt mich … aber vielleicht sollte ich das Angebot wegen der Kinder annehmen … okay … ich werde das Spiel mitmachen .
Er nickte zu ihr hinüber. Sofort sagte sie sichtlich erleichtert: „Dad und Mom, das ist wunderbar. Danke. Einfach nur danke. Wie ich dich kenne, Dad, hast du schon einen Plan, oder?“
Der Präsident legte das Bild der SUNDOWNER auf den Tisch. Robert war sichtlich beeindruckt.
„Was für ein Prachtschiff! Danke euch beiden, das ist unglaublich,“ sagte er, aber ganz ohne jegliche Freude, so dass Marion ihn etwas verwundert anblickte.
So ist er eben … ohne Empathie und etwas narzisstisch … vielleicht ist das der Grund für die Zerrüttung .
„Ich denke, Dad“, sagte Jane, „es wäre vielleicht tatsächlich gut, ein paar Freunde an Bord zu haben. Zunächst würde ich mir wünschen, dass mein Bruder David und seine Frau mitkämen. Ich mag Susan sehr, und es wäre sicherlich auch wichtig, wenn Robert und David sich ein bisschen besser kennenlernen würden. Findest du nicht auch, Robert?“ Robert nickte stumm.
Es wird ohnehin nicht meine Veranstaltung sein, sondern die der Summerhills .
Der Präsident und seine Frau schauten sich etwas überrascht an.
„Die Idee hätte von mir kommen können“, sagte George, „ein bisschen Distanz vom Weißen Haus dürfte meinem ehrgeizigen Sohn in der Tat guttun“, und mit Blick zu Robert, „ich würde mich freuen, wenn ihr beiden Männer euch mehr als ein Team verstehen könntet. Zeit genug dafür wird es geben.“
„Was schwebt dir denn vor, Dad?“, fragte Jane.
„Nun, das Schiff ist in vierzehn Tagen für ein Zeitfenster von zwei Wochen frei. Ich dachte, das passt auch wegen der Ferien für die Kinder perfekt.“
„In vierzehn Tagen! Oh mein Gott! Wohin geht die Route?“
„Ich habe direkt einen Vorvertrag gemacht, für eine Reise ab Lissabon über die Kanarischen Inseln, die Kapverden und über den Atlantik zu den Bermudas. Dort steigen Marion und ich für ein paar Tage dazu. Wir fliegen anschließend alle zusammen mit der neuen AIR FORCE ONE nach Washington zurück. Kommt Kinder, lasst uns darauf schon einmal trinken.“
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