Wilfried Kürschner
Grammatisches Kompendium
Systematisches Verzeichnis grammatischer Grundbegriffe
A. Francke Verlag Tübingen
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E-Book-Produktion: pagina GmbH, Tübingen
ePub-ISBN 978-3-8463-4693-8
Der Charakter des vorliegenden Buches hat sich gegenüber den vorangegangenen Auflagen nicht verändert: Das Grammatische Kompendium nimmt eine Zwischenstellung zwischen terminologischem Wörterbuch und ausführlicher Grammatik des Deutschen ein. Anders als in den üblichen Terminologielexika unterliegt die Reihenfolge der hier aufgenommenen Termini nicht den Zufälligkeiten des Alphabets, sie werden vielmehr in sachlich-systematischen Feldern angeordnet, definiert und an Beispielen erläutert. Damit kann das Kompendium auch als eigenständiges kurzgefasstes grammatisches Lehrbuch benutzt werden.
Eine sachlich und terminologisch harmonisierende Darstellung der vorliegenden Literatur ist, auch angesichts der zahlreichen neuen Publikationen zur deutschen Grammatik, nicht zu erreichen. Der Leser sollte daher darauf gefasst sein, im vorliegenden Buch eine weder terminologisch noch sachlich mit irgendeiner anderen Grammatik völlig übereinstimmende Darstellung vorzufinden. Es dominieren hier die Vorstellungen der traditionellen und der Schulgrammatik, verbunden mit Elementen aus der Valenzgrammatik. Insofern kommt das Kompendium in den Kapiteln zu Wortarten und Syntax der grammatischen Begrifflichkeit in Schullehrbüchern, in Schulgrammatiken und in dem (im Anhang abgedruckten) »Verzeichnis grundlegender grammatischer Fachausdrücke« der Kultusministerkonferenz (1982), auf das sich die Schulbücher zu stützen haben, entgegen, ohne sie in jeder Hinsicht zu teilen.
Die vorliegende 7. Auflage des Grammatischen Kompendiums unterscheidet sich von der vorangehenden Ausgabe hauptsächlich von der äußeren Aufmachung her, inhaltlich nur in geringem Maß. Es waren einige (wenige) Versehen zu korrigieren, die immer noch stehengeblieben waren und auf die mich Studenten und Kollegen freundlicherweise aufmerksam gemacht haben. Außerdem wurden einige sachliche Zusätze und Modifikationen vorgenommen und die Literaturangaben aktualisiert.
Zu danken ist Olga Gowin, Johanna Helfer und Sönke Rasche (Vechta) für wichtige Anregungen zu Textänderungen. Sebastian Kürschner (Eichstätt) hat die neue Fassung gründlich durchgesehen. Tillmann Bub vom Verlagslektorat hat die Erstellung der Neuauflage mit Sachverstand und Freundlichkeit begleitet.
Vechta, im Juni 2017 Wilfried Kürschner
Das im Folgenden häufig verwendete, hier am Rand abgebildete Icon steht für ‘Redeweise’, ‘Redewendung’ und wird vor Angaben über Wortformen grammatischer Termini (z. B. »das Genus, des Genus, die Genera«) und vor typische Redewendungen der Grammatiker (z. B. »Dieses Verb regiert den Akkusativ«) gesetzt.
Angaben zur konventionellen Notation sind mit dem nebenstehenden Stift-Icon versehen.
Auf wichtige Hinweise im Text macht ein Icon mit einem Ausrufezeichen aufmerksam.
1 SemiotikSemiotik: Lehre vom Zeichen
1.1 Das sprachliche Zeichen
Eine Sprache kann als ein System angesehen werden, in dem mithilfe von Lauten Bedeutungen zum Ausdruck gebracht werden. Das heißt, es werden ZeichenZeichen gebraucht:
1.1/1 Sprachliche ZeichenZeichensprachlichessprachliches Zeichen
Einheiten, in denen Laute/Lautfolgen bzw. ihre schriftlichen Entsprechungen mit BedeutungBedeutungen = InhaltInhalten verknüpft sind.
Als Zeichen können ganze TextTexte, SätzeSatz, Teile von Sätzen bis hinunter zu WörternWort und MorphemenMorphem betrachtet werden. Die kleinsten, minimalen ZeichenZeichen sind die MorphemMorpheme (▶ Nr. 5.1/1 und Nr. 5.1/3).
Eigenschaften des sprachlichen ZeichenZeichens:
1.1/2 BilateralitätBilateralität = ZweiseitigkeitZweiseitigkeit
Das Vorhandensein zweier Seiten, einer Ausdrucksseite und einer Inhaltsseite, die die konstitutiven Elemente eines Zeichens sind.
1.1/3 AusdrucksseiteAusdrucksseite
LautLaute/LautfolgenLautfolge bzw. deren graphische Entsprechungen (in vielen Sprachen: BuchstabeBuchstabeBuchstaben/BuchstabenfolgenBuchstabenfolge), die zum AusdruckAusdruck (Zeichen) der entsprechenden InhaltsseiteInhaltsseite dienen.
1.1/4 InhaltsseiteInhaltsseite
InhaltInhalte = BedeutungBedeutungen, die mit der AusdrucksseiteAusdrucksseite eines sprachlichen ZeichenZeichensprachlichessprachliches Zeichens verknüpft sind.
Für die Termini »AusdrucksseiteAusdrucksseite« und »InhaltsseiteInhaltsseite« sind auch die in ▶ Tabelle 1dargestellten Alternativen gebräuchlich:
AusdrucksseiteAusdrucksseite |
InhaltsseiteInhaltsseite |
SignifiantSignifiant |
SignifiéSignifié |
BezeichnendesBezeichnendes |
BezeichnetesBezeichnetes |
AusdruckAusdruck (Zeichen) |
InhaltInhalt |
FormForm |
BedeutungBedeutung |
SignalSignal |
InformationInformation |
Tabelle 1: Alternative Termini für »Ausdrucksseite« – »Inhaltsseite«
Die Termini »Bedeutung«Bedeutung und »Inhalt«Inhalt werden im Folgenden gleichbedeutend verwendet, mit »Zeichen« ist stets ‘sprachliches Zeichen’Zeichensprachliches gemeint.
1.1/5 ArbitraritätArbitrarität = BeliebigkeitBeliebigkeit
WillkürlichkeitWillkürlichkeit der Zuordnung von Inhalts- und AusdrucksseiteAusdrucksseite im ZeichenZeichen.
Beispiel:
Der stets gleiche InhaltInhalt ‘4’ ist im Deutschen mit dem AusdruckAusdruck (Zeichen) [fi<���Œ] bzw. , im Englischen mit dem AusdruckAusdruck (Zeichen) [f<] bzw. , im Französischen mit [katü] bzw. und in anderen Sprachen mit nochmals anderen AusdrucksseiteAusdrucksseiten verknüpft (zwischen einfachen = halben AnführungszeichenAnführungszeichenhalbes-Anführungszeicheneinfaches-Anführungszeichen wird die Bedeutung, zwischen eckigen Klammerneckige KlammerKlammereckige die AusdrucksseiteAusdrucksseite in der LautungLautung, zwischen spitzen Klammernspitze KlammerKlammerspitzespitze Klammer die AusdrucksseiteAusdrucksseite in der SchreibungSchreibung wiedergegeben – ▶ Nr. 2.2/2, Nr. 3.2/7 und Nr. 4.1/3). Dies zeigt, dass die Zuordnung der beiden Zeichenseiten zueinander zwar konventionellkonventionell-einzelsprachlich festliegt, nicht aber »naturnotwendig«, sondern vielmehr arbiträrarbiträr = beliebigbeliebig = willkürlichwillkürlich ist: Keine Eigenschaft der InhaltsseiteInhaltsseite verlangt [fi<���Œ] oder [f<] als AusdrucksseiteAusdrucksseite, umgekehrt weist kein MerkmalMerkmal dieser Ausdrücke darauf hin, dass mit ihnen die InhaltsseiteInhaltsseite ‘4’ verknüpft ist. – Ausdrücke aus Kombinationen von AusdrucksseiteAusdrucksseiten wie [fIütse bzw. [f sind dagegen nicht völlig arbiträr, sondern teilmotiviertmotiviertteil-teilmotiviert, insofern sie zur InhaltsseiteInhaltsseite ‘14 (= 4 + 10 bzw. 10 + 4)’ hin »durchsichtigdurchsichtig« sind. Die einzelnen Bestandteile dieser Komplexe sind jedoch für sich genommen arbiträr.
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