(Nicht-Juden in Samaria)
Im Gebiet Samarias wohnten auch zahlreiche Nicht-Juden, vor allem in der größten Stadt Samaria/Sebaste, die 27 v. Chr. von Herodes dem Großen neu gegründet wurde und vollständig hellenisiert war. Die Bewohner dieser Stadt standen im 1. Judäischen Aufstand aufseiten der Römer (vgl. Josephus, bell. 2,460).
3.4 Propheten und Aufstandsbewegungen vor 66 n. Chr.
Nach der Übernahme der Verwaltung durch die Römer in Judäa und Samaria im Jahr 6 n. Chr. bzw. nach dem Tod Agrippas I. (44 n. Chr.) kam es in ganz Palästina wiederholt zu Versuchen, die römische Herrschaft abzuschütteln, sowie zum Auftreten einzelner prophetisch inspirierter Personen. Josephus berichtet über eine Reihe von entsprechenden Ereignissen, doch sind seine Darstellungen aufgrund seiner Verbindung zu den Römern zumeist deutlich negativ gefärbt.
(Judas der Galiläer)
Im Jahr 6/7 n. Chr. trat Judas der Galiläer auf (Josephus, bell. 2,118; ant. 18,1.4.9.23; vgl. Apg 5,37). Sein Widerstand begann, als der Statthalter von Syrien, Quirinius, anlässlich des Übergangs der Herrschaft von Herodes Archelaos auf den ersten römischen Präfekten eine Volkszählung ansetzte, die der Steuerberechnung diente. Hiergegen protestierte Judas der Galiläer öffentlich, doch schon 7 n. Chr. starb er eines gewaltsamen Todes. Seine Söhne, die den Kampf weiterführten, kamen zwischen 46 und 48 n. Chr. ebenfalls ums Leben (bell. 2,433; 7,253; ant. 20,1.102).
(Die Zeloten)
Auf Judas bzw. einen ansonsten unbekannten Pharisäer namens Zadok ging auch die Gruppe der Zeloten zurück, die während des 1. Jh. n. Chr. einen wichtigen Teil der Aufstandsbewegung in Palästina bildete. Der Begriff „Zeloten“ verweist auf das griech. Wort ζῆλος/zēlos („Eifer“). Die Zeloten verstanden sich als Eiferer für Gott und betrachteten die biblische Figur des Pinchas, der die ethnische und kultische Reinheit des Volkes Israel blutig eingefordert hatte (Num 25), als ihr Vorbild. Sie setzten sich für die Alleinherrschaft Gottes ein und hatten messianische Ambitionen. Auch unter den Jüngern Jesu war mit Judas ein ehemaliger Zelot (Lk 6,15; Apg 1,13).
(Sikarier)
Von der Gruppe der Zeloten nicht immer ganz eindeutig zu unterscheiden ist jene der Sikarier. Auch sie gehen auf die Zeit von Judas Galilaios zurück. Ihre Bezeichnung leitet sich von dem lat. Terminus sica für „Dolch“ ab, da sie im Schutze größerer Volksansammlungen ihnen missliebige Personen erstachen. Dieses Vorgehen richtete sich vor allem gegen Judäer, die mit den Römern sympathisierten.
(Der Samaritaner)
Neben diesen länger bestehenden Gruppen von Aufständischen erfahren wir vor allem durch Josephus auch von Einzelfiguren, die größere oder kleinere Anhängerschaften versammelten. So trat während der Verwaltungszeit des Pontius Pilatus (26–36 n. Chr.) ein namentlich nicht bekannter Samaritaner auf, der ankündigte, er werde die von Mose auf dem Berg Garizim versteckten heiligen Gefäße wiederfinden. Möglicherweise stand hinter dieser Ankündigung die Erwartung einer Wiederkehr des Mose. Nach Josephus (ant. 18,85–87) griffen viele Samaritaner, die dies als Anbruch der Heilszeit verstanden, zu den Waffen, doch wurden sie vernichtend geschlagen. Infolge der Brutalität seines Vorgehens wurde Pilatus von seinem Posten in Judäa und Samaria abberufen.
(Theudas)
Während der Statthalterschaft des Cuspius Fadus (44–46 n. Chr.) versuchte ein gewisser Theudas die Rückeroberung Israels (Josephus, ant. 20,97–99; vgl. Apg 5,36). Mit einer großen Zahl von Menschen ging er an das jenseitige Jordanufer, um von dort aus wie Josua das Land neu einzunehmen. Die Bewegung wurde gewaltsam niedergeschlagen.
(Der Ägypter)
Unter der Prokuratur des Antonius Felix (52–59 n. Chr.) mobilisierte ein nicht namentlich bekannter Diasporajude aus Ägypten eine Volksbewegung gegen die Römer. Josephus berichtet (ant. 20,169–172; bell. 2,261–263), dass unter seiner Führung 30.000 Menschen zunächst in die Wüste und anschließend auf den Ölberg gingen. Dort habe der Prophet angekündigt, dass auf sein Geheiß die Mauern einstürzen würden (ant. 20,170). Seine bewaffneten Anhänger könnten so die Stadt erobern und er selbst zum Herrscher werden. Tatsächlich töteten die Römer unter Mithilfe der Jerusalemer viele der Aufständischen, der Ägypter entkam aber. In Apg 21,38 wird Paulus daher von einem römischen Tribun gefragt, ob er jener Ägypter sei.
3.5 Die beiden Aufstände in Palästina
(Aufstände im Römischen Reich)
Die Aufstände der Judäer in Palästina (66–70 bzw. 132–135 n. Chr.) und in der Diaspora (115–117 n. Chr.; s. u. 3.7.3) waren nicht die einzigen Revolten von Völkern bzw. Stämmen gegen die römische Herrschaft. So hatte Tiberius in den Jahren 6–9 n. Chr. eine Erhebung in Pannonien und Dalmatien niedergeschlagen. Während seiner Regierungszeit als Kaiser wurde auch ein Aufstand gallischer Stämme beendet (21 n. Chr.). In der Zeit Neros erhoben sich die Britannier unter der Führung ihrer Königin Boudicca (60/61 n. Chr.) und im Vier-Kaiser-Jahr 69 n. Chr. die Bataver in Niedergermanien. Es ist allerdings bemerkenswert, dass kein anderes Volk die Herrschaft der Römer so nachdrücklich ablehnte wie die Judäer.
3.5.1 Der erste Aufstand (66–70 n. Chr.)
Die verschiedenen früheren Versuche, die Herrschaft der Römer abzuschütteln, die sich verschärfende soziale Situation sowie die gesteigerte Aggressivität der römischen Beamten führten dazu, dass die Lage in Palästina Mitte der 60er Jahre des 1. Jh. n. Chr. hoch angespannt war. Dies zeigte sich außer in den Gewalttaten durch Zeloten und Sikarier und den Aufstandsversuchen auch an dem Propheten Jesus ben Ananias, der das Ende Jerusalems prophezeite (s. u. S. 120).
(Auslöser des Aufstands)
Zwei Ereignisse führten im Jahr 66 n. Chr. schließlich zum Aufstand: Erstens hatte der Prokurator Gessius Florus (64–66 n. Chr.) einen Teil des Tempelschatzes entnommen und damit sowohl die religiösen Gefühle der Judäer als auch die ökonomische Kraft des Tempels, der auch als Bank fungierte (Josephus, bell. 2,293), verletzt. Zweitens hatte Gessius Florus blutige Unruhen nicht unterbunden, die in Caesarea Maritima zwischen Juden und Nicht-Juden aus Streit über das Bürgerrecht ausgebrochen waren (bell. 2,284–292). Agrippa II. versuchte noch zu vermitteln (bell. 2,233–405), blieb aber erfolglos. Der eigentliche Aufstand begann im Frühjahr 66 n. Chr. (bell. 2,409f.), nachdem die Priester, angestachelt durch einen gewissen Eleazar, sich weigerten, weiterhin Opfer für das Wohlergehen des Kaisers im Jerusalemer Tempel darzubringen.
(Erste Erfolge)
Jerusalem wurde von den Aufständischen rasch erobert, die römischen Soldaten getötet und der amtierende Hohepriester Ananias, der eine friedliche Lösung wollte, ermordet. Das erste Eingreifen der Römer unter Cestius Gallus von Syrien aus wurde zum militärischen Desaster, sodass die Begeisterung unter den Judäern für den Aufstand stark zunahm. Es entzündete sich daraufhin überall der Zorn der Bevölkerung gegen die Besatzung, auch in Samaria. Dabei hatten vor allem die Zeloten eine Leitfunktion. Sehr früh kam es aber auch zu Auseinandersetzungen unter den Aufständischen. Dennoch gelang es zunächst, die römischen Truppen in die Defensive zu drängen.
(Der Beginn der Niederschlagung / Josephus und Vespasian)
67 n. Chr. wurde Vespasian von Nero zum Befehlshaber bestellt. Die römische Streitmacht wurde auf ca. 60.000 Mann erhöht, sodass nun mit aller militärischen Macht gegen den Aufstand vorgegangen werden konnte. Die hellenistisch geprägte Stadt Sepphoris in Galiläa distanzierte sich daraufhin ganz von der Rebellion, und auch die lokalen Eliten anderer Städte Galiläas rieten zur Aufgabe. In den ländlich geprägten Regionen wurde allerdings – u. a. auch mit religiöser Begründung – der Kampf geführt (vgl. Josephus, Vita 134f.). Die römischen Truppen eroberten bis Ende 67 n. Chr. alle Städte und Festungen Galiläas, zuletzt Gischala im Norden. Bereits zu Beginn war in Jotapata auch der lokale Kommandant Josephus gefangen genommen worden. Er wurde nach dem Krieg in den Haushalt des späteren Kaisers Vespasian aufgenommen – daher der Name Flavius Josephus – und verfasste ausführliche Berichte über den Verlauf des ersten Aufstands.
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