Oliver Ruf
Kreatives Schreiben
Eine Einführung
A. Francke Verlag Tübingen
A. Francke Verlag Tübingen
[5]» Ein AutorAutor, der die SchriftstellerSchriftsteller nichts lehrt, lehrt niemanden.Also ist maßgebend der Modellcharakter der Produktion, der andere Produzenten erstens zur Produktion anzuleiten, zweitens einen verbesserten Apparat ihnen zur Verfügung zu stellen vermag. Und zwar ist dieser Apparat um so besser, je mehr er Konsumenten der Produktion zuführt […].« Walter BenjaminBenjamin, Walter, Der AutorAutor als Produzent(1934) »Der Begriff Handwerk ist eine Metapher. BücherBuch bestehen nicht aus Schrauben und Bolzen, es wird nicht gefeilt, und letztlich gibt es nichts, was tatsächlich der physischen Fertigkeit eines routinierten Experten manueller Arbeit entsprechen würde. Aber natürlich, wie in allen Dingen spielt auch hier Übung eine Rolle. Und wie in allen Dingen bewahrt sie einen nicht vor dem Versagen. Auch lernt man beim Schreiben nicht kontinuierlich, sondern in Sprüngen. Nach langer Zeit des Suchens hat man plötzlich Erkenntnisse, zuweilen fast Erleuchtungen, in denen man sich darüber klar wird, was man tun kann und wie die eigene Arbeit aussehen könnte. Das ist oft verbunden mit Sätzen, die man liest oder die einem jemand sagt. Ich habe immer gerne gehört, was AutorenAutor über ihre Arbeit äußern.« Daniel KehlmannKehlmann, Daniel, Diese sehr ernsten Scherze(2006/2007) [11]Einleitung Diskussionen über den AnwendungscharakterAnwendungscharakterAngewandte künstlerische Wissenschaft von im weitesten Sinne ›künstlerischen‹ Fächern haben sich in jüngerer und jüngster Zeit auf die Frage nach der Herstellung von Zusammenhängen und Synergien zwischen ästhetischen Disziplinen, Theorie und Praxis, Konzept, EntwurfEntwurf und Technik, Produktion, Rezeption und Vermittlung konzentriert: Künstlerisches Können erweist sich als ein dynamischer Lehr- und LernprozessLernprozess, der sich aus Werkkonzeption und domänen-spezifischem Wissen ebenso speist wie aus arbeitsrelevanten Rahmenbedingungen.1 Geht es dabei um gestalterische KommunikationskompetenzKommunikationskompetenz und phänomenologisch-ästhetische Schulung im Hinblick auf die Entstehung sprachkünstlerischer Werke bzw. allgemein textueller Gebilde, rücken insbesondere solche Arbeitsprozesse ins Zentrum, welche die Produktion von ›Texten‹ betreffen2TextproduktionMolitor-Lübbert, Sylvie und die heute oftmals unter dem Schlagwort des ›Kreativen Schreibens‹ subsummiert werden. Das vorliegende BuchBuch nimmt sich in diesem Zusammenhang vor, ein Defizit zu beheben, das in der vielfältigen Auseinandersetzung mit dem Gegenstand des Kreativen Schreibens mittlerweile offensichtlich geworden ist; angestrebt wird, eine Lücke zu schließen, die trotz der Beliebtheit und des Erfolgs der fokussierten ›Disziplin‹ im deutschsprachigen Raum nach wie vor besteht.3Glindemann, Barbara Denn so selektiv die Auseinandersetzung mit Verfahren und Ausrichtungen [12]des Kreativen Schreibens heute erscheint, so einseitig und unklar erweisen sich entsprechende Arbeiten zum Thema, in denen es entweder um handwerkliche Versprechen geht, etwa ›garantiert‹ schreiben zu lernenGarantiert schreiben lernenGarantiert schreiben lernen,4Garantiert schreiben lernen oder um den Versuch, einzelne Strömungen des Kreativen Schreibens zu benennen bzw. zusammen zu führen.5Glindemann, BarbaraWerder, Lutz vonLiteraturgeschichte Was bislang allerdings versäumt wurde, ist die einführende Darstellung des Kreativen Schreibens – eine Intention, die das vorliegende Buch verfolgt und erstmalig in geschlossener FormForm vorstellen möchte. Der Bedarf nach einem Einführungsbuch in das Kreative Schreiben rechtfertigt sich bereits mit Blick auf die neuen Bachelor- und Master-Studiengänge, in denen ausdrücklich die bereits eingangs erwähnte Anwendungs-Perspektive der jeweiligen Wissenschaft hervorgehoben, d.h. vor allem die spätere berufspraktische Relevanz unterstrichen wird.6Praxisbezug Gerade diese Forderung befördert das Themenspektrum des Kreativen Schreibens, zumal man sich mit dessen Hilfe für ganz unterschiedliche BerufsfelderBerufsfeldBerufsqualifizierungBerufsqualifizierung schon während des Studiums qualifizieren kann: im Bereich von Kommunikations- und TextdesignTextdesign, von (Kultur-)JournalismusJournalismus, Journalistik, Marketing und PR, von Schule, Hochschule und künstlerischen Berufen in Theater, FilmFilm, Hörfunk, Fernsehen, als Literatur- und Kulturvermittler, in jedem Medienberuf, in denen AutorschaftAutorschaft unabdingbar ist, oder naturgemäß als freier SchriftstellerSchriftsteller.7Werder, Lutz von Aber nicht erst die genannte aktuelle Entwicklung im deutschen HochschulbetriebHochschulbetrieb hat zu einer Wiederbesinnung auf und einer Renaissance des Kreativen Schreibens geführt. Viele Universitäten im deutschsprachigen In- und Ausland erkennen seit einigen Jahren die Bedeutung der Ausbildung einer SchreibkompetenzSchreibkompetenz für Studierende aller FächerVermittlung von Schreibkompetenz und haben diese daher in die jeweiligen Curricula aufgenommen, weshalb auch zahlreiche universitäre Schreibzentren gegründet worden sind, die neben den fachwissenschaftlichen [13]Instituten existieren oder in diese integriert werden konnten.8HildesheimBräuer, GerdTextkompetenz In der Beschreibung eines BMBF-Projekts an der Fakultät für Linguistik und LiteraturwissenschaftLiteraturwissenschaft der Universität Bielefeld heißt es etwa, eine entscheidende Qualifikation des B.A.-Studiums sei die Verbesserung und Professionalisierung der schriftlichen Ausdrucksfähigkeit; die Vermittlung von Schreibkompetenz gehöre zu den Grundlagen jeder fachwissenschaftlichen Ausbildung, insbesondere im Hinblick auf die dadurch ausgebildeten Experten für textuell und schriftlich basiertes Wissen.9 Mittlerweile gibt es zudem zwei universitäre Hochschulstandorte in der Bundesrepublik, an denen Kreatives Schreiben als eigenständiger universitärer StudiengangStudiengänge und Studienmodelle angeboten wird: am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig (Studiengang Literarisches Schreiben) und an der Universität HildesheimHildesheim, Universität (Studiengang Kreatives Schreiben und KulturjournalismusKulturjournalismus).10 Hinzu kommen eine Reihe von Fachhochschulen bzw. Hochschulen für Angewandte WissenschaftenAngewandte Wissenschaft11 und zahlreiche integrale Studienmodule, die sich dem Kreativen Schreiben u.a. im Zusammenhang mit berufsfeldbezogener Kommunikationsfähigkeit sowie Vermittlungs- und Förderfähigkeiten zuwenden. Insbesondere an all jenen Universitären, die einen Schwerpunkt im Bereich der Sprach-, Literatur- [14]und Mediendiaktik setzen,12 ist Kreatives Schreiben meist elementarer Bestandteil der Studien- und Prüfungsordnungen. Dass eine solche Entwicklung den Bedarf eines Einführungsbandes Kreatives Schreiben rechtfertigt, ist evident; dass der impliziten Erforderung eines solchen BuchesBuch bisher noch nicht nachgekommen wurde, ist erstaunlich. Was aber heißt Kreatives Schreiben? Wo ist es entstanden? Was umfassen dessen Theorien und wie gestaltet sich dessen Praxis? Für welche beruflichen Felder ist Kreatives Schreiben tatsächlich relevant und vor allem wie? Welche Schlussfolgerungen ergeben sich daraus für die Erforschung des Kreativen Schreibens? Und was bedeutet dies alles für das dann doch immer noch gespannte Verhältnis zwischen dem Kreativen Schreiben und der LiteraturwissenschaftLiteraturwissenschaft? Indem der vorliegende Einführungsband solchen Fragen nachgeht, nimmt er gegenüber der bisherigen Auseinandersetzung mit dem Gegenstand eine deutliche Akzentverschiebung vor. Einerseits verlagert er das ErkenntnisinteresseVerlagerung des Erkenntnisinteresses von rein handwerklich ausgerichteten Aspekten, wie sie vornehmlich die Ratgeberliteratur thematisieren,13Porombka, Stephan zur Frage nach der systematischen Begriffsbestimmung (Kapitel 1) sowie nach der Geschichte (Kapitel 2), ästhetischen Theorie (Kapitel 3) und angewendeten Praxis (Kapitel 4) des Kreativen Schreibens.
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