|
Konvergenz |
Divergenz |
Aussage |
Abnahme bzw. Angleichung kultureller Unterschiede |
Zunahme bzw. Beständigkeit kultureller Unterschiede |
Konsequenz |
kulturelle Homogenität |
kulturelle Heterogenität |
Vertreter |
»Universalisten« |
»Kulturalisten« |
Management |
Management existiert unabhängig vom kulturellen Umfeld |
Management ist geprägt vom kulturellen Umfeld |
Gefahren |
Negierung des Einflussfaktors Kultur kann zu interkulturellen Missverständnissen und Problemen führen |
Überbewertung des Einflussfaktors Kultur kann zu einseitigen, nachträglich vorgeschobenen Erklärungsmustern führen |
Tab. 3: Konvergenz und Divergenz im Interkulturellen Management (Barmeyer 2000, 38)
Die ethnozentrische Haltung, Kulturunterschiede im Management zu unterschätzen, basiert auf einer der Konvergenzthese entsprechenden »Ähnlichkeitsannahme« (Barmeyer 2012a). Diese trifft vor allem auf Gesellschaften zu, die geografisch oder kulturell nah erscheinen. Je intensiver aber die Beschäftigung mit einer anderen Kultur ist, desto größer kann das Bewusstsein der Unterschiedlichkeit werden, was die Divergenzthese stützt: »Many cultures that appear quite similar on the surface, frequently prove to be extraordinarily different on closer examination« (Hall 1983, 7).
Verschiedene weltweit vergleichende Länder-Studien und Indizes wie Corruption Perception Index, Doing Business, Global Innovation Index, Global Creativity Index oder Global Gender Gap Report weisen auf ausgeprägte kulturelle und institutionelle Divergenzen hin, die Auswirkungen auf internationale Organisationen haben können: Während angelsächsische und nordwesteuropäische Unternehmen beispielsweise strenge Compliance-Vorschriften bezüglich Korruption aufweisen, werden in anderen Ländern durch sogenanntes »korruptes« Verhalten (Geschenke, Einladungen, »Schmiergeld«) Geschäfte überhaupt erst möglich. Ebenso schränken administrative Barrieren die Tätigkeit von Organisationen ein oder können sie sogar behindern. Auch Kreativität und Innovation sind in den Ländern sehr unterschiedlich ausgeprägt. Diese Unterschiedlichkeit trifft auch auf Geschlechterverhältnisse, insbesondere Rollenerwartungen und Karrierechancen, von Frauen und Männern in Organisationen zu.
Sicherlich weisen diese weltweiten Länderindizes, die übrigens meist von westlichen Organisationen erstellt werden, auch eine kulturelle Abweichung auf: Dazu gehört die Grundannahme der Transparenz und Vergleichbarkeit von gesammelten Daten auf Grundlage eines positivistischen Paradigmas, samt dem Glauben an die Erstellung etischer Vergleichskategorien. Trotz aller Kritik geben diese Länder-Indizes eine gewisse Orientierung und zeigen die bestehende kulturelle Divergenz auf, mit der sich international agierende Organisationen beschäftigen müssen.
Mesokontext: Internationale Organisation
Als soziale Gebilde (Mayntz 1963; Chanlat 1990) sind Organisationen zentrale Orte zwischenmenschlichen, beruflichen und auch interkulturellen Handelns. Eine Organisation wird verstanden als soziales System von Akteuren, die Ressourcen und Kompetenzen aufweisen und unter bestimmten strukturellen und strategischen Voraussetzungen zur Erreichung von Zielen beitragen (March/Simon 1958; Mayntz 1963; Schreyögg 2012). Der Stellenwert von Organisationen im menschlichen Leben ist prägend:
»Wir leben in einer Organisationsgesellschaft. Die meisten von uns sind in einer Organisation auf die Welt gekommen, und die meisten von uns werden in einer sterben. Zwischen diesen Ereignissen haben wir sehr viel mit Organisationen zu tun. In Organisationen werden wir erzogen und ausgebildet. Fast alle Produkte und Dienstleistungen, die wir erwerben, stammen von Organisationen. Organisationen sind unausweichlich. Organisationen bestimmen weitgehend, welche Leistungen uns zur Verfügung stehen, und sie legen auch fest, zu welchen Bedingungen wir diese Leistungen in Anspruch nehmen können. Dies hat sowohl ganz konkrete, unmittelbare Konsequenzen für unser persönliches Verhalten als auch weitreichende gesamtgesellschaftliche Implikationen.« (Kieser/Walgenbach 2010, 24–25)
Insofern umschließt das Konzept Organisation nicht nur Unternehmen, die eine Gewinnabsicht verfolgen, sondern auch andere soziale Systeme wie Schulen und Hochschulen, Krankenhäuser, Behörden und Verwaltungen oder internationale Organisationen.
In diesem Buch stehen vor allem erwerbswirtschaftliche Organisationen, Unternehmen, im Vordergrund. Dies hat zum einen mit der Tradition des Interkulturellen Managements zu tun, das sich in der Vergangenheit vor allem auf Unternehmen bezogen hat (Smith et al. 2008). Zum anderen sind die meisten empirischen Arbeiten in Unternehmenskontexten entstanden; wenn auch zunehmend Forschungen zur Interkulturalität in Behörden (wie etwa Polizei oder Bundeswehr), in öffentlichen Betrieben und auch in NGOs (nicht-staatliche Organisationen) entstehen. Viele Merkmale von Organisationen, wie Ziele, Strategien, Strukturen, Prozesse und Kulturen, die sich in sozialen Systemen generell finden, gelten für erwerbswirtschaftliche und andere Formen von Organisationen.
Internationalisierung und Globalisierung haben in vielerlei Hinsicht das traditionelle Weltbild der kohärenten, kontinuierlich gewachsenen und relativ stabilen Organisation ins Wanken gebracht. Globalisierung bedeutet, Aktivitäten mit weltweiten Märkten von Kunden und Shareholdern und damit auch weltweiter Wettbewerb um Marktanteile, Produkte, Dienstleistungen und Mitarbeiter. Organisationen, vor allem multinationale Unternehmen, entwickeln sich somit durch Zunahme ihrer Geschäftstätigkeit nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland, etwa durch die Gründung oder den Erwerb von Tochtergesellschaften (Schmid 1996). Dies führt dazu, dass so manches Unternehmen vom »Heimspieler« zum »Global Player« wurde und sowohl mit interkulturellen externen Herausforderungen internationaler Märkte als auch mit interkulturellen internen Anforderungen von Organisationen und Mitarbeitern konfrontiert ist.
Um dem steigenden Konkurrenzdruck standzuhalten, suchen Unternehmen nach adäquaten wettbewerbsfähigen Globalisierungsstrategien. Dabei lautet die Strategie der Unternehmen vor allem: Marktmacht und scheinbare Stabilität durch Größe sowie geographische und funktionale Diversifizierung. Dies schlägt sich in den angestrebten internationalen Kooperationsformen nieder. Hier hat in den letzten Jahren nicht nur die Intensität der Kooperationsbeziehungen zugenommen, sondern ebenso wurden viele der bisher vorherrschenden lockeren Kooperationsformen durch organisationelle Veränderungen und Zusammenschlüsse, wie etwa Unternehmensübernahmen, Joint-Ventures und Fusionen, abgelöst (Urban/Mayrhofer 2001).
Die Gestaltung einer internationalen Organisation hängt unter anderem von der strategischen Ausrichtung, aber auch von der Landes-, Branchen- und Organisationskultur ab (Perlmutter 1969; Bartlett/Ghoshal 1997; Evans et al. 1989; Wächter/Peters 2004). Diese komplexen Konstellationen haben dazu geführt, dass weltweit tätige Großunternehmen bei ihrer Geschäftstätigkeit häufig kostenintensive Misserfolge und Überraschungen erfuhren, wie es in der Vergangenheit erfolglose Zusammenschlüsse wie Alcatel-Lucent, BMW-Rover, DaimlerChrysler, Renault-Volvo, Siemens-Areva, VW-Suzuki gezeigt haben. Gründe für diese Misserfolge werden von Führungskräften, Unternehmensberatern und Wissenschaftlern seit Jahren im Rahmen des Interkulturellen Managements untersucht. Dabei scheinen sowohl Unterschiede der National- als auch der Organisationskultur wie auch die von den beteiligten Akteuren erfahrene Interkulturalität eine Rolle zu spielen. Gleichwohl existieren, wenn auch weniger, erfolgreiche internationale Fusionen oder Allianzen, wie Airbus, Air-France-KLM oder Renault-Nissan, denen es gelungen ist, mit den interkulturellen Herausforderungen konstruktiv umzugehen.
Читать дальше