Das Buch lässt Interkulturalität nicht im abstrakten Raum stehen, sondern kontextualisiert sie, d. h. es erfolgt eine konkrete Einordnung interkultureller Situationen sowohl funktionaler, akteurspezifischer als auch kultureller Art, die auch – in der Interkulturellen Managementforschung häufig vernachlässigte – Einflussfaktoren wie Macht und Interessensgegensätze berücksichtigt. Gesamtzusammenhänge, die sich auch aus institutionellen Besonderheiten und sozialhistorischen Strukturen und Traditionen ergeben, werden ebenso berücksichtigt wie Wirkungsketten.
Hiermit verbunden ist der systemische Ansatz des Lehrbuchs. Immer wieder wird die Perspektive einer Metaebene eingenommen, um in der Wahrnehmung und Analyse eine gewisse Objektivität und Neutralität zu erreichen. Es geht um eine ganzheitliche Betrachtung von Phänomenen in kulturell-sozialen Systemen unter Betrachtung der Kontexte, Akteure und ihrer wechselseitigen Beziehungen. Systemisch bedeutet auch, dass nicht nur der Zustand von Systemen analysiert wird, sondern dass auch die Gestaltung von Systemen Betrachtungsobjekt wird.
Die Ausrichtung des Buches ist – entsprechend der Tradition der Universität Passau – interdisziplinär, was bedeutet, dass Phänomene der Interkulturalität anhand verschiedener Wissenschaftsdisziplinen wie Kulturanthropologie, Psychologie, Soziologie, Organisations- und Managementforschung und der Kommunikationswissenschaft analysiert und interpretiert werden. Diese Disziplinenvielfalt ermöglicht ein multiperspektivisches Verständnis interkultureller Wirklichkeiten.
Da Interkulturalität und auch Management einen starken sozialen empirischen Wirklichkeitsbezug aufweisen, stellt das Buch eine Kombination von Forschung und Praxis dar: Theoretische Fundierungen in Form von Erkenntnissen und Ergebnissen der Wissenschaft werden bereichert durch Erfahrungen der Praxis. So dienen Beispiele aus dem Arbeits- und Organisationsalltag zur Illustration und Anwendung von Konzepten und Modellen. Im Sinne des Konstruktiven Interkulturellen Managements finden sich im Buch Gestaltungsempfehlungen.
Insgesamt integriert das Buch viele Ideen, Erfahrungen und Erkenntnisse meiner Publikationen der letzten beiden Jahrzehnte zum Interkulturellen Management und hat damit einen programmatischen Charakter.
Wie Konstruktives Interkulturelles Management entwickelt wird
Dieses Buch gibt einen umfassenden Einblick in die Vielfalt Interkultureller Managementansätze, Modelle und Praktiken in unterschiedlichen Handlungskontexten und zeigt systemische Zusammenhänge auf. Nancy Adler, eine der Pionierinnen des Forschungs- und Praxisfeldes, die sich seit den 1980er Jahren mit Interkulturellem Management beschäftigt, gibt folgende Definition:
»Cross-Cultural Management studies the behavior of people in organizations around the world and trains people to work in organizations with employees and client populations from several cultures. It describes organizational behavior within countries and cultures; compares organizational behavior across countries and cultures; and, perhaps most importantly, seeks to understand and improve the interaction of co-workers, clients, suppliers, and alliance partners from different countries and cultures.« (Adler 2008, 13)
Ganz im Sinne der Definition Adlers wird Interkulturelles Management als Gestaltungsoption interkultureller Zusammenarbeit zum einen als Interaktion von Individuen verstanden, zum anderen steht der evolutionäre Entwicklungsaspekt von sozialen Systemen im Vordergrund. Es geht also um die konstruktive Gestaltung von Interkulturalität in ihrer vielschichtigen Dynamik. Sie umfasst drei Schritte ( Tab. 1), die auch die Struktur des Buches darstellen und sich in der Gliederung des Buches wiederfinden.
Schritt |
Funktion/Ziel |
Konkretisierung |
Instrumente |
1.Bewusstwerden und Verstehen |
Theoretisierung und Wissen über interkulturelle Wirklichkeit sowie ihre Interpretationen |
Kulturelle Unterschiede und Besonderheiten werden bewusst wahrgenommen, reflektiert und verstanden |
Theoretische Modelle und Konzepte zur Strukturierung und kritischen Einordnung |
2.Erfahren und Begreifen |
Illustration und Erleben interkultureller Wirklichkeit |
Funktionen und Rollen in der Organisation werden gelebt |
Studienergebnisse und Praxisbeispiele zur Illustration und Kontextualisierung |
3.Gestalten und Handeln |
Fähigkeiten, um interkulturelle Wirklichkeit zu beeinflussen |
Handlungsoptionen und Strategien werden entwickelt und ausgeführt |
Konzepte, Praktiken, Instrumente und Methoden zur Entwicklung konstruktiver Interkulturalität |
Tab. 1: Gesamtrahmen konstruktiver Interkulturalität in Organisationen
In diesem Sinne wird Konstruktives Interkulturelles Management (KIM) definiert als der bewusste Umgang mit Kulturspezifika und kultureller Vielfalt in organisationalen Kontexten, bei dem es durch gegenseitige Anpassungs- und Entwicklungsprozesse gelingt, Spezifika als bereichernde und sich ergänzende Ressourcen konstruktiv so zu nutzen, dass ein Mehrwert für die Organisationen und ihre Akteure entsteht.
Aus Gründen der Lesbarkeit dieses Buches wird im Text durchgehend die männliche Form verwendet, was jedoch nicht auf eine Diskriminierungsabsicht von Frauen durch männliche Dominanz schließen lassen soll.
Wem Dank gebührt
Dieses Buch basiert neben einer Fülle aus Literatur unterschiedlichster Disziplinen, Zeiten sowie Sprach- und Kulturräumen auch auf zahlreichen Gesprächen und Aktivitäten mit Studierenden aus vielen Ländern, allen voran den Kulturwirtschaft-Studierenden der Universität Passau, aber auch Kollegen, die zu Interkulturalität, Internationalität und Organisationen forschen, Beratern und Trainern, die zu interkultureller Kompetenzentwicklung in Organisationen beitragen, und vielen Freunden, die biografisch oder beruflich von Interkulturalität betroffen und fasziniert sind. Diesen Akteuren sei ganz herzlich gedankt!
Besonders danken möchte ich an dieser Stelle vier Personen: Vor allem Volker Stein, Inhaber des Lehrstuhls für Personalmanagement und Organisation an der Universität Siegen, dem dieses Buch viele zentrale Anregungen und Ratschläge, Ermunterungen, redaktionelle Verbesserung und nötige Kürzungen verdankt und der die Fertigstellung des Buches bei einem abschließenden »Power-Buch-Workshop« an der Universität Passau mit meinen Lehrstuhlmitarbeitern und Studierenden koordinierte. Eric Davoine, Inhaber des Lehrstuhls für Personalmanagement und Organisation an der Université Fribourg, mit dem ich in langjähriger und intensiver Zusammenarbeit viele empirische Studien in bikulturellen Organisationen durchführte und der meine Forschungsperspektiven immer wieder erweiterte. Madeleine Bausch, Mitarbeiterin und Doktorandin an meinem Lehrstuhl, die in der Endphase des Buches meine Manuskripte mit Ausdauer, Geduld und Geschick bearbeitet hat. Ulrike Haupt, die als Interkulturalistin und kritische Gesprächspartnerin immer wieder wertvolle Beiträge geliefert hat und die unter dem mehrjährigen Buchschreiben ihres Gattens gelitten hat.
Auch die seit 20 Jahren wiederholt stattfindenden Begegnungen und Diskussionen mit Interkulturalitäts- und Organisationsforschern in Nordamerika und Westeuropa haben diesem Buch viele Impulse gegeben. Fasziniert von diesen Personen und ihren Ideen möchte ich nennen: Nancy Adler, Milton Bennett, Jürgen Bolten, Jean-François Chanlat, Sylvie Chevrier, Jacques Demorgon, Edoardo Ghidelli, Peter Franklin, Martin Heidenreich, Geert Hofstede, Philippe D’Iribarne, Elias Jammal, Allain Joly, André Laurent, Ulrike Mayrhofer, Vincent Merk, Alois Moosmüller, Bernd Müller-Jacquier, Hannes Piber, Laurence Romani, Eberhard Schenk, Stefan Schmid, Jean-Pierre Segal, Alexander Thomas, Sabine Urban, Jean-Claude Usunier.
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