2.3 Digitale Sammlungen und Editionen
Internet und Digitalisierung haben die Suche nach Quellen einerseits erleichtert. Andererseits verliert man in der schieren Unübersichtlichkeit der Angebote leicht den Überblick. Insbesondere in der scheinbar mühelosen Verfügbarkeit liegen Gefahren. So verführerisch es ist, eine Suchanfrage bei Google abzuschicken und dem erstbesten Treffer zu folgen, so groß ist auch die Gefahr, aufs Glatteis zu geraten.
„Der Staatshaushalt muss ausgeglichen sein. Die öffentlichen Schulden müssen verringert werden. Die Arroganz der Behörden muss gemäßigt und kontrolliert werden. Die Zahlungen an ausländische Regierungen müssen reduziert werden, wenn der Staat nicht Bankrott gehen will.“ Auf unzähligen Webseiten finden Sie dieses oder ein ähnliches Pseudo-„Zitat“ dem römischen Staatsmann Cicero zugeschrieben – gerne garniert mit dem Verweis, dass schon die alten Römer eine Diskussion zur Staatsschuldenproblematik geführt hätten. Sie werden jedoch nirgends eine konkrete Stellenangabe zu diesem Zitat finden, aus gutem Grund: Es ist nämlich eine Fälschung! Sie wird dank zügellosem Copy-and-Paste wohl für alle Zeiten durch das Netz geistern; Sie als quellenkritischer Historiker werden dieser Fälschung aber nicht auf den Leim gehen.
Selbstverständlich gibt es zahlreiche seriöse, wissenschaftliche Angebote im Netz, die Ihnen den Zugang zu Quellen und Literatur erleichtern. Man kann dabei grob zwei Sorten unterscheiden: einerseits digitalisierte Versionen analoger Angebote, andererseits neu erstellte digitale Quelleneditionen. Zur ersten Gruppe gehören etwa die Digitalisate der Monumenta Germaniae Historica, aber auch Ebook-Ausgaben diverser Quellenautoren. Zur zweiten Gruppe zählen explizite Online-Publikationen (wie die antiken Inschriften von Aphrodisias: http://insaph.kcl.ac.uk), Digitalisate von Bildmedien (Postkarten, Handschriften, wie sie etwa die Bayerische Staatsbibliothek anbietet: https://www.digitale-sammlungen.de, zum Ersten Weltkrieg auch die Württembergische Landesbibliothek: http://www.wlb-stuttgart.de/sammlungen/bibliothek-fuer-zeitgeschichte/themenportal-erster-weltkrieg) und manches mehr.
Abb. 3: Screenshot: Themenportal Erster Weltkrieg, Württembergische Landesbibliothek Stuttgart
Angesichts der Bandbreite und Volatilität digitaler Angebote wäre eine heutige Auflistung morgen schon überholt. Statt einer repräsentativen Darstellung finden Sie im Folgenden daher Anhaltspunkte, mit denen Sie wissenschaftlich brauchbare Angebote auch künftig selbst identifizieren können:
Fragen Sie sich, was und wozu Sie etwas suchen. Anders gesagt: nicht ziellos googeln, sondern überlegen, welche wissenschaftlichen Institutionen besonders eng mit Ihrem Thema verbunden sind.
Achten Sie darauf, wo Sie suchen. Nutzen Sie nicht nur die freie Internetsuche via Google oder in anderen Suchmaschinen, sondern bemühen Sie vor allem die einschlägigen Fachportale.
Achten Sie auf die Urheber der Quellen sowie der Edition. Seriöse Angebote lassen sich immer zuordnen, in der Regel zu wissenschaftlichen Einrichtungen (Universitäten, Akademien, Fachportale) oder als Produkte wissenschaftlicher Fachverlage.
Achten Sie auf Quellenangaben! Ohne diese sind Online-Quellen nicht brauchbar.
Achten Sie auf die Aufbereitung der Quelle selbst: Genügt sie wissenschaftlichen Ansprüchen an eine kritische Edition?
Kurzum
Entscheidend ist: Die Grundregeln wissenschaftlicher Recherche gelten auch und gerade im Digitalen!
2.4 Quellenrecherche konkret
Die Formen der Recherche sind vielfältig. Unterscheiden lassen sich unter anderem eine unsystematische und eine systematische Suche. Unsystematisch bedeutet dabei keineswegs unüberlegt, sondern bezeichnet eine mit einem Zufallsfund ansetzende Recherche, die in sich systematisch verläuft – während die systematische Suche einen gezielten Ansatzpunkt wählt, abhängig von den Vorkenntnissen des Suchenden. Wer sich bereits gut auskennt, kann anders einsteigen als jemand, der erst am Anfang seiner Studien beziehungsweise seines Studiums steht!
Die unsystematische Suche
Der Einstieg in die unsystematische Suche kann vielfältig sein. Meist verweisen Handbücher und Gesamtdarstellungen Sie auf vielversprechende Quellen (Einführungswerke weniger, da in der Regel ohne Anmerkungsapparat). Häufig lohnt es sich auch, direkt in Textausgaben von Quellen zu stöbern, die Sie im Seminar auszugsweise gelesen haben. Schauen Sie getrost nach, was Sie vor und nach den behandelten Stellen noch finden – wenn etwas nicht im Seminar behandelt worden ist, heißt das noch lange nicht, dass es nicht aufschlussreich wäre. Hochschullehrer und Lehrer müssen bei der Quellenauswahl immer auch pädagogisch-praktische Erwägungen wie den Zeitrahmen einer Sitzung im Blick behalten. Quellensammlungen thematischer oder chronologischer Art eignen sich ebenfalls für eine erste Suche. 21 Achten Sie allerdings darauf, dass viele solcher Sammlungen vor allem auf bequeme Zugänglichkeit ausgelegt sind und daher den Anforderungen an eine wissenschaftliche Quellenedition mitunter nicht genügen. Schließlich können Sie selbstverständlich auch auf das Internet zurückgreifen: vorausgesetzt, Sie nutzen einschlägige Fachportale und etablierte Datenbanken als Ausgangspunkt.
Die unsystematische Suche ist vor allem zur ersten Orientierung und zur Inspiration bei der thematischen Eingrenzung hilfreich. Verlassen Sie sich aber niemals auf die unsystematische Recherche, sondern ergänzen Sie sie unbedingt mit einer systematischen Recherche über die einschlägige Literatur. Sonst laufen Sie womöglich Gefahr, wichtige Quellen für Ihr Thema zu übersehen.
Die systematische Suche
Wenn Sie sich bereits für ein hinreichend konkretes Thema entschieden haben, wissen Sie unter Umständen schon, dass Sie bestimmte Quellen benötigen. In diesem Fall durchforsten Sie gezielt die entsprechenden Editionen oder suchen in den Beständen eines bestimmten Archives.
Für eine Untersuchung des Kriegsausbruches im Juli 1914 können Sie etwa gezielt die Diplomatischen Akten des Auswärtigen Amtes nach interessanten Funden durchsehen – oder die Presseberichte jener Tage, die Sie zum Teil gedruckt, zum Teil digitalisiert vorfinden. Oder Sie nutzen die Motive von Feldpostkarten als Quellen für die Untersuchung der vermeintlich allgemeinen Kriegsbegeisterung. Vielleicht zieht es Sie aber auch in ein Archiv, wo der Nachlass eines Zeitzeugen auf Sie wartet. Fündig werden könnten Sie jeweils etwa in:
Einschlägigen gedruckten Editionen 22
Archiven: in staatlichen Archiven (etwa: https://ersterweltkrieg.bundesarchiv.de) oder in Archiven großer Zeitungen (wie etwa der Londoner „Times“: http://gale.cengage.co.uk/times.aspx)
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