Auflage Seit der ersten Auflage dieses Buches sind nun zehn Jahre vergangen. In diesen zehn Jahren wurde nicht nur ein aktualisiertes Klassifikationssystem eingeführt, das DSM-5, es hat sich auch eine Reihe an neuen Erkenntnissen und Befunden im Bereich der Klinischen Kinder- und Jugendpsychologie ergeben. Auf der einen Seite wurde durch die Überarbeitung der Klassifikation eine schärfere und klarere Abgrenzung psychischer Schwierigkeiten vorgenommen und auf der anderen Seite fanden aktuelle Störungsbilder Berücksichtigung. Zudem wurde in den letzten Jahren weltweit die Forschung zu Möglichkeiten der Prävention und Intervention verstärkt und erweitert. Die medikamentöse Behandlung psychischer Störungen wird infolge der stärkeren Betonung evidenzbasierter Medizin heute wesentlich kritischer beurteilt und andererseits werden die Möglichkeiten von Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen viel positiver gesehen. In diesem Bereich haben sich so viele Weiterentwicklungen ergeben, dass wir heute bei vielen klinischen Störungen von einer deutlich positiveren Aussicht in Bezug auf die Wirksamkeit von Psychotherapie ausgehen können. Es hat sich die Annahme bestätigt, dass Kinder und Jugendliche durch eine qualitativ hochwertige Psychotherapie in vielerlei Hinsicht unterstützt und positive Entwicklungen gefördert werden können. Aus diesen Gründen erschien es erforderlich, dass dieses Buch überarbeitet und auf den neuesten Stand gebracht wird. Allerdings konnten wir die Überarbeitung nicht mehr im selben Team vornehmen. Erstautor Christian Klicpera ist kurz nach dem Erscheinen der ersten Auflage erkrankt und im Jahr 2012 verstorben. Gerade weil für ihn die Sorge um das psychische Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen stets im Mittelpunkt seiner Forschung und seiner Bemühungen stand, musste dieses Buch überarbeitet und aktualisiert werden. Möglich wurde dies, weil zusätzlich Edvina Bešić in der Überarbeitung dieses Buches ihre Expertise einbrachte. Unser Dank gilt den beiden Lektorinnen des Facultas-Verlags, deren professionelle Begleitung der Qualität dieses Buches sehr zugute gekommen ist und deren unterstützende Betreuung die rasche Umsetzung für unsere Studierenden ermöglichte. Wir wünschen dem Buch nicht nur, dass es viele interessierte Leserinnen und Leser findet, sondern dass es auch dazu beiträgt, dass psychische Schwierigkeiten von Kindern und Jugendlichen insgesamt besser verstanden und Rahmenbedingungen und Unterstützungsformen geschaffen werden, die ihnen ein sicheres und glückliches Aufwachsen ermöglichen. Barbara Gasteiger-Klicpera Edvina Bešić Graz, im Herbst 2018
3 Vorwort Vorwort Lehre und Forschung der Klinischen Psychologie haben sich in den letzten Jahrzehnten in eine Klinische Psychologie des Erwachsenenalters und eine des Kindes- und Jugendalters differenziert. Dafür sind vor allem zwei Gründe verantwortlich: Psychische Schwierigkeiten zeigen im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter besondere altersspezifische Ausprägungen. Qualitative Unterschiede in den Störungsbildern spiegeln die jeweilige Entwicklungsstufe wider, sogar dann, wenn es sich um die gleichen Störungen handelt. Eine altersspezifische Färbung ist beispielsweise bei Depressionen zu beobachten, da sich diese im Kindesalter ganz anders äußern als im Erwachsenenalter. Außerdem gibt es spezifische Störungen, die im Kindesalter auftreten und im Erwachsenenalter deutlich weniger Relevanz besitzen, z. B. die Hyperaktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörungen. Diese Aspekte sollen durch das Lesen dieses Buchs verdeutlicht werden. Das vorliegende Werk richtet sich in erster Linie an Klinische Psychologen, ist aber auch für Studierende der Erziehungswissenschaft und vor allem für Lehramtsstudierende von hoher Relevanz. In den letzten Jahren wurde immer deutlicher, dass die Schule und die Lehrer häufig die Aufgabe der Primär- und Sekundärprävention von Verhaltensschwierigkeiten und emotionalen Problemen übernehmen müssen und dabei (neben den Ärzten) auch als erste Anlaufstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche eine wichtige Rolle spielen. Außerdem ist es notwendig, in der Gestaltung des Unterrichts auf die besonderen Probleme der Kinder Rücksicht zu nehmen und den Unterricht so zu strukturieren, dass sich sowohl hyperaktive als auch ängstliche und zurückgezogene Kinder wohlfühlen und in ihren Lernprozessen unterstützt werden. Für diese Aufgabe benötigen Lehrer und Pädagogen ein spezielles Fachwissen, das ihnen in ihrer Ausbildung vermittelt werden sollte. In dem nun vorliegenden Buch konnten nicht alle Störungsbilder der Klinischen Psychologie des Kindes- und Jugendalters dargestellt werden. Es wird also noch erforderlich sein, manche Störungsbilder oder auch allgemeinere Beiträge zur klinischen Entwicklungspsychologie zu ergänzen. Es war nötig zu entscheiden, welche Inhalte sowohl für Lehrer und Pädagogen als auch für Psychologen relevant sein könnten. Rückmeldungen zum Buch sind willkommen (am besten per E-Mail an gasteiger@weingarten.de ). Wir hoffen, dass dieses Buch viele interessierte Leser findet und hilfreiche Anregungen bietet, um Kinder mit besonderen Schwierigkeiten besser verstehen und sie damit auch besser unterstützen zu können. Christian Klicpera Barbara Gasteiger-Klicpera Wien und Weingarten, September 2007
4 1 Klassifikation psychischer Störungen im Kindes- und Jugendalter 1 Klassifikation psychischer Störungen im Kindes- und Jugendalter In der Klinischen Psychologie ist in den letzten Jahrzehnten eine besondere Wertschätzung für die Klassifikation psychischer Störungen festzustellen. Dies gilt mindestens so sehr für die Klinische Psychologie des Kindes- und Jugendalters wie für jene des Erwachsenenalters und wird darauf zurückgeführt, dass eine angemessene Klassifikation eine systematische Sammlung von Erfahrungen – über die Genese von Störungen, – über den Verlauf von Störungen, – über Einflussfaktoren auf den Verlauf sowie – über den Erfolg von therapeutischen Interventionen bei bestimmten Störungen ermöglicht. Zudem wurde deutlich, dass die allgemeine Verbreitung eines einheitlichen Klassifikationssystems die Kommunikation wesentlich erleichtert, weil dadurch in komprimierter Form wichtige Informationen über die Art der Schwierigkeiten mitgeteilt werden können. Dies kommt nicht nur der wissenschaftlichen Kommunikation zugute, sondern verbessert auch Zuweisungsentscheidungen innerhalb des psychosozialen Versorgungsnetzes und spezifische Indikationsstellungen für Therapien. Somit können gesundheitspolitische Maßnahmen auf eine bessere Grundlage gestellt werden, indem etwa die Häufigkeit bestimmter psychischer Störungen besser untersucht und aufgrund der erworbenen Zahlen eine Bedarfsplanung für die psychosoziale Versorgung der Bevölkerung möglich wird. Schließlich wird daran die Hoffnung geknüpft, dass die Trennung der Klinischen Psychologie in verschiedene Schulen durch die vorrangige Orientierung an einzelnen Störungsbildern auf eine klare empirische Grundlage gestellt und damit zugunsten effektiver störungsspezifischer Interventionen überwunden werden kann.
5 1.1 Grundprinzipien bei der Identifizierung charakteristischer Formen von psychischen Störungen
6 1.2 Neuere Geschichte der Klassifikation psychischer Störungen
7 1.3 Gefahren der Klassifikation
8 2 Angststörungen
9 2.1 Die Rolle von Furcht und Angst in der Entwicklung von Kindern
10 2.2 Bedingungsgefüge bei Angststörungen
11 2.3 Allgemeines zur Behandlung und Prävention
12 2.4 Einteilung der Angststörungen
13 2.5 Trennungsangst
14 2.6 Generalisierte Angststörung bzw. übermäßige Ängstlichkeit und Besorgtheit bei Kindern
15 2.7 Panikstörung
16 2.8 Sozialphobie
17 2.9 Spezifische Phobien
18 2.10 Prävention
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