Kognitive Defizite kommen bei älteren Patienten häufig im Rahmen von Demenzerkrankungen oder eines Delirs (
Infobox: Delir;
Kap. 1.4;
Kap. 2.3) vor. Etwa 1,7 Millionen Menschen in Deutschland sind an einer Demenz erkrankt, die meisten davon an einer Alzheimer-Demenz oder einer vaskulären Demenz.
Infektionskrankheiten treten bei Patienten mit Demenz häufiger auf, oft besteht eine Dysphagie (
Kap. 1.6.4) mit einem damit eingehenden Risiko für Aspirationspneumonien (
Kap. 8.1). Infektionen im Urogenitalbereich können durch eine begleitende Urin- und Stuhlinkontinenz (
Kap. 1.6.5) und mangelnde Intimhygiene vermehrt auftreten.
Kognitiv eingeschränkte Personen haben häufiger Kontakt zu pflegerischen Einrichtungen und können Hygienemaßnahmen oft nicht adäquat einhalten, wodurch ihr Risiko insbesondere für nosokomiale Infektionen erhöht ist (
Kap. 1.7.1;
Kap. 5.1). Zudem schildern klinische Symptome oft nicht oder nur unspezifisch, was die klinische Diagnose erschwert.
Eine Dysphagie ist eine Funktionsstörung des Schluckens, bei der wahrgenommene oder reale Schwierigkeiten bestehen, einen Bolus zu formen und/oder sicher von der Mundhöhle in den Magen zu transportieren (Baijens et al. 2016). Symptome einer Dysphagie sind u. a. Aspiration, Residuen, exzessives Räuspern, heisere Stimme, atypische Atmung und repetitives Schlucken (Warnecke und Dziewas 2018). Aufgrund ihrer besonderen Relevanz im Hinblick auf Infektionkrankheiten wird die Dysphagie hier als separates geriatrisches Syndrom aufgeführt.
Der Schluckvorgang ist hoch komplex und lässt sich in vier Phasen unterteilen: die orale Vorbereitungsphase sowie die orale, pharyngeale und ösophageale Phase. Oropharyngeale Dysphagien kommen häufiger vor als ösophageale Dysphagien. Ihre Prävalenz nimmt mit dem Alter zu und ist besonders hoch bei multimorbiden geriatrischen Patienten und Patienten mit neurologischen Erkrankungen (
Tab. 1.5).
Tab. 1.5: Prävalenz der oropharyngealen Dysphagie in verschiedenen Kollektiven älterer Personen (zusammengefasst aus Warnecke und Dziewas 2018)
KollektivPrävalenz
Neben neurogenen Ursachen, z. B. im Rahmen von Schlaganfällen oder neurodegenerativen Erkrankungen (
Kap. 1.4), können u. a. Entzündungen oder Tumoren im Bereich des Schlucktraktes, gastroösophagealer Reflux, Zenker-Divertikel oder psychische Erkankungen Gründe für eine Dysphagie sein. Auch anatomische und neurophysiologische Veränderungen im Rahmen des Alterungsprozesses können zur Beeinträchtigung des Schluckaktes führen (Sensorik, Motorik, Bindegewebe, Haltung, Xerostomie etc.). Die Sarkopenie (
Kap. 1.6.2) kann auch die Muskulatur der Zunge, des Pharyx und Ösophagus betreffen und äußert sich dann als Dysphagie. Verschiedene Medikamente, insbesondere Neuroleptika und Anticholinergika, können eine Dysphagie begünstigen (
Kap. 1.5; Herzig et al. 2017).
Eine Dysphagie im höheren Lebensalter geht mit einem erhöhten Risiko für Aspirationspneumonien (
Kap. 8.1), Malnutrition (
Kap. 1.6.1), Exsikkose, schwerwiegende Komplikationen und Mortalität einher und ist mit einem schlechteren funktionellen Status, schlechter Mundhygiene, Peridontitis und Karies assoziiert (Baijens et al. 2016; Tagliaferri et al. 2019). Bei selbständig lebenden Personen ≥ 70 Jahre verdoppelt sich das Risiko für eine Pneumonie bei Vorhandensein einer Dysphagie (Serra-Prat et al. 2012).
1.6.5 Immobilität, Urin- und Stuhlinkontinenz
Die Pneumonie (
Kap. 8.1) ist die häufigste Komplikation von Immobilisierung (Bettlägerigkeit) während eines Krankenhaushaufenthaltes. Weitere Hauptkomplikationen sind Harnwegsinfektionen (
Kap. 9), Dekubitalulcera und Thrombosen (Li et al. 2019). Immobilität führt zudem zur Zunahme der Sarkopenie (
Kap. 1.6.2).
Urininkontinenz und Stuhlinkontinenz gehen mit einem erhöhten Auftreten von Infektionen im Genitalbereich, Dermatitiden und Dekubitalulcera einher (Beele et al. 2018). Bei infizierten Dekubitalulcera besteht die Gefahr einer tieferen Weichteilinfektion und Osteomyelitis (Wong et al. 2019a;
Kap. 11)
1.7 Extrinsische Faktoren
1.7.1 Kontakt zu pflegerischen und medizinischen Einrichtungen
Ältere Menschen leben, meist abhängig von ihrer Funktionalität, unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen und in unterschiedlicher Wohnumgebung: in der eigenen Wohnung, in betreuten Wohneinrichtungen oder in Pflegeheimen. Gemeinschaftliches Essen und Unterstützungbedarf bei den Alltagsaktivitäten, bei der Körperpflege, der Nahrungsaufnahme und der Mobilität begünstigen dabei die Ausbreitung von Erregern. Aufgrund der erhöhten Prävalenz chronischer Erkrankungen und von Multimorbidität (
Kap. 1.4) und der erhöhten Inzidenz akuter Erkrankungen werden ältere Menschen zudem häufiger medizinisch behandelt, sowohl ambulant als auch stationär in Akutkrankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen (El Chakhtoura et al. 2017). Sie haben daher ein erhöhtes Risiko an einer nosokomialen Infektion zu erkranken, u. a. im Rahmen von invasiven diagnotischen und therapeutischen Maßnahmen (
Kap. 1.7.2;
Kap. 5.1) oder im Rahmen von Ausbruchsgeschehen (
Kap. 5.2). Typische Erreger nosokomialer Ausbrüche in Deutschland sind z. B. Noroviren (
Kap. 10.2), Influenzaviren (
Kap. 6.3) und Rotaviren.
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