1 ...6 7 8 10 11 12 ...16 D› Dissens §§ 154, 155 BGB
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Ein Dissen sliegt vor, wenn die Parteien sich nicht über alle Punkte der Vereinbarung einig geworden sind.
D› Dissens §§ 154, 155 BGB› Erläuterungen
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Der Gesetzgeber unterscheidet dabei zwischen einem offenen und einem versteckten Dissens.
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Der offene Dissensist in § 154 Abs. 1 BGB geregelt. Wurde zumindest nach dem Willen eines Vertragspartners über mindestens einen bestimmten Punkt keine Einigung getroffen – was den Vertragsparteien auch bewusst ist –, so ist der Vertrag ( Vertrag) regelmäßig auch im Übrigen nicht bindend. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Vertragsparteien bereits mit der Erfüllung ( Erfüllung) des Vertrages begonnen oder auf andere Weise kundgetan haben, dass sie sich an den Vertrag gebunden fühlen.
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Ein versteckter Dissensliegt gem. § 155 BGB dann vor, wenn die Vertragsparteien sich über einen einzelnen oder einzelne Punkte nicht geeinigt haben, obwohl sie davon ausgingen, dass diesbezüglich Einigkeit besteht.
Ein versteckter Dissens kann vorliegen, wenn die Parteien sich versehentlich über Vertragspunkte nicht oder nur unvollkommen geeinigt haben (beispielsweise fehlt die Einigung über den Kaufgegenstand) oder sie haben mehrdeutige Begriffe verwendet, die von den Vertragsparteien unterschiedlich verstanden worden sind (beispielsweise die unterschiedliche Zusammensetzung von Titeln eines sog. Best of-Albums). Liegt ein solcher Dissens hinsichtlich entscheidender Vertragspunkte (essentialia negotii) vor, so gilt der Vertrag als nicht geschlossen. Liegt der Dissens nur in Bezug auf einen Punkt, der als nicht wesentlich zu betrachten ist (denn der Vertrag wäre auch ohne Einigung bezüglich dieses Punktes geschlossen worden), vor, so bleibt der Vertrag gültig und die Einigungslücke ist durch gesetzliche Vorschriften bzw. durch eine ergänzende Vertragsauslegung ( Auslegung) zu schließen.
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Übungsfall Dissens
Die verwöhnte Studentin Frieda Fallersleben nennt sowohl einen ein Jahr alten Fiat 500 als auch einen zwei Jahre alten Mini Rover ihr Eigentum. Da sie mittlerweile den Mini Rover leid ist, möchte sie ihn verkaufen, um eine kostspielige Kreuzfahrt zu finanzieren. Sie sagt deswegen zu ihrer Kommilitonin Marie, dass sie ihr ihr Fahrzeug für 9.999 € verkaufen würde. Marie, die davon ausgeht, dass der Fiat 500 gemeint ist, willigt in den Kauf ein.
a) |
Liegt ein Dissens vor und wenn ja, welcher? |
b) |
Welche Rechtsfolge zieht der Dissens nach sich? |
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Lösung
a) |
Es liegt ein versteckter Dissens vor, denn sowohl Frieda als auch Marie gehen davon aus, dass sie sich einig geworden sind. |
b) |
Der Dissens bezieht sich im vorliegenden Fall auf den Kaufgegenstand, also einen wesentlichen Vertragspunkt. Infolgedessen gilt der Vertrag als nicht geschlossen (§ 155 BGB). |
Weiterführende Literatur
Ute Jung , Die Einigung über die „essentialia negotii“ als Voraussetzung für das Zustandekommen eines Vertrages, JuS 1999, S. 28-32.
Eigentumsvorbehalt
Einseitig verpflichtender Vertrag
Einreden und Einwendungen
Einwilligung und Genehmigung
Erfüllbarkeit
Erfüllung
Erfüllungsgehilfe
Ersatz vergeblicher Aufwendungen
E› Eigentumsvorbehalt § 449 BGB
Eigentumsvorbehalt § 449 BGB
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Der Eigentumsvorbehalt ist in § 449 BGB gesetzlich definiert (Legaldefinition). Danach liegt ein Eigentumsvorbehalt vor, wenn der Verkäufer einer beweglichen Sache die Übertragung des Eigentumsan derselben von deraufschiebenden Bedingung ( aufschiebende Bedingung) der vollständigen Kaufpreiszahlung abhängig macht.
E› Eigentumsvorbehalt § 449 BGB› Erläuterungen
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Der Eigentumsvorbehalt ist in der Geschäftspraxis nicht mehr wegzudenken. Der Verkäufer hat hierdurch die Möglichkeit, dem Käufer einen Kredit einzuräumen, den er dadurch absichert, dass der Käufer erst dann Eigentümer der gekauften Sache wird, wenn er auch tatsächlich den geschuldeten Kaufpreis vollständig bezahlt hat. Der zugrunde liegende Kaufvertrag ( Kaufvertrag) wird dabei ohne jegliche Bedingung geschlossen. Die Übereignung der Sache hingegen (Verfügungsgeschäft; Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte) wird unter einer aufschiebenden Bedingung(§ 158 Abs. 1 BGB), nämlich der vollständigen Kaufpreiszahlung, vereinbart.
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Meistens legt der Verkäufer den Eigentumsvorbehalt in seinen AGB ( Allgemeine Geschäftsbedingungen) fest. Neben dem eben beschriebenen einfachen Eigentumsvorbehaltkommt in der Praxis häufig der erweiterte Eigentumsvorbehalt(hier wird die Eigentumsübertragung an der Sache davon abhängig gemacht, dass der Käufer sämtliche offene Forderungen gegenüber dem Verkäufer beglichen hat) und der verlängerte Eigentumsvorbehalt(hier darf der Vorbehaltskäufer die Sache bereits verarbeiten oder weiterveräußern, bevor er tatsächlich Eigentümer der Sache geworden ist) vor.
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Übungsfall Eigentumsvorbehalt
Bernd Steinmeyer kauft bei der Teleschön GmbH am 12. Januar 2019 ein neues Fernsehgerät zum Preis von 1.299 €. Da Bernd Steinmeyer aufgrund der kürzlich getätigten Weihnachtsgeschenke knapp bei Kasse ist, vereinbart er mit der Teleschön GmbH, dass er 299 € sofort bezahle und den Rest in monatlichen Raten von je 200 € abstottern werde. In den AGB der Teleschön GmbH, die wirksam in den Kaufvertrag einbezogen wurden, ist bei Ratenzahlung ein Eigentumsvorbehalt vorgesehen. Im Monat April beschließt Bernd Steinmeyer, seine Zahlungen einzustellen. Nach mehreren Mahnungen verliert die Teleschön GmbH die Geduld und schreibt Herrn Steinmeyer, dass wenn er den noch offenen Betrag nicht umgehend begleiche, sie das Fernsehgerät abholen lassen würden. Steinmeyer ist der Auffassung, das Fernsehgerät steht bei ihm, also sei er auch Eigentümer desselben.
Wie ist die Rechtslage?
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Lösung
Wäre Steinmeyer tatsächlich Eigentümer des Fernsehgerätes, so könnte er anderen, also auch der Teleschön GmbH verbieten, sein Gerät auch nur anzufassen. Dies ergibt sich aus § 903 BGB; also aus dem Sachenrecht.
Tatsächlich wurde jedoch zwischen ihm und der Teleschön GmbH Ratenzahlung vereinbart. Die AGB, die Vertragsgegenstand zwischen Steinmeyer und der Teleschön GmbH geworden sind, sehen in diesem Fall einen Eigentumsvorbehalt vor. Gem. § 449 BGB wird Steinmeyer erst dann Eigentümer des Fernsehers, wenn er tatsächlich den vollständigen Kaufpreis bezahlt hat. Dies ist nicht der Fall. Die Teleschön GmbH kann somit als Eigentümerin das Gerät von ihm gem. § 985 BGB heraus verlangen.
Weiterführende Literatur
Johannes Heyers , Grundstrukturen des Eigentumvorbehalts, JURA 2016, S. 961-968. Florian Hofmann, Der Zeitpunkt der Übergabe beim Eigentumsvorbehalt, JA 2014, S. 178-183. Olaf Sosnitza/Stefan Leible , Grundfälle zum Recht des Eigentumsvorbehalts, JuS 2001, S. 341-347; S. 449-456; S. 556-559.
E› Einseitig verpflichtender Vertrag
Einseitig verpflichtender Vertrag
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Einseitig verpflichtende Verträge ( Vertrag) sind Verträge, durch die eine Partei ausschließlich berechtigt und die andere ausschließlich verpflichtet wird. Anders ausgedrückt: Eine Partei verpflichtet sich zur Erbringung einer Leistung, ohne dass für die andere Partei Haupt- oder Nebenleistungspflichten begründet werden. Deswegen gibt es bei einseitig verpflichtenden Verträgen auf der einen Seite nur Gläubiger ( Gläubiger und Schuldner) und auf der anderen Seite nur Schuldner.
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