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Das Besitzmittlungsverhältnismuss durch die Pflichten der Parteien genügend bestimmt sein. Vor allem muss es, wenn der mittelbare Besitzer auch Eigentümer ist, was nicht zwingend der Fall sein muss, dem unmittelbaren Besitzer gegenüber dem Herausgabeanspruch aus § 985 ein Recht zum Besitz über § 986 geben. Damit kann die Besitzberechtigung nach Maßgabe des Besitzmittlungsverhältnisses verlängert oder verkürzt werden, wobei sich aus dem Besitzkonstitut auch der Herausgabeanspruch ergibt; so kann im Fall 2die Gemeinde nicht jederzeit, aber doch nach Ablauf der Mietzeit, den Strandkorb wieder an sich nehmen, während ein Verleiher, wenn die Voraussetzung des § 604 Abs. 3 vorliegen, die Sache jederzeit herausverlangen kann. Eine bloße Erklärung, künftig für einen anderen besitzen zu wollen, reicht zur Begründung mittelbaren Besitzes nicht aus[14]. Auf der anderen Seite genügt ein Verhalten der Beteiligten nach Maßgabe ihrer Vorstellungen von ihren auf die Sache bezogenen Rechten und Pflichten; auf die rechtliche Gültigkeit eines etwa bestehenden Vertrages kommt es nicht an, allerdings muss ein Herausgabeanspruch bestehen, und sei es derjenige aus § 812[15]. Das tatsächliche Verhalten des Besitzmittlers entscheidet auch für die Beendigungdes mittelbaren Besitzes. Wenn er aufhört, die Sache als Besitzmittler zu halten, endet der mittelbare Besitz, auch wenn das Rechtsverhältnis, das ihn zu einem bestimmten Verhalten im Interesse des bisherigen mittelbaren Besitzers verpflichtet, fortbesteht[16].
Ein solches „Ausbrechen“ aus dem Besitzmittlungsverhältnis spielt insbesondere eine Rolle, wenn der bisherige Besitzmittler die Sache im eigenen Namen verwerten, etwa die unter Eigentumsvorbehalt gekaufte Sache an einen Dritten veräußern oder sie belasten will, und wenn dies auch in seinem Verhalten zum Ausdruck kommt, s. etwa § 6 Rn 183.
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b)Der Besitzmittler ist sog. „Fremdbesitzer“, wer dagegen eine Sache als ihm gehörig besitzt, ist Eigenbesitzer, § 872. Dieser Unterschied ist in verschiedenen Verhältnissen bedeutsam, s. etwa §§ 990, 937, 985. Der mittelbare Besitzer kann seinerseits Fremdbesitzer sein, so etwa der Autovermieter, der das Fahrzeug von einem Händler unter Eigentumsvorbehalt gekauft hat. Schließlich kann ein Besitzmittlungsverhältnis kraft Gesetzesentstehen, etwa dann, wenn ein Insolvenzverwalter die Masse in Besitz nimmt[17]. Im Bereich der Sicherungsübereignung, die durch Einigung und Schaffung eines Besitzkonstituts geschieht und den Sicherungsnehmer folglich (nach § 930) zum Eigentümer macht, während der Sicherungsgeber Besitzer bleibt, hat der BGH die eheliche Lebensgemeinschaft oder auch die elterliche Vermögenssorge als Besitzmittlungsverhältnis gelten lassen mit der Folge, dass eine einem Ehegatten oder den Eltern ursprünglich gehörige Sache nun nicht mehr in ihrem Eigentum, wenn auch noch im unmittelbaren Besitz stehen kann[18].
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c)Vom Besitzmittler zu unterscheiden ist der Besitzdiener, § 855. Man versteht darunter eine Person, die die tatsächliche Gewalt in Abhängigkeit von einem anderen und mit der Verpflichtung ausübt, dessen auf die Sache bezüglichen Anweisungen zu gehorchen. Die Herrschaftsmacht des „Besitzherrn“ über die Sache ergibt sich hier daraus, dass er die Organisation bestimmt und leitet, in die der die tatsächliche Sachherrschaft Ausübende eingefügt ist. Auch dies ist als äußerliches Faktum[19] für jedermann erkennbar; daher ist die auf den ersten Blick weitgehende Rechtsfolge, dass nurder Besitzherr Besitzer ist, derjenige, der die tatsächliche Gewalt ausübt, also nicht, am Ende doch verständlich. Besitzdiener sind etwa Arbeiter in einer Fabrik in Bezug auf ihr Arbeitsgerät, Verkaufsangestellte in Bezug auf die zu verkaufenden Waren, ein angestellter Kraftfahrer, selbst wenn bei einer weiten Fahrt die effektiven Anordnungsmöglichkeiten des Chefs bezüglich des Wagens gelockert sind. Auch hier kommt es auf die rechtliche Gültigkeit des Besitzdienerverhältnisses, also etwa des Arbeitsverhältnisses, kraft dessen der Arbeitnehmer mit den im Betrieb des Arbeitgebers befindlichen Gegenständen umgeht, nicht an, solange die Einbindung des die tatsächliche Sachherrschaft Ausübenden in die vom Besitzherrn geschaffene Organisation objektiv besteht. Anders als ein Besitzmittler kann der Besitzdiener dieses Verhältnis und damit den unmittelbaren Besitz des Besitzenden nicht durch eine bloße Willensänderung beenden, sondern er muss erkennbar und bewusst aus der Bindung ausscheiden (zB der Mitarbeiter einer Edelsteinschleiferei steckt, als er nach getaner Arbeit den Betrieb verlässt, einen von ihm bearbeiteten Stein in die Tasche).
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Die Besitzdienerschaft hat weittragende Konsequenzen. Der Besitzdiener darf zwar nach § 860 auch die Selbsthilferechte des Besitzers gem. § 859 ausüben, aber seiner Sachherrschaft kommt nicht die Vermutungswirkung gem. § 1006 zu, so dass er nicht an einen Gutgläubigen die Sache gem. § 932 wirksam veräußern kann. Vielmehr kommt hierdurch die Sache dem Besitzherrn iSd § 935 abhanden, s. näher Rn 232. Auf der anderen Seite ist über einen Besitzdiener der Erwerb des unmittelbaren Besitzes durch den Besitzherrn möglich, ohne dass dieser von dem Vorgang überhaupt konkrete Kenntnis haben muss, näher unten Rn 132. Der Besitzdiener kann, muss aber nicht Vertretungsbefugnis für den Besitzherrn haben, so ein Lagerverwalter, der für den Betriebsinhaber bestimmte Lieferungen entgegennimmt und somit, da er die dingliche Einigung im Namen des Betriebsinhabers erklären kann, diesen auch zum Besitzer macht und damit eine Übereignung nach § 929 vollzieht.
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d)In einem Sonderfall verzichtet das BGB für die Begründung von Besitz ganz auf die Sachherrschaft, nämlich beim ErbenbesitziSd § 857. Dass hier der Erbe, auch wenn er von dieser Stellung nichts weiß, automatisch mit dem Erbfall in die besitzrechtliche Stellung des Erblassers einrückt, ist darin begründet, dass die unmittelbare oder mittelbare Einwirkungsmöglichkeit des Erblassers beendet ist, und Besitzlosigkeit der Nachlassgegenstände jeglichen Schutz vor Übergriffen „gegenüber Dritten“ entfallen lassen würde, der sich aber aufgrund der „Besitzvererbung“ ganz nach der besitzrechtlichen Stellung des Erblassers richtet[20]. Das hat wiederum – wie auch die Besitzdienerschaft – Konsequenzen für einen Erwerb vom Nichtberechtigten: Wenn ein vermeintlicher Erbe einen Nachlassgegenstand veräußert, kommt die Sache dem wahren Erben iSd § 935 abhanden und kann auch von einem Interessenten, der den Veräußerer gutgläubig für den Eigentümer erhält, nicht nach nach § 932 erworben werden. Wenn der Erbe die tatsächliche Sachherrschaft ergreift, richtet sich seine Besitzerstellung nach den hierdurch geschaffenen tatsächlichen Verhältnissen.
Teil I Eigentum und Besitz› § 2 Funktionen des Eigentums und des Besitzes› II. Schutz von Eigentum und Besitz
II. Schutz von Eigentum und Besitz
1. Formen des Eigentumsschutzes
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Da das Sacheigentum im BGB in § 903 als umfassendes Herrschaftsrecht konzipiert ist, gehört zu ihm selbstverständlich auch das Recht, die Sache von jedem, der sie besitzt, herauszuverlangen, § 985. Der Anspruch hängt nicht davon ab, dass der Besitzer oder ein anderer rechtswidrig die tatsächliche Sachherrschaft begründet hat; er kann aber unter zahlreichen Gesichtspunkten ein Recht zum Besitzhaben, das er dann nach § 986dem Herausgabeanspruch entgegenhalten kann.
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So wäre im Fall 3Holger, wenn er ungesehen mit dem Fahrrad hätte verschwinden können, trotz fehlenden Besitzrechts als Besitzer angesehen worden, während Ralf, der bis dahin dem K den Besitz vermittelt hatte, wenn er es dem Holger abnimmt, es nicht an K herauszugeben braucht, solange der Kaufvertrag, der den K zur Übereignung und im Zuge des Eigentumsvorbehalts auch zur Besitzüberlassung an Ralf verpflichtete, Bestand hatte, s. § 449 Abs. 2.
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