Nachlassist lediglich eine andere Bezeichnung für Erbschaft. Der Begriff „Erbschaft“ fokussiert mehr auf den Erben als Rechtsnachfolger, während der Begriff „Nachlass“ eher dann verwendet wird, wenn vor allem das Aktivvermögen des Erblassers gemeint ist.[53]
5. Gesetzliche und gewillkürte Erbfolge, Pflichtteilsrecht
60
Zu differenzieren ist zwischen gesetzlicher und gewillkürter Erbfolge. Bei der gesetzlichen Erbfolgebestimmt unmittelbar das Gesetz in den §§ 1924 ff., wer Erbe wird. Mögliche gesetzliche Erben sind die Verwandten (§§ 1924-1930), der Ehegatte (§ 1931), der Lebenspartner (§ 10 LPartG) und subsidiär der Staat (§ 1936). Die Erbfolge kann aber auch auf einer Verfügung von Todes wegen (→ Rn. 62) beruhen (sog. gewillkürte Erbfolge).
61
Die gesetzliche Erbfolgeist gegenüber der gewillkürten Erbfolge subsidiär(vgl. § 1937): Sie tritt nur ein, wenn und soweit der Erblasser keine Verfügung von Todes wegen getroffen hat, d.h. nur wenn der Erblasser entweder gar keine Verfügung von Todes wegen getroffen hat oder soweit er die Erbfolge darin nicht vollständig geregelt hat.
62
Verfügungen von Todeswegen können entweder vertragliche Verfügungen ( Erbvertrag, § 1941, → Rn. 261 ff.) oder Verfügungen durch einseitiges Rechtsgeschäft ( Testament= sog. „letztwillige Verfügung“, § 1937, → Rn. 137 ff.) sein. Sie unterscheiden sich vor allem in ihrer Bindungswirkung für den künftigen Erblasser. Vertragsmäßige Verfügungen in einem Erbvertrag sind grundsätzlich bindend (→ Rn. 275 ff.). Das Testament ist dagegen grundsätzlich jederzeit frei widerruflich (§ 2253, → Rn. 185 ff.); relevant ist nur der zeitlich letzte testamentarische Wille des Erblassers. Eine Art Zwischenform ist das gemeinschaftliche Testament von Ehegatten(§ 2265) oder Lebenspartnern (§ 10 Abs. 4 S. 1 LPartG i.V.m. § 2265) (→ Rn. 211 ff.). Es enthält einseitige Verfügungen beider Ehegatten. Haben die Ehegatten jedoch Verfügungen getroffen, von denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen erfolgt wäre (sog. wechselseitige Verfügungen), so hat die Nichtigkeit oder der Widerruf der einen Verfügung die Unwirksamkeit der anderen zur Folge (§ 2270 Abs. 1). Nach dem Tod des erstverstorbenen Ehegatten oder Lebenspartners sind wechselbezügliche Verfügungen für den überlebenden Teil grundsätzlich bindend (§ 2271 Abs. 2 S. 1, ggf. i.V.m. § 10 Abs. 4 S. 2 LPartG).
63
Da der Erblasser die Erbfolge durch Verfügung von Todes wegen grundsätzlich völlig frei regeln kann, steht es ihm frei, auch seinen Ehepartner und nahe Verwandte von der Erbfolge auszuschließen. Um in diesem Bereich Härten auszugleichen, bestimmt das Gesetz, dass Abkömmlinge, der Ehegatte und die Eltern des Erblassers ein Pflichtteilsrechtin Höhe des halben Wertes ihres gesetzlichen Erbteils haben, sofern sie durch Verfügung von Todes wegen von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen sind und ohne letztwillige Verfügung gesetzliche Erben gewesen wären (§ 2303). Entsprechendes gilt für Lebenspartner (§ 10 Abs. 6 LPartG i.V.m. § 2303). Pflichtteilsberechtigte sind keine Erben; sie haben vielmehr nur einen schuldrechtlichen Anspruch in Geld gegen die Erben. Näher → Rn. 615 ff.
64
Lösung Fall 1[54] (→ Rn. 1):
Anders als beim noch vom Erblasser selbst bezahlten Lotterielos ist das Los und damit auch der Gewinn im vorliegenden Fall nicht Bestandteil des Nachlasses. Zwar ging der Gewinnsparvertrag im Rahmen der Universalsukzession auf N über und ist somit ein Nachlassbestandteil; aber dieser verkörpert selbst noch nicht das Los, welches hier zum Gewinn führte. Das Los entsteht quasi bei jedem Abbuchungsvorgang neu. Da die zum Gewinn führende Abbuchung erst nach dem Tod des E stattfand, ist also die im Los verkörperte Gewinnchance nicht untrennbar mit dem Gewinnsparvertrag verbunden. Schließlich hätte N den Gewinnsparvertrag auch kündigen können. Die 10.000 € sind folglich bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs des S nicht zu berücksichtigen.
[1]
S. BGH v. 5.3.1999 – BLw 18-98, ZEV 1999, 358.
[2]
In den Ländern Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein gilt die ehemalige HöfeO für die britische Zone als Bundesrecht fort. Die Länder Baden-Württemberg, Bremen, Hessen und Rheinland-Pfalz haben gem. Art. 64 EGBGB eigene landesgesetzliche Anerbenregelungen getroffen. Bayern, Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Saarland und Thüringen kennen keine Sonderregelungen.
[3]
Ausf. dazu Lange, ErbR, 2. Aufl. 2017, § 97; MAH ErbR/ Ridder, 5. Aufl. 2018, § 43.
[4]
BVerfG v. 22.8.2006 – 1 BvR 1168/04, NJW 2006, 3409 (Marlene Dietrich); BGH v. 1.12.1999 – I ZR 49/97, ZEV 2000, 323 und 326 m. Anm. Klingelhöffer (Marlene Dietrich); s. ferner auch BGH v. 5.10.2006 – I ZR 277/03, NJW 2007, 684 (Klaus Kinski); vgl. BGH v. 4.6.1974 – VI ZR 68/73, NJW 1974, 1371; BGH v. 20.3.1968 – I ZR 44/66, BGHZ 50, 133 (Mephisto) und BGH v. 26.11.1954 – I ZR 266/52, BGHZ 15, 249, 259 (Cosima Wagner).
[5]
BGH v. 12.7.2018 – III ZR 183/17, MDR 2018, 1002 („Facebook“). Dazu Deutsch ZEV 2018, 687 ff.; Gloser DNotZ 2018, 846 ff.; Lieder/Berneith FamRZ 2018, 1486 ff.; Preuß NJW 2018, 3146 ff.; Pruns ErbR 2018, 549 ff., 614 ff.; Röthel JURA 2019, 116; Wellenhofer JuS 2018, 1101 ff.; Wüsthof EuCML 2018, 205 ff. Instruktiv zum digitalen Nachlass allgemein: Budzikiewicz AcP 218 (2018) 559 ff.
[6]
Vgl. BVerfG v. 14.12.1994 – 1 BvR 720/90, BVerfGE 91, 346, 358; BVerfG v. 25.3.2009 – 1 BvR 909/08, ZEV 2009, 390 Rn. 14.
[7]
Vgl. BVerfG v. 25.3.2009 – 1 BvR 909/08, ZEV 2009, 390 Rn. 15; BVerfG v. 30.10.2010 – 1 BvR 3196/09, NJW 2011, 366 Rn. 17.
[8]
Vgl. Lange/Kuchinke , ErbR, 5. Aufl. 2001, § 2 IV 2b und c.
[9]
BVerfG v. 16.10.1984 – 1 BvR 513/78, BVerfGE 67, 329, 340; BVerfG v. 28.10.1997 – 1 BvR 1644/94, NJW 1998, 743.
[10]
Zum Meinungsstand: Staudinger/ Otte , 2017, Einl. ErbR Rn. 78 ff. m.w.N.
[11]
BVerfG v. 19.4.2005 – 1 BvR 1644/00, BVerfGE 112, 332.
[12]
S. z.B. Art. 35–39 BayAGGVG.
[13]
Näher zum Ganzen Dutta ZfPW 2017, 34 ff.; von Proff zu Irnich ZEV 2013, 183 ff.; Henssler RNotZ 2010, 221 ff.
[14]
Vgl. BegrRegE MietRRefG, BT-Drs. 14/4553, S. 60.
[15]
Dies sind zwar primär (hetero- oder homosexuelle) nichteheliche Lebensgemeinschaften, aber ebenso z.B. auch das dauerhafte Zusammenleben alter Menschen als Alternative zum Alten- oder Pflegeheim, vgl. BegrRegE MietRRefG, BT-Drs. 14/4553, S. 61; MüKoBGB/ Häublein , 7. Aufl. 2016, § 563 Rn. 14.
[16]
Anders als früher ist – wie sich aus § 573d BGB ergibt – für die Kündigung seitens des Vermieters kein berechtigtes Interesse erforderlich, vgl. Erman/ Lützenkirchen , 15. Aufl. 2017, § 564 Rn. 12; MüKoBGB/ Häublein , 7. Aufl. 2016, § 564 Rn. 8.
[17]
Vgl. Staudinger/ Reuter, 2013, § 605 Rn. 7.
[18]
Vgl. BeckOGK/ Sutschet § 620 Rn. 302 m.w.N.
[19]
Vgl. BeckOGK/ Sutschet § 620 Rn. 304 m.w.N.
[20]
Vgl. MüKoBGB/ Habersack , 7. Aufl. 2017, § 791 Rn. 1.
[21]
Vgl. MüKoBGB/ Wagner , 7. Aufl. 2017, § 845 Rn. 4.
[22]
Vgl. MüKoBGB/ Wagner , 7. Aufl. 2017, § 845 Rn. 3.
[23]
Читать дальше