Die Grenzen zwischen Auslegung und Umdeutung von Prozesshandlungen sind dabei in Konsequenz des § 88 fließend. In einem Prozess wird das Gericht bei unklarem Antrag auf dessen Erläuterung und ggf auf die Stellung eines sachdienlichen Antrags hinwirken (§ 86 Abs. 3).
Zur Möglichkeit, Parteihandlungen im Wege der elektronischen Kommunikation durchzuführen, s. §§ 55a, 55c und unten Rn 85und Rn 705.
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2. Prozesshandlungen des Gerichts
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Die wichtigsten gerichtlichen Prozesshandlungen sind gerichtliche Entscheidungen und (vor allem prozessleitende) Verfügungen[33]. Bei den gerichtlichen Entscheidungen lassen sich Urteile, Gerichtsbescheideund Beschlüsseunterscheiden.
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Über eine Klage wird gem. § 107 grundsätzlich durch Urteilnach näherer Maßgabe der §§ 108 ff entschieden. Über die Verkündung und Zustellung des Urteils enthält § 116 iVm § 56 Abs. 2 und §§ 166 ff ZPO nähere Bestimmungen, über Form und Inhalt § 117 (s. näher Rn 63 ff). Rechtsmittel gegen Urteile sind Berufung und Revision (s. unten Rn 1235 ff).
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Gem. § 84 Abs. 1 S. 1 kann zur Vereinfachung des Verfahrens statt durch Urteil, das grundsätzlich nur auf Grund mündlicher Verhandlung ergehen darf, auch ohne solche durch Gerichtsbescheid[34] entschieden werden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt aufgeklärt ist. Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil (§ 84 Abs. 3 HS 1). Zu der Möglichkeit, innerhalb eines Monats seit Zustellung des Gerichtsbescheids mündliche Verhandlung zu beantragen, s. § 84 Abs. 2 Nr 5 (dazu auch Schenke , NJW 1997, 81, 91 ff).
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Soweit dies ausdrücklich gesetzlich vorgesehenist, entscheidet das Gericht durch Beschluss. Das ist zB bei Entscheidungen im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes der Fall (s. §§ 80 Abs. 7, 123 Abs. 4). Die Regelungen über Verkündung und Zustellung (§ 116 iVm § 56 Abs. 2 und §§ 166 ff ZPO) sowie über Form und Inhalt (§ 117) von Urteilen gelten entsprechend. Rechtsmittel ist die Beschwerde (§ 146).
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Verfügungenwerden nicht vom Gericht als Ganzem, sondern vom Vorsitzenden oder vom Berichterstatter erlassen (vgl §§ 82 Abs. 2, 87 Abs. 1 S. 1, 87a, 87b). Ihnen kommt insbesondere bei der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung, aber auch sonst für die Prozessleitung Bedeutung zu. Eine besondere Form ist für sie nicht vorgesehen. Sie sind gem. § 146 Abs. 2 auch nicht gerichtlich anfechtbar.
b) Verschiedene Urteilsarten
aa) Gestaltungs-, Leistungs- und Feststellungsurteile
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Nach dem Inhalt des Urteils kann man zwischen Gestaltungs-, Leistungs- und Feststellungsurteilen unterscheiden. Durch ein Gestaltungsurteilgestaltet das Gericht die Rechtslage unmittelbar um. Wichtigstes Beispiel ist das auf die Anfechtungsklage hin ergehende Aufhebungsurteil gem. § 113 Abs. 1 S. 1. Gestaltungsurteile sind nur hinsichtlich der Kosten vollstreckbar.
Durch Leistungsurteileverpflichtet das Verwaltungsgericht den Beklagten zur Vornahme einer Leistung. Der in der verwaltungsgerichtlichen Praxis bedeutsamste Fall ist das auf Erlass eines Verwaltungsakts gerichtete Verpflichtungsurteil gem. § 113 Abs. 5. Leistungsurteile können nach näherer Maßgabe der §§ 167 ff vollstreckt werden.
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In Feststellungsurteilenschließlich wird eine gerichtliche Feststellung getroffen, die als solche anders als die Kostenentscheidung naturgemäß nicht vollstreckbar ist. Bedeutsam sind hier insbesondere die verwaltungsgerichtlichen Feststellungsurteile gem. § 43, mit welchen das Bestehen bzw Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses oder die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts festgestellt wird. Das Feststellungsurteil gem. § 113 Abs. 1 S. 4 stellt zwar nach seinem Entscheidungsinhalt ein Feststellungsurteil dar, ist aber systematisch eng verwandt mit der auf eine Anfechtungsklage hin ergehenden Entscheidung gem. § 113 Abs. 1 S. 1 (vgl Rn 349).
bb) Prozess- und Sachurteile
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Wenn das Gericht eine Klage schon wegen Fehlens einer Sachentscheidungsvoraussetzung (dazu Rn 71 ff) als unzulässig abweist, so bezeichnet man sein Urteil als Prozessurteil. Wenn es dagegen eine Entscheidung in der Sache trifft, handelt es sich um ein Sachurteil.
cc) End- und Zwischenurteile, Voll- und Teilurteile
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Die Unterscheidung zwischen Endurteilen und Zwischenurteilen knüpft daran an, ob das Verwaltungsgericht hinsichtlich des Streitgegenstands (oder zumindest eines Teils desselben) eine abschließende Entscheidungtrifft oder nur bezüglich einzelner, dem Streitgegenstand vorgelagerter Streitpunkte(§ 173 iVm § 303 ZPO) entscheidet. Letzteres trifft zB dann zu, wenn nur über die Zulässigkeit einer Klage insgesamt oder gar nur über einzelne Zulässigkeitsvoraussetzungen entschieden wird und diese bejaht werden (wird die Zulässigkeit verneint, muss ein Endurteil erlassen werden). Ein besonderer Fall eines Zwischenurteils ist das Grundurteil, mit dem im Rahmen einer Leistungsklage vorab über den Grund eines Anspruchs entschieden werden kann, wenn insoweit Entscheidungsreife eingetreten und lediglich noch die Höhe des Anspruchs streitig ist (§ 111).
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Ein Endurteil beendet das Verfahren für die jeweilige Instanz oder, wenn kein Rechtsmittel zulässig ist, insgesamt. Je nachdem, ob über den gesamten Streitgegenstand oder nur über einen Teil desselben entschieden wird, kann es ein Voll- oder Teilurteil(s. § 110) sein.
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Beispiel:
Wird durch den Kläger ein größerer Geldbetrag eingeklagt, so liegt ein Vollurteil vor, wenn über das Bestehen der eingeklagten Forderung entschieden wird. Erlässt das Gericht eine Entscheidung nur über einen Teil der geltend gemachten Forderung und wird ihr Bestehen im Übrigen zunächst offen gelassen, so liegt ein Teilurteil vor.
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Bei Zwischenurteilen ist zwischen selbstständigen und unselbstständigen Zwischenurteilenzu unterscheiden. Selbstständige Zwischenurteile sind nur die Urteile über die Zulässigkeit einer Klage (§ 109) sowie über den Grund eines Anspruchs (§ 111 S. 1). Sie sind im Gegensatz zu den unselbstständigen Zwischenurteilen mit Rechtsmitteln selbstständig anfechtbar (s. §§ 124 Abs. 1, 141).
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Solange die selbstständigen Zwischenurteile nicht auf Grund erfolgreich eingelegter Rechtsmittel aufgehoben worden sind, binden sie das entscheidende Gericht sowie alle anderen Gerichte(s. auch § 173 iVm §§ 318, 557 Abs. 2 ZPO). Die Wirksamkeit des Endurteils ist aber bedingtdurch die Wirksamkeit des selbstständigen Zwischenurteils. Wird Letzteres auf Grund eines eingelegten Rechtsmittels durch das Rechtsmittelgericht aufgehoben, so entfällt ohne weiteres die Wirksamkeit des hierauf basierenden Endurteils[35]. Ein unselbstständiges Zwischenurteil bindet nur das Gericht, das es erlassen hat(§ 173 iVm § 318 ZPO).
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Verwandtschaft mit den Zwischenurteilen weisen die gem. § 173 iVm § 302 ZPO zulässigen Vorbehaltsurteileauf. Wenn der Beklagte die Aufrechnung mit einer Gegenforderung geltend gemacht hat, die mit der in der Klage geltend gemachten Forderung nicht in rechtlichem Zusammenhang steht, und nur die Verhandlung über die Klageforderung zur Entscheidung reif ist, kann eine diesbezügliche Entscheidung unter dem Vorbehalt der Entscheidung über die Aufrechnung ergehen (§ 173 iVm § 302 Abs. 1 ZPO; s. auch Rn 182). Dieses Vorbehaltsurteil wird bezüglich der Rechtsmittel und der Zwangsvollstreckung als Endurteilangesehen (§ 173 iVm § 302 Abs. 3 ZPO).
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