Weiter gilt es im Rahmen der Abwägung den Trennungsgrundsatzdes § 50 BImSchG zu beachten.[38] Eine ordnungsgemäße Abwägung muss bei der Darstellung und Festsetzung von Bauflächen und Baugebieten auf die hierdurch entstehenden Emissionen und Immissionen achten, die von der geplanten Bebauung ausgehen bzw. denen diese ausgesetzt wird. Eine geordnete städtebauliche Entwicklung ist nur gewährleistet, wenn miteinander unverträgliche Nutzungen eine ausreichende räumliche Trennung erfahren. Ist dies nicht der Fall, leidet der Bauleitplan jedenfalls an einer Abwägungsdisproportionalität, da das Ergebnis der Bauleitplanung fehlerhaft ist (nicht nur der zugrunde liegende Vorgang). Dieser Fehler ist damit auf der materiellen Seite der Bauleitplanung, § 1 Abs. 7 BauGB, rechtlich zu verankern.
Beispiel
Die Ausweisung eines Industriegebiets unmittelbar neben einem Wohngebiet wie auch die Festsetzung von Intensivlandwirtschaft (Tierhaltung) in unmittelbarer Nähe zu einer schutzwürdigen Wohnbebauung verstößt gegen den Gedanken räumlicher Trennung in § 50 BImSchG
137
Schließlich muss die Gemeinde, um dem Gebot gerechter Abwägung zu genügen, eine grundsätzliche Abwägungsbereitschaftvorweisen können.[39] Die Abwägung der Gemeinde muss daher „offen“ sein, d.h. die Gemeinde darf sich aufdrängenden Planungsalternativennicht verschließen und muss solche in ihre Überlegungen einstellen. Andernfalls ist die Abwägung der Gemeinde defizitär, da die Gemeinde das erforderliche Abwägungsmaterial jedenfalls nicht vollständig ermittelt hat. Dieser Fehler betrifft damit vorrangig den Vorgang der Beschaffung des Abwägungsmaterials und fällt damit unter § 2 Abs. 3 BauGB. Die anschließende Ablehnung einer Alternative überschreitet allerdings nur dann den Abwägungsspielraum nach § 1 Abs. 7 BauGB, wenn es sich um eine eindeutig objektiv bessere Lösung handelt.
138
Sofern die Gemeinde – wie häufig – bereits mit einem in Besprechungen, Verträgen, Zusagen erarbeiteten Plankonzept in das Verfahren zur Aufstellung eines Bauleitplanes eintritt, stellt sich die Frage der Vereinbarkeit derartiger Vorwegbindungenmit den Bestimmungen in §§ 2 Abs. 3 und 1 Abs. 7 BauGB. Insoweit nimmt das Bundesverwaltungsgericht keine unzulässige Verkürzung einer Abwägungsentscheidung an, wenn die Entscheidung der Vorwegnahme sachlich gerechtfertigt war (z.B. Gemeinde hat Investor an der Hand, der sich bereit erklärt, ein großflächiges Baugebiet nach einem bestimmten Konzept zu bebauen, das den gemeindlichen Vorstellungen entspricht), die Entscheidungszuständigkeit innerhalb der Gemeinde gewahrt ist (z.B. Einbindung des zuständigen Organs Gemeinderat in Besprechungen, Vertragsgestaltungen etc.) und der Bebauungsplan inhaltlich nicht zu beanstanden ist, d.h. er auch ohne Vorabsprachen ordnungsgemäßes Ergebnis einer freien Bauleitplanung sein könnte, d.h. insbesondere dem Gebot der inhaltlichen Konfliktbewältigung genügt.[40]
JURIQ-Klausurtipp
Dieses rechtliche Problem der Zulässigkeit gemeindlicher Vorwegbindungen sollten Sie zum einen bei § 1 Abs. 3 BauGB unter dem Gesichtspunkt einer reinen Gefälligkeitsplanung als auch bei § 2 Abs. 3 BauGB unter dem Gesichtspunkt eines möglichen Abwägungsdefizits ansprechen.
Materielle Anforderungen an die Bauleitplanung
I. Erforderlichkeit, § 1 Abs. 3 BauGB
1.Weites städtebauliches Ermessen
2.Keine reine Negativplanung
3.Keine reine Gefälligkeitsplanung
4.Keine unüberwindbaren rechtlichen Hindernisse
II. Beachtung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung, § 1 Abs. 4 BauGB
III. Interkommunale Abstimmung, § 2 Abs. 2 BauGB
Formelle Absicherung der Beteiligung der Nachbargemeinde über § 4 BauGB
IV. Materielle Planungsleitlinien, § 1 Abs. 6 BauGB
In der Klausur im Rahmen der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB zu berücksichtigen
V. Entwicklungsgebot, § 8 Abs. 2 BauGB
VI. Abwägungsgebot, § 1 Abs. 7 BauGB
1.Abwägungsfehlerlehre des Bundesverwaltungsgerichts
2.Trennung der Abwägungsfehler in formelle nach § 2 Abs. 3 BauGB und solche nach § 1 Abs. 7 BauGB
3.Beachtung sonstiger Grundsätze wie Trennungsgebot, Gebot der Konfliktbewältigung
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[1]
Dürr/König Baurecht Bayern S. 27 Rn. 25.
[2]
vgl. Dirnberger in Jäde/ Dirnberger BauGB, BauNVO § 1 Rn. 19, 20.
[3]
Dirnberger in Jäde/Dirnberger BauGB, BauNVO § 1 Rn. 20, 27.
[4]
BVerwG NVwZ 1993, 1102 ff.
[5]
Dirnberger in Jäde/ Dirnberger BauGB, BauNVO § 1 Rn. 47.
[6]
Dürr/König Baurecht Bayern S. 28 Rn. 26; Dirnberger in Jäde/ Dirnberger BauGB, BauNVO § 1 Rn. 29.
[7]
BayVGH BayVBl. 1995, 561 ff.; BVerwG ZfBR 1989, 77 ff.
[8]
Dürr/König Baurecht Bayern S. 29 Rn. 27.
[9]
Dirnberger in Jäde/ Dirnberger BauGB, BauNVO § 1 Rn. 16; BVerwG NvwZ-RR 1998, 357 ff.
[10]
Zu rechtlichen Problemen derartiger Einheimischenmodelle vgl. weiterführend aus der Rechtsprechung OLG Hamm BayVBl. 1997, 536 ff.; BayVGH BayVBl. 1999, 399 ff.; BGH NVwZ 2003, 371 ff.
[11]
Ziegler/Tremel Nr. 417.
[12]
vgl. Dirnberger in Jäde/ Dirnberger BauGB, BauNVO § 1 Rn. 66.
[13]
Battis in Battis/Krautzberger/Löhr BauGB § 1 Rn. 47 ff.
[14]
Battis in Battis/Krautzberger/Löhr BauGB § 1 Rn. 48, 49.
[15]
Battis in Battis/Krautzberger/Löhr BauGB § 1 Rn. 50.
[16]
vgl. Dürr/König Baurecht Bayern S. 41 Rn. 41.
[17]
BVerwG NVwZ 1995, 694 ff.
[18]
Spieß in Jäde/ Dirnberger BauGB, BauNVO § 2 Rn. 4.
[19]
BVerwG NVwZ 1990, 657 ff.
[20]
Battis in Battis/Krautzberger/Löhr BauGB § 2 Rn. 22.
[21]
Spieß in Jäde/ Dirnberger BauGB, BauNVO § 2 Rn. 6; BVerwG DVBl. 1973, 34 ff.; BVerwG DVBl. 1990, 427 ff.; BVerwG NVwZ 1995, 266 ff.
[22]
vgl. zum Ganzen Battis in Battis/Krautzberger/Löhr BauGB § 2 Rn. 24.
[23]
BVerwG DÖV 1999, 733 ff.; Spieß in Jäde/ Dirnberger BauGB, BauNVO § 8 Rn. 4 f.
[24]
Spieß in Jäde/ Dirnberger BauGB, BauNVO § 8 Rn. 5.
[25]
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