Hinweis
Diese Regel gilt nur dann, wenn der Vertreter deutlich gemacht hat, überhaupt für ein Unternehmen auftreten zu wollen. Es ist lediglich nicht erforderlich, dass das vertretene Unternehmen richtig bezeichnet bzw. beschrieben wurde.
2. Teil Die Stellvertretung› B. Offenkundigkeitsprinzip› IV. Geschäft für den, den es angeht
IV. Geschäft für den, den es angeht
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Der Offenkundigkeitsgrundsatz dient dem Interesse des Geschäftspartners. Nun gibt es aber Fälle, wo es dem Geschäftspartner vollkommen gleichgültig ist, wer eigentlich sein Vertragspartner sein soll.Bei den sog. „Bargeschäften des täglichen Lebens“besteht keinerlei Interesse an der konkreten Identität des Vertragspartners, da die wechselseitigen Primäransprüche sofort erfüllt werden. Hinzu kommt, dass bei derartigen Geschäften auch im Falle von Sekundäransprüchen in der Regel die Vorlage eines entsprechenden Kaufbeleges ausreicht, um sich als Inhaber des Anspruchs zu legitimieren. Diesem tatsächlichen Verzicht auf eine Identifizierung des Vertragspartners beim Vertragsschlussträgt unsere Rechtsordnung Rechnung, indem der Grundsatz der Offenkundigkeit entsprechend eingeschränkt wird. Man spricht hier vom sog. „Geschäft für den, den es angeht“.[10] Die im Rahmen eines solchen Geschäftes abgegebene Erklärung berechtigt unmittelbar denjenigen, der nach dem Willen des unerkannt aufgetretenen Vertreters berechtigt werden soll.[11]
Beispiel[12]
A wohnt mit seiner Freundin B zusammen in einer gemeinsamen Wohnung. A und B wollen für das Wohnzimmer einen Teppich anschaffen und beauftragen den C, einen Teppich für sie zu erwerben. Da sie bereits einen bestimmten Teppich im Auge haben, nennen sie dem C das Modell und das Geschäft, wo er ihn erwerben kann. Die B händigt dem C die für die Bezahlung des Teppichs erforderlichen Barmittel in Höhe von 300 € aus. C erwirbt den Teppich beim Teppichhändler H ohne darauf aufmerksam zu machen, dass er das Geschäft für A und B tätigen will. C erwirbt den Teppich und händigt ihn absprachegemäß A und B aus. Ein Jahr später kommt es zum Streit zwischen A und B. A zieht in der Folge aus und nimmt den Teppich mit. B verlangt sodann von A die Herausgabe des Teppichs. Mit Recht?
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Ein Herausgabeanspruch der B gegen den A könnte sich aus § 985 ergeben. Dieser Anspruch setzt zunächst voraus, dass die B Alleineigentümerin des Teppichs ist.[13] B könnte das alleinige Eigentum am Teppich von H gemäß §§ 929, 930 erworben haben. Dies erfordert zunächst eine Einigung zwischen B und H über den Übergang des alleinigen Eigentums auf B. B hat unmittelbar mit dem H keinerlei Kontakt gehabt. Vielmehr hat C sich mit H zum Zwecke des Vollzugs des Kaufvertrages über die Übertragung des Eigentums geeinigt. Allerdings ergibt sich aus dem Sachverhalt nicht, dass C die B ausdrücklich als neue Eigentümerin angegeben und damit zu erkennen gegeben hat, dass er selbst nur als Vertreter handeln wolle. Sein Verhalten lässt daher nur den Schluss zu, dass er selbst Eigentümer werden wollte. Möglicherweise kommt eine unmittelbare Berechtigung der B aber dennoch in Betracht. Das ist dann der Fall, wenn die Erklärung des H nur so verstanden werden konnte, dass das Geschäft denjenigen berechtigen und verpflichten soll, den es angeht. Die Parteien hätten dann auf eine exakte Individualisierung des Vertragspartners verzichtet. Ob ein solcher Verzicht auf die Identität des Vertragspartners anzunehmen ist, ergibt sich aus den Umständen des Einzelfalls. Der H selbst hatte im vorliegenden Fall keinerlei Interesse an der Identität seines Vertragspartners, da die Bezahlung des Teppichs sofort erfolgte und mit besonderen Auseinandersetzungen über Gewährleistungsansprüche bei einem Verkauf eines Teppichs zumindest in diesem Preissegment nicht zu rechnen ist. Es handelt sich vielmehr um ein Bargeschäft, wie es alltäglich vorkommen kann. Aus diesem Grunde kommt es entscheidend darauf an, wen das Geschäft angehen sollte. Das ist alleine nach dem Willen des Vertreters zu entscheiden.[14] Da der Wille des C nicht dahin ging, nur die B zu berechtigen, sondern A und B, scheidet der Erwerb von alleinigem Eigentum der B aus. Ein Anspruch aus § 985 auf Herausgabe des Teppichs zu Alleinbesitz ist daher nicht gegeben.
2. Teil Die Stellvertretung› B. Offenkundigkeitsprinzip› V. Übungsfall Nr. 1
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Thomas Vogel (V) ist Nutzer der Internetplattform von eBay. Die Plattform nutzt er unter dem ihm zugewiesenen Teilnehmernamen „Tommy“. Da er aufgrund gehäufter Lieferverzögerungen als Verkäufer inzwischen ein schlechtes Feedback der anderen eBay-Teilnehmer bekommen hat, beschließt er, das nächste Mal den gut beleumundeten Nutzernamen seiner Freundin (F) zu verwenden. Er wusste, wo diese ihre Zugangsdaten verwahrt hatte. Unter dem Benutzernamen „Susi77“ der F meldet sich V sodann auf der eBay-Plattform an und stellt unter diesem Namen einen Porsche zu einem günstigen „Sofort-Kaufpreis“ von 74 000 € ein. Klaus Kerpener (K) sendet unter seinem Nutzernamen „Schumi666“ eine Annahmeerklärung. Nachdem ihm die Identität der F offengelegt wurde, zahlt er den Kaufpreis auf das Konto der F.
F wusste wegen einer längeren Dienstreise von dem Vorgang zunächst nichts und sagt dem K, sie wolle mit diesem Geschäft nichts zu tun haben. K fordert die F schließlich schriftlich zur Übereignung und Übergabe des Pkw auf. Kann K von F die Übereignung und Übergabe des Pkw verlangen?
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Ein solcher Anspruch könnte sich aus einem zwischen K und F geschlossenen Kaufvertrag gemäß § 433 Abs. 1 ergeben.
1. Zustandekommen eines Kaufvertrages zwischen K und F
a) Angebot
F selber hat keine auf Abschluss eines solchen Vertrages gerichtete Willenserklärung abgegeben. Möglicherweise ist aber durch das Verhalten des V ein Kaufvertrag zwischen K und F zustande gekommen.
V hat unter dem Benutzernamen der F ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages über einen Porsche zu einem Preis von 74 000 € abgegeben. Fraglich ist aber, wer nach diesem Angebot auf Verkäuferseite Vertragspartner sein sollte. V handelte unter dem Benutzernamen der F und hat seine wahre Identität nicht offen gelegt. Ob nun F oder V tatsächlich Vertragspartner werden sollten, ist im Wege der Auslegung gemäß §§ 133, 157 aus der Sicht eines redlichen Empfängers in der Position des K zu bestimmen. Im Rahmen einer eBay-Auktion weist der Nutzername ausschließlich auf die Person hin, die von eBay nach Auktionsende als Inhaber dieses registrierten Namens auch namentlich identifiziert wird. Ein anonymer Dritter, der unter einem fremden Nutzernamen auftritt, ist als Vertragspartner später überhaupt nicht identifizierbar. Die Tatsache, ob ein anonymer Dritter das Höchstgebot tatsächlich abgegeben hat, kann der Verkäufer nicht mehr verifizieren. Außerdem ist aufgrund des bei eBay geführten Bewertungssystems davon auszugehen, dass die bietenden Teilnehmer auf einen Vertragsschluss mit dem wahren Inhaber des Benutzernamens Wert legen. Andernfalls würden fremde Personen vom „guten Ruf“ des wahren Trägers des Benutzernamens profitieren können. Aus diesem Grunde ergibt sich aus dem Angebot des V, dass der wahre Träger des Nutzernamens „Susi77“, also die F, als Verkäuferin aus dem Vertrag berechtigt und verpflichtet werden sollte.
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