S seinerseits hatte gegenüber V im Namen des K die Annahme dieses Angebots erklärt. Diese Annahmeerklärung ging dem V auch ohne dessen Vernehmung zu, da die Erklärung im Machtbereich des V auf dessen Mailbox gespeichert wurde und unter normalen Umständen spätestens am nächsten Tag die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand. Die Annahme deckte sich vollständig mit dem Angebot, so dass kein Dissens besteht.
Möglicherweise ist das Angebot des V aber durch Ablauf der Annahmefrist nach § 146 Var. 2 erloschen, so dass die von S verspätet erklärte Annahme den Vertrag nicht zustande gebracht hätte, sondern gem. § 150 Abs. 1 als neues Angebot anzusehen wäre. Nach § 147 Abs. 1 S. 1 kann der einem Anwesenden gemachte Antrag nur sofort angenommen werden. Da auch ein vollmachtloser Vertreter einen Vertrag schließen kann, ist bei den Annahmefristen des § 147 auf den Vertreter abzustellen, auch wenn er ohne Vertretungsmacht handelt. Das dem anwesenden V gegenüber erklärte Angebot des H konnte also nur sofort angenommen werden. „Sofort“ bedeutet im Unterschied zu „unverzüglich“ i.S.d. § 121 Abs. 1 , dass auch schuldlose Verzögerungen den Antrag erlöschen lassen. Dem wird die erst nach zwei Tagen erklärte Annahme nicht gerecht. Zwar kann man hier durchaus annehmen, dass der V dem S eine Fristverlängerung i.S.d. § 148 gewährt hat, indem er dessen Wunsch nach einer Überlegungsfrist nicht widersprochen, sondern die Maschine für den Rest des Besuchstags „reserviert“ hat. Das Angebot war damit bei Ablauf des Besuchstages erloschen und konnte durch die Erklärung des S nicht mehr angenommen werden. Ein Vertrag ist damit nicht zustande gekommen.“
Die Lösung ist schlank und führt zum eigentlichen Punkt: Der Vertragsschluss scheitert an der verspäteten Annahmeerklärung. Auf die fehlende Vertretungsmacht kommt es für die Lösung gar nicht an. Es gibt keinen Vertrag, den K nach § 177 Abs. 1 hätte genehmigen können.
[1]
Leenen BGB AT § 4 Rn. 75 ff.; Häublein JURA 2007, 728 ff.
[2]
Leenen BGB AT § 4 Rn. 68.
[3]
Diese spielt indirekt nur bei der Abgrenzung von Erklärungs- und Empfangsboten eine Rolle, vgl. Skript „BGB AT I“ unter Rn. 165 ff.
[4]
Palandt- Ellenberger Einf. v. § 164 Rn. 2.
[5]
Skript „BGB AT I“ Rn. 156 ff.
[6]
Siehe im Skript „BGB AT I“ unter Rn. 158 ff.
[7]
Häublein „Entbehrlichkeit von Vertretungsmacht für das Zustandekommen von Verträgen bei Beteiligung eines Vertreters“, JURA 2007 728, 729 unter Ziff. II 1 („kurzer und knackiger“ Aufsatz – sehr lesenswert!).
[8]
Siehe im Skript „BGB AT I“ unter Rn. 160.
[9]
Siehe im Skript „BGB AT I“ a.a.O.
[10]
Lesenswert dazu Leenen BGB AT § 9 Rn. 66 ff. und Häublein JURA 2007, 728 ff.
[11]
Siehe dazu ausführlich im Skript „BGB AT I“ unter Rn. 162 ff.
[12]
BGH NJW 1996, 1062 ff. unter Ziff. B II 2 a.
[13]
Vorausgesetzt, dass keine anderen Wirksamkeitsdefizite bestehen (z.B. §§ 125, 134 oder 138).
[14]
Ausführlich und sehr lesenswert dazu Häublein JURA 2007, 728 ff. und Leenen JURA 2007, 721 ff., dort unter Ziff. V.
2. Teil Die Stellvertretung› B. Offenkundigkeitsprinzip
B. Offenkundigkeitsprinzip
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2. Teil Die Stellvertretung› B. Offenkundigkeitsprinzip› I. Grundregel beim Vertretergeschäft
I. Grundregel beim Vertretergeschäft
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Will jemand als Vertreter im Namen eines anderen einen Vertrag oder ein einseitiges Rechtsgeschäft vornehmen, muss sich aus seiner Willenserklärung ergeben, dass nicht er, sondern ein anderer Vertragspartner sein soll. Es geht um die Offenkundigkeit des Vertreterhandelns, also des Handelns „im fremden Namen“ i.S.d. § 164 Abs. 1. Die Offenlegung des Vertreterhandelns kann einmal ausdrücklich geschehen oder sich aus den Umständen ergeben, § 164 Abs. 1 S. 2. Ob ein Eigengeschäft des Handelnden oder ein Vertretergeschäft vorliegt, ist also nach allgemeinen Auslegungsregeln gemäß §§ 133 , 157 zu ermitteln.[1]
Beispiel
S soll im Namen seines Freundes A dessen Oldtimer beim Spezialisten B zur Überholung bringen. S kennt sich mit derartigen Sachen bestens aus und tut dem A den Gefallen gerne. S glaubt, der A habe dem B sein Erscheinen als Vertreter angekündigt, was in Wirklichkeit nicht der Fall war. S fährt mit dem Oldtimer zur Werkstatt des B. Auf dem Gelände des B sagt S: „Dieser Wagen soll komplett überholt werden. Sie wissen ja Bescheid. Wenn was ist, können Sie mich gerne anrufen. Ich kenne mich ein bisschen aus. Hier sind mein Name und meine Telefonnummer. Wann kann der Wagen wieder abgeholt werden?“ B sagt die Überholung zu und kündigt die Fertigstellung zum Ende der nächsten Woche an. S fährt mit dem Taxi nach Hause. Nachdem S dem A den Fertigstellungstermin genannt hat, kümmert er sich nicht mehr darum. Er ist sehr überrascht, als B nach einem Monat wütend bei ihm anruft und die Abholung des Wagens Zug-um-Zug gegen Zahlung von 15 000 € verlangt. Ist zwischen S und B überhaupt ein Vertrag zustande gekommen?
S und B haben sich auf eine Überholung des abgegebenen Oldtimers durch den B geeinigt. Fraglich ist aber, wer nach den Erklärungen Vertragspartner des B werden sollte. Die Formulierung „Der Wagen soll überholt werden.“ spricht dafür, dass S aus der Sicht des B selbst Auftraggeber werden wollte. Schließlich war er in dem Moment Besitzer des Wagens gewesen und danach als Eigentümer zu vermuten (§ 1006). Außerdem hatte er dem B seinen Namen und seine Telefonnummer für Rückfragen hinterlassen. Etwas anderes hätte sich dann ergeben können, wenn A dem B die Vertreterstellung des S angekündigt hätte. Dies ist hier jedoch nicht geschehen. Nach allem musste B die Erklärung des S so verstehen, dass dieser selbst Vertragspartner werden wollte. Damit ist zwischen S und B ein Vertrag geschlossen worden.
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Gelingt es einer Person nicht, ihr Handeln in fremdem Namen deutlich zu machen,ist ihr Geschäftswille nicht richtig zum Ausdruck gekommen. Im Falle einer derart „verunglückten“ Stellvertretung stünde dem Vertreter eigentlich ein Anfechtungsrecht nach § 119 Abs. 1 Var. 1 wegen Inhaltsirrtumszu. Schließlich hat er versehentlich eine Erklärung abgegeben, die er so nicht wollte und bei verständiger Würdigung (§ 119 Abs. 1 Hs. 2) auch so nicht abgegeben hätte. § 164 Abs. 2 schließt jedoch ein Anfechtungsrecht in diesen Fällen aus,so dass es aus Gründen der Rechtssicherheit bei dem Vertragsschluss zwischen dem Vertreter und dem Geschäftspartner verbleibt. Der Vertreter muss also für den von ihm geschaffenen Rechtsschein,er sei selbst der Vertragspartner, einstehen, und haftet auf die Erfüllung des Vertrages und eben nicht bloß auf den Ersatz des Vertrauensinteresses nach Anfechtung gemäß § 122. Im vorstehenden Beispiel kann V den mit B geschlossen Werkvertrag somit auch nicht nach § 119 Abs. 1 Var. 1 anfechten.
2. Teil Die Stellvertretung› B. Offenkundigkeitsprinzip› II. Handeln unter fremdem Namen
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