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Etwas anderes gilt selbstverständlich dann, wenn der Handelnde zu einem entsprechenden Tun verpflichtetist, so etwa in dem Fall, in dem ein Amtsträger damit droht, einen Antrag solange unbearbeitet zu lassen, bis er vom Antragsteller eine bestimmte Geldsumme erhält. Hier liegt neben einer Vorteilsannahme bzw. Bestechlichkeit, §§ 331, 332 StGB, zugleich auch eine Erpressung, § 253 StGB, vor.[190]
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Die Tat ist vollendet, wenn der Vermögensschaden eingetreten ist. Eine entsprechende Bereicherung des Täters oder eines Dritten ist nicht erforderlich, diese muss lediglich beabsichtigt sein und ist daher ausschließlich im subjektiven Tatbestand zu berücksichtigen. Daher liegt eine vollendete Erpressung auch dann vor, wenn die erpresste Leistung weit hinter dem zurückbleibt, was sich der Täter erhofft oder was er verlangt hat.[191] Dies ist auch dann der Fall, wenn der Täter die erpresste Sache nach kurzer Begutachtung wieder zurückgibt, weil deren Wert nicht seinen Vorstellungen entspricht.[192] Soweit die Rechtsprechung dies teilweise anders gesehen hat,[193] ist dem nur insoweit zu folgen, als genau geprüft werden muss, ob in dem vorübergehenden Verlust der Sache bereits ein Vermögensschaden des Opfers zu erblicken ist. Dies ist allerdings dann nicht der Fall, wenn der Täter schon vor der Aushändigung des Gegenstandes fest dazu entschlossen war, diesen wieder zurückzugeben, sollte er seinen Ansprüchen nicht genügen.[194] Eine vollendete Erpressung kann hingegen ausscheiden, wenn aufgrund einer Überwachung der „Geldübergabe“ durch die Polizei ein dauerhafter Verlust der abgepressten Gegenstände von vorne herein ausgeschlossen ist.[195]
6. Ursachen- und Zurechnungszusammenhang
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Zwischen dem Erpressungsmittel (Nötigung), der Vermögensverfügung des Genötigten und dem Erpressungserfolg (Vermögensnachteil) muss eine kausale Beziehung bestehen.[196] Das Opfer muss also gerade durch die Drohung oder die Anwendung von Gewalt zu seinem vermögensschädigenden Verhalten genötigt werden und gerade durch die vorgenommene Vermögensverfügung muss der Vermögensschaden eintreten.[197] Einzelfragen zur Kausalität lassen sich hier durch einen Rückgriff auf die zur Anstiftung entwickelten Grundsätze lösen, weil der Erpresser sein Opfer „anstiften“, d.h. dazu bestimmen will, an der Vollendung der Erpressung mitzuwirken („notwendige Teilnahme“).[198] Im Gegensatz zum Raub ist die Notwendigkeit eines solchen Kausalzusammenhangs bei der Erpressung völlig unstreitig. Die Kausalität muss allerdings bei der Erpressung objektiv vorliegen,[199] während sie beim Raub von der h.M. nur auf subjektiver Ebene im Wege einer Finalität des Handelns verlangt wird.[200] An der Kausalität fehlt es aber, wenn das Opfer auch ohne die Nötigung zur vermögensschädigenden Verfügung bereit war.[201] Dagegen schließt ein weiteres Motiv des Opfers, z.B. durch die tatsächliche Leistung den Täter später überführen zu können, die Kausalität nicht aus.[202] Anders ist es hingegen, wenn die Überführung des Täters das einzige Motiv des Opfers für seine Vermögensverfügung darstellt.[203] Gibt ein Bankmitarbeiter bei einem Banküberfall das Geld lediglich aufgrund einer bankinternen Anweisung heraus, schließt dies die Kausalität jedoch nicht aus.[204] Gleiches gilt für den Fall, dass das Opfer zwar auf Empfehlung der Polizei zahlt, es aber trotz Einschaltung der Polizei weiterhin die Verwirklichung der Drohung fürchtet und dies für ihn mitbestimmend ist.[205] An der Kausalität kann es hingegen fehlen, wenn der Täter ursprünglich einen bestimmten Gegenstand erlangen wollte, es im weiteren Verlauf jedoch zur Erlangung eines ganz anderen Gegenstandes kommt.[206]
7. Sonderfall: Die Dreieckserpressung
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Genötigter und Geschädigter brauchen bei der Erpressung nicht identisch zu sein.[207] Dies ergibt sich daraus, dass das Gesetz darauf abstellt, dass infolge der Nötigung dem Vermögen „des Genötigten oder eines anderen“ ein Nachteil zugefügt werden muss. Die Lage entspricht somit auch hier derjenigen des Betruges, § 263 StGB, bei dem Getäuschter und Geschädigter ebenfalls nicht identisch sein müssen. Wie bei § 263 StGB ist aber auch bei § 253 StGB ein Näheverhältnisdes Genötigten zum geschädigten Drittvermögen zu verlangen, welches dem Genötigten die Möglichkeit verschafft, über das Vermögen des anderen zu verfügen.[208] Der BGH[209] hat dieses Näheverhältnis dahin präzisiert, „daß das Nötigungsopfer spätestens im Zeitpunkt der Tatbegehung auf der Seite des Vermögensinhabers“ stehen muss. Für diese Dreieckserpressung sei charakteristisch, „daß der Täter die von einem Dritten im Interesse des Vermögensinhabers wahrgenommene Schutzfunktion aufhebt“.[210] Ein Näheverhältnis liegt jedenfalls dann vor, wenn der Dritte rechtlich dazu befugtist, über das Vermögen des Geschädigten zu verfügen. Darüber hinaus reicht es aber auch aus, wenn der Dritte eine faktische Verfügungsbefugnisinfolge einer Sonderbeziehung zum Vermögen des Geschädigten besitzt.[211] Dies ist immer dann gegeben, wenn der Genötigte zum Schutz des Vermögensinhabers tätig wird oder gar rechtlich verpflichtet ist, ihm beizustehen (z.B. eine Garantenstellung besitzt).[212] Er muss also, wie dies aus der vergleichbaren Diskussion beim Betrug bekannt ist, in dessen „Lager“ stehen.[213] Unstreitig liegt daher eine Dreieckserpressung vor, wenn der Täter einen Bankangestellten unter Anwendung von Gewalt oder Drohungen dazu zwingt, den Tresor zu öffnen und ihm das Geld in eine Tüte zu packen und zu übergeben. Denn hier erleidet nicht der Angestellte persönlich, sondern „die Bank“ einen Vermögensnachteil. Da der Angestellte aber auf der Seite der Bank steht, liegt eine Erpressung vor.[214] Anders stellt sich die Situation dar, wenn der Täter nicht einen Bankangestellten, sondern einen Passanten mit Waffengewalt dazu zwingt, in eine Bank einzubrechen, den Tresor zu öffnen und ihm das Geld in eine Tüte zu packen und zu übergeben. Denn der genötigte Passant steht nicht auf Seiten der Bank, sondern wirkt, wenn auch unter Druck, als Beteiligter an der Vermögensstraftat (hier: dem Einbruchsdiebstahl) mit. Je nach Stärke des Drucks ist der Passant durch einen Nötigungsnotstand entschuldigt und es läge ein Fall der mittelbaren Täterschaft (eines Einbruchsdiebstahls) vor. Wird die Polizei eingeschaltet, um in Erfüllung ihrer Aufgaben anstelle des Geschädigten die Vermögensverfügung vorzunehmen, wurde hingegen ein Näheverhältnis bejaht.[215]
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Nach h.M. sind auf die Dreieckserpressung die Regeln des Dreiecksbetrugs entsprechend anzuwenden.[216] Dabei sind nach der vom BGH vertretenen Ansicht, die bei § 253 StGB auf eine Vermögensverfügung verzichtet, die Regelungen zum Dreiecksbetrug, insbesondere zum Näheverhältnis, teilweise zu modifizieren, was nach der hier vertretenen Ansicht, die bei § 253 StGB eine Vermögensverfügung fordert, nicht erforderlich ist. Eine Spielart des Näheverhältnisses ist die Sympathiebeziehung zwischen dem Vermögensinhaber und dem Genötigten.[217]
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Andererseits müssen aber Genötigter und Verfügenderidentisch sein.[218] Wird ein Dritter bedroht, um von einem anderen eine Vermögensverfügung zu erzwingen, liegt eine Erpressung nur dann vor, wenn der zu einer Verfügung Genötigte die Drittbedrohung selbst als Übel empfindet (und sich daher die Drohung als solche gleichzeitig auch gegen den Verfügenden richtet).[219] Dies ist in der Regel dann unproblematisch, wenn der Täter eine dem Verfügenden nahestehende Person bedroht, also z.B. eine Waffe an den Kopf des Kindes hält, um von der Mutter die Herausgabe von Wertsachen zu erreichen. Es muss sich bei den Dritten aber nicht zwingend um nahestehende Personen handeln. So kann es z.B. auch ausreichen, wenn der Täter in einer Bank einen Kunden mit einer Waffe bedroht und vom Bankangestellten das Öffnen des Tresors und die Herausgabe des Geldes fordert. Empfindet der Bankangestellte hier das Drohen gegenüber dem Kunden auch selbst als Drohung, so liegt eine räuberische Erpressung, §§ 253, 255 StGB, vor. Auf diese Weise kann das Dreieck also auch zu einem „Viereck“ werden, welches aber in Wahrheit nur ein scheinbares ist, da es letztlich nur darauf ankommt, ob der Verfügende die Bedrohung des Dritten selbst als Übel empfindet.
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