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Die WWU sollte in drei Stufen entstehen:
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Die Erste Stufe:
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Uneingeschränkter Kapitalverkehr, |
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verstärkte Zusammenarbeit der nationalen Zentralbanken, |
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freie Verwendung der ECU-European Currency Unit (Europäische Währungseinheit), |
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Verbesserung der wirtschaftlichen Konvergenz. |
Die Zweite Stufe:
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Errichtung des Europäischen Währungsinstituts (EWI) in Frankfurt a. M., |
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Verbot der Gewährung von Zentralbankkrediten an öffentliche Stellen, |
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verstärkte Koordinierung der Geldpolitik, |
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Stärkung der wirtschaftlichen Konvergenz durch Beachtung der gem. Art. 121 Abs. 1 S. 3 EGV[27] eingeführten vier Konvergenzkriterien.[28] |
Die Dritte Stufe:
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Unwiderrufliche Festlegung der Wechselkursezwischen den Währungen der Teilnehmerstaaten, |
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am 1.1.2002 Einführung des Euroals Zahlungsmittel in den Mitgliedstaaten,[29] in denen die vier Konvergenzkriterien erfüllt wurden.[30] |
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Durchführung einer einheitlichen Geldpolitik durch die EZB gem. Art. 107 EGV,[31] |
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Inkrafttreten der Wechselkursmechanismen innerhalb der EU, |
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Inkrafttreten des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. |
Hinweis
Eintrittsvoraussetzung zur Teilnahme an der WWU war die Erfüllung der Konvergenzkriterien gem. Art. 121 Abs. 1 S. 3 EGV.[32]
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Die vier Konvergenzkriterien:
1. PreisstabilitätInflationsrate in dem Jahr vor der „Aufnahmeprüfung“ von nicht mehr als 1,5% oberhalb der Inflationsrate der drei preisstabilsten Mitgliedstaaten.
2. Solide StaatsfinanzenDer gesamte Schuldenstand des Staates soll 60% des BIP nicht überschreiten und die jährliche Neuverschuldung soll nicht mehr als 3% des BIP betragen.
3. Stabile WechselkurseDie Währung eines Landes muss die vorgegebenen Bandbreiten im EWS seit mindestens zwei Jahren ohne Abwertung gegenüber der Währung eines anderen Mitgliedstaates eingehalten haben.
4. Niedrige langfristige ZinsenDie langfristigen Zinssätze für Staatsschuldverschreibungen sollen nicht mehr als 2% über den Zinssätzen der drei preisstabilsten Länder liegen.
3. Der Unionsbürger nach Maastricht[33]
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Bislang hatte der Einwohner eines EG-Mitgliedstaates die Freizügigkeitsrechtenur als erwerbstätiges Wirtschaftssubjekt.[34] Mit der Einführung des Instituts der Unionsbürgerschaftim Vertrag von Maastricht erhielt jeder Bürger eines Mitgliedstaates – unabhängig von einer Erwerbstätigkeit – gem. Art. 17 ff. EGV[35] das Recht, sich als Unionsbürger innerhalb der Europäischen Gemeinschaft frei zu bewegen und sich niederzulassen.[36] Dieses Recht galt auch für die Familienangehörigen eines Unionsbürgers.
Hinweis
Durch die Unionsbürgerschaft wird die jeweilige nationale Staatsbürgerschaft eines Unionsbürgers nicht ersetzt.
a) Die Rechte des Unionsbürgers
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Der Unionsbürger hat gem. Art. 22 AEUV das aktive und passive Kommunalwahlrechtund das Wahlrecht zum Europäischen Parlamentnach den Bedingungen des Aufenthaltsstaates, in dem er seinen Wohnsitz begründet hat. Ihm steht diplomatischer und konsularischer Schutzgem. Art. 23 AEUV zu. Zudem besitzt er ein Petitionsrechtbeim Europäischen Parlament. Gem. Art. 21 AEUV steht dem Unionsbürger das Recht auf Freizügigkeit im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu.[37] Für den Grenzübertritt innerhalb der EU ist ein Einreisevisumnicht erforderlich.[38]
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Beim Aufenthalt bis zu drei Monaten ist nur eine Anmeldung in dem EU-Aufnahmestaat erforderlich. Der Unionsbürger muss nur im Besitz eines gültigen Personalausweisesoder Reisepassessein.[39] Bei einem längeren Aufenthalt als drei Monate sind vom Unionsbürger Dokumente vorzulegen, die entweder ein Arbeitsverhältnis, eine selbständige Tätigkeit und bei nicht Erwerbstätigen ausreichende Existenzmittel und einen entsprechenden Krankenversicherungsschutz oder bei Studierenden eine Immatrikulation belegen.[40] Ein Visum ist nicht erforderlich. Ein Daueraufenthaltsrechterwirbt ein Unionsbürger nach fünfjährigem ununterbrochenem und rechtmäßigem Aufenthalt in einem Mitgliedstaat. Die Kontinuität des Aufenthalts wird weder durch vorübergehende Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr noch durch längere Abwesenheiten wegen der Erfüllung militärischer Pflichten noch durch eine einzige Abwesenheit von höchstens zwölf aufeinander folgenden Monaten aus wichtigen Gründen wie Schwangerschaft und Niederkunft, schwerer Krankheit, Studium oder Berufsausbildung oder beruflicher Entsendung in einen anderen Mitgliedstaat oder einen Drittstaat berührt. Nach dem Erwerb des Daueraufenthaltsrechts führt nur die Abwesenheit vom Aufnahmemitgliedstaat über einen Zeitraum von zwei aufeinander folgenden Jahren zum Verlust des Daueraufenthaltsrechts.[41]
JURIQ-Klausurtipp
Beachten Sie besonders das allgemeine Diskriminierungsverbotgem. Art. 18 AEUV im Zusammenhang mit diesem Recht auf Freizügigkeit.
Beispiel[42]
T ist französischer Staatsangehöriger. Seit dem Jahr 2000 hielt er sich in Belgien auf, wo er zunächst auf einem Campingplatz, dann in einer Jugendherberge und schließlich in einem Heim der Heilsarmee wohnte. Für die Heilsarmee erbrachte er wöchentlich ca. 30 Arbeitsstunden zur individuellen und beruflichen Wiedereingliederung. Wirtschaftlich verwertbar waren die Leistungen von T nicht. Als Gegenleistung erhielt er dafür die Unterkunft, Verpflegung und ein geringes Taschengeld. Seit 2002 hatte T eine Aufenthaltserlaubnis für Belgien. Danach beantragte T bei der zuständigen belgischen Behörde Sozialhilfe, die ihm aber verweigert wurde. Begründet wurde dies einerseits mit seiner fehlenden belgischen Staatsangehörigkeit und andererseits mit seiner fehlenden Arbeitnehmereigenschaft. Um sich auf die VO Nr. 1612/68berufen zu können, müsse T Arbeitnehmer sein. T klagte hiergegen beim zuständigen nationalen Gericht.
Nach EuGH -Rechtsprechung sind Tätigkeiten, die nur ein Mittel der Rehabilitation oder der Wiedereingliederung des Betroffenen in das Arbeitsleben darstellen, nicht als tatsächliche und echte wirtschaftliche Tätigkeiten anzusehen. T war daher nicht als Arbeitnehmer zu betrachten. T konnte sich aber unmittelbar gegenüber der belgischen Behörde auf Art. 12 EGV[43] berufen. Er hielt sich aufgrund der erteilten Aufenthaltserlaubnisrechtmäßig in Belgien auf. Der EuGH leitete aus Art. 12 Abs. 1 EGV[44] einen Anspruch auf Gleichbehandlung hinsichtlich Sozialleistungenab. T hatte daher einen Anspruch auf Sozialhilfe.
b) Die Rechte der Familienangehörigen, die nicht Unionsbürger sind
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