In Anlehnung an die (im allgemeinen Verwaltungsrecht herangezogene) so genannte modifizierte Subjektstheorie[5] könnte man formulieren, dass Finanzen dann öffentlich sind, wenn ein Hoheitsträgerals solcher sie vereinnahmen und verausgaben kann. Damit wären Steuereinnahmen als der wesentliche Teil der staatlichen Einnahmen erfasst, denn § 3 Abs. 1 AO definiert Steuernals „Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesenzur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft […]“ ( Rn 213). Andere Einnahmearten (zB Veräußerungserlöse) sind aber weniger eindeutig zuzuordnen, und erst recht bei den Ausgaben würde diese Abgrenzung fraglich. Denn alle Ausgaben, bis hin zum Kauf eines Bleistifts für die Amtsstube, folgen staatlichen Aufgaben, dh sie werden zur Erfüllung staatlicher Aufgaben geleistet.
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Für die Abgrenzungzwischen öffentlichen und privaten Finanzen ist es nicht entscheidend, ob hoheitlich gehandelt wird. Geldmittel, die wie zB Steuern hoheitlich eingenommen (einseitig auferlegt) werden[6], sind zwar schon aus diesem Grund dem öffentlichen Bereich zuzuordnen. Hoheitliches Handelnist aber nicht notwendig, um die Finanzwirtschaft dem öffentlichen Bereich zuzuordnen und dem öffentlichen Recht zu unterwerfen.
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Gerade die nicht hoheitlichen Tätigkeitsbereiche, das Verwaltungsprivatrechtund das fiskalische Verwaltungshandeln, sind Gegenstand des öffentlichen Haushaltsrechts, das sich auch mit dem Erwerb oder der Veräußerung von Vermögensgegenständen (zB § 63 BHO) und der Beteiligung an privatrechtlichen Unternehmen (zB § 65 BHO) befasst ( Rn 664). Das öffentliche Finanzrecht findet auch dort Anwendung, wo der Staat privatrechtlich handelt[7]. Man spricht insoweit auch vom Fiskusoder der öffentlichen Handin Abgrenzung zum Staat als Hoheitsträger.
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Der Begriff „Fiskus“(lat.: Korb/Geldkorb) bezeichnet den Staat als Eigentümer des Staatsvermögens. Im römischen Recht gab es neben der eigentlichen Staatskasse (aerarium populi) die kaiserliche Privatkasse (fiscus caesaris) . Mit dem Übergang der republikanischen Staatsgewalt auf den Kaiser nahm auch dessen fiscus allmählich die staatlichen Einnahmen in sich auf und wurde zur neuen Staatskasse – zunächst tatsächlich, dann auch rechtlich[8].
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Historischwurde lange Zeit zwischen verschiedenen Sphärenunterschieden[9]: Der König verfügte zB über ein privates „Hausgut“, ein privates, aber verfügungsbeschränktes „Krongut“ sowie das dem Amt zugeordnete „Reichsgut“ ( Rn 41, 620). Diese Unterscheidung, die sich auch heute noch zT im kirchlichen Bereich findet („bischöflicher Stuhl“), ist für die staatliche und kommunale Ebene überholt. Im modernen Staat unterliegt das gesamte Eigentumaller staatlichen Ebenen öffentlich-rechtlichen Bindungen, insb dem öffentlichen Haushaltsrecht(Rn 519 ff, 619 ff). Sobald Geldmittel oder sonstige Vermögensgegenstände dem Staat (einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft) zugeordnet sind, auch bei einer privatrechtlichen Zuordnung des Eigentums (§ 903 BGB) zum Staat, kann man daher von öffentlichen Finanzensprechen.
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Mittel, die privatrechtlichverwaltet werden, können ebenfalls dem öffentlichen Finanz- bzw Haushaltsrecht unterfallen, wenn es entsprechende Anknüpfungspunkte gibt. So darf etwa der Rechnungshof auch die Haushalts- und Wirtschaftsführung von juristischen Personen des privaten Rechts prüfen, wenn diese staatliche Zuschüsse erhalten oder ein staatlicher Einfluss begründet ist (§ 104 BHO). Staatliches Eigentumist daher hinreichendes, nicht aber notwendiges Kriterium, um öffentliches Finanzrecht anwenden zu können.
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Zum Staatgehören dabei vor allem der Bund, die Länderund die Gemeinden(Gemeindeverbände). Aber auch die Sozialversicherung, sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts ( KdÖR, zB Kammern, Universitäten) und Anstalten des öffentlichen Rechts ( AöR, zB Rundfunkanstalten) wirtschaften nach den Regeln des öffentlichen Finanzrechts, ebenso die EUund deren Institutionen ( Rn 792), für die auf europäischer Ebene finanzrechtliche Regelungen bestehen.
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Häufig finden sich insb für kleinere Einheitenrechtliche Vorgaben, die sich denjenigen des privaten Sektors annähern, wenn diese Gebilde wirtschaftlich nach kaufmännischen Grundsätzengeführt werden sollen. So orientiert sich zB das Rechnungswesen der Gemeinden (kommunale Doppik, Rn 1078) an den Regelungen des für Kaufleute geltenden HGB (§§ 238 ff HGB). Bei formeller Privatisierung, dh der Verwendung privatrechtlicher Organisationsformenzur Erfüllung staatlicher Aufgaben, finden privates Recht (zB GmbHG, AktG, HGB) und öffentliches Recht auch nebeneinander Anwendung.
2. Anwendungsbereich und Teilgebiete des öffentlichen Finanzrechts
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Der weite Anwendungsbereichdes öffentlichen Finanzrechts, das sich mit sämtlichen Einnahmen und Ausgaben aller öffentlichen Institutionen sowie mit deren Vermögen beschäftigt, erklärt sich aus der besonderen Bedeutung der Finanzen für das Gemeinwesen. Nahezu alle staatlichen Aufgabenkosten Geld. Der Staat kann nur durch seine Organe, dh durch Bedienstetehandeln, die bezahlt werden müssen. Die Amtsträger wiederum benötigen Sachmittel (zB Gebäude, Fahrzeuge, etc), die beschafft oder selber hergestellt werden. Auch Leistungenoder Infrastruktur, die der Staat seinen Bürgern zur Verfügung stellt (zB Universitäten, Gerichte oder Straßen), müssen finanziert werden.
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Weil staatliches Handeln Geld kostet und die erforderlichen Mittel idR hoheitlich beschafft werden müssen, verfügt der Inhaber der Finanzgewalt[10] über einen besonderen Einfluss auf sämtliche Politikbereiche: Wer zahlt, schafft an (engl.: he who pays the piper calls the tune ). Historisch ist daher das Recht, über die Finanzen demokratisch (mit)bestimmen zu können, vom Volk schon recht früh und besonders erbittert erstritten worden. Die Demokratiehat sich seit dem Mittelalter von den Einnahmen (Steuerbewilligung)über die Ausgaben (Budgetrecht)in alle weiteren Politikbereiche vorgekämpft ( Rn 44 ff). Auch der amerikanische Unabhängigkeitskrieg stand unter dem Leitsatz „No taxation without representation“ [11].
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Heute ist die Entscheidung über Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Hand „grundlegender Teil der demokratischen Selbstgestaltungsfähigkeitim Verfassungsstaat“[12]. Das Budgetrecht, das Recht mit dem jährlichen Haushalt ( Rn 568) über die Einnahmen und Ausgaben zu entscheiden, stellt ein „zentrales Element der demokratischen Willensbildung dar“[13] (dazu Rn 64 ff).
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Im modernen Verfassungsstaat des Grundgesetzes ist die Finanzgewaltoder Finanzhoheit– anders als noch im 19. Jhdt. ( Rn 46 f) – nichts „Eigenes“ mehr; sie ist ein Aspekt der umfassenden Staatsgewalt[14]. Obwohl es in einzelnen Bereichen Sonderregelungen gibt, die in den folgenden Kapiteln dargestellt werden, unterscheidet sich die Steuer- oder Haushaltsgesetzgebung nicht wesentlich von der „normalen“ (Sach-) Gesetzgebungund wird durch dieselben gesetzgebenden Organe ausgeübt.
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