235
Daneben gibt es noch eine Reihe besonderer Verbrauchsteuern, denen meist die Verfolgung eines Lenkungszwecks gemeinsam ist. Sie wollen durch Verteuerung des Verbrauchs diesen eindämmen und Anreize zu einem geringeren Energieverbrauch (Strom, Mineralöl) oder Verbrauch gesundheitsschädlicher Lebensmittel (Alkohol, Tabak) setzen.
236
Die besonderen Verbrauchsteuern fließen grds dem Bund zu (Art. 106 Abs. 1 Nr 2 GG) mit der Ausnahme der Biersteuer(historisch gewachsen, Art. 106 Abs. 2 Nr 4 GG), die den Ländern zufließt, sowie den örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, die den Gemeinden oder Gemeindeverbänden zufließen (Art. 106 Abs. 6 GG).
237
Während die Verbrauchsteuern den Ver brauch eines Gutes besteuern, der zum Substanzverlust bzw zu einer Umgestaltung des Guts führt, besteuern die Aufwandsteuernden Ge brauch eines Gutes. Aufwandsteuern belasten die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners.[25]
238
Bundesrechtlich geregelt ist die Kfz-Steuer, die traditionell als Aufwandsteuer eingeordnet wurde[26] und deren Aufkommen nunmehr (seit 2009) dem Bund zufließt (Art. 106 Abs. 1 Nr 3 GG); die Gesetzgebungskompetenz liegt beim Bund (Art. 105 Abs. 2 Alt. 1 GG iVm Art. 106 Abs. 1 Nr 3 GG).
239
Sehr verbreitet sind die sog. örtlichen Aufwandsteuern(z.B. Hunde-, Reitpferd-, Zweitwohnung- und Übernachtungsteuer; dazu unten Rn 240, 958). Die (ausschließliche) Gesetzgebungskompetenz liegt gem. Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG bei den Ländern, diese haben sie jedoch an ihre Gemeinden bzw Gemeindeverbände in ihren jeweiligen Kommunalabgabengesetzen – was verfassungsrechtlich zulässig ist – delegiert (zB Art. 3 BayKAG, §§ 1 Abs. 1, 5 f KAG RP). Soweit die Länder die Regelungskompetenz für bestimmte örtliche Aufwandsteuern nicht delegiert haben, ist das zulässig, da die Länder nicht verpflichtet sind, die Regelungskompetenz in vollem Umfang auf die Länder zu übertragen.
240
Eine landesgesetzliche (bzw nach Delegation: satzungsmäßige) Regelung setzt jedoch voraus, dass die Tatbestandsmerkmale des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG vorliegen. Insb muss es sich um eine örtliche Verbrauch- oder Aufwandsteuerhandeln und diese darf bundesgesetzlichen Steuern nicht gleichartig sein.
241
Örtlichsind solche Steuern, die an örtliche Gegebenheiten, insb an die Belegenheit einer Sache oder an einen Vorgang im Gebiet der steuererhebenden Gemeinde anknüpfen und wegen der Begrenzung ihrer unmittelbaren Wirkungen auf das Gemeindegebiet nicht zu einem die Wirtschaftseinheit berührenden Gefälle führen können.[27] Nicht erforderlich ist, dass typischerweise allein Ortsansässige von der Steuer betroffen sind, wie das Bsp der vom BVerfG grds akzeptierten Zweitwohnungssteuer zeigt, die typischerweise gerade Ortsfremde trifft.[28] Auch eine flächendeckende Einführung von Steuern (wie zB der Hundesteuer) steht der örtlichen Radizierung nicht entgegen.[29]
242
Die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern dürfen ferner bundesgesetzlich geregelten Steuern nicht gleichartigsein (Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG). Damit soll verhindert werden, dass die einem Steuerberechtigten zugewiesene Steuerquelle von einem anderen Steuerberechtigten gleichfalls ausgeschöpft wird und es damit zu einem unkoordinierten Steuerzugriff mehrerer Steuergläubiger kommt.[30]
243
Allerdings sollten die zur Zeit des 21. Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 12.5.1969 bestehenden, sog. herkömmlichen Steuernunberührt bleiben. Diese sind von vornherein nicht im Hinblick auf eine angebliche Gleichartigkeit mit bundesgesetzlich geregelten Steuern in Frage zu stellen.[31]
244
Die später neu eingeführten Steuern dürfen nicht denselben Belastungsgrunderfassen wie eine Bundessteuer und müssen sich in Gegenstand, Bemessungsgrundlage, Erhebungstechnik und wirtschaftlicher Auswirkung von der Bundessteuer unterscheiden.[32] Insb darf nicht vorschnell die Gleichartigkeit mit der Umsatzsteuer angenommen werden, da sonst wegen der Anknüpfung an Lieferungen und Leistungen (Verbrauch und Gebrauch) den örtlichen Steuern weitgehend der Boden entzogen wäre und Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG dann weitestgehend ohne sinnvollen Anwendungsbereich wäre.[33] Andererseits ist nicht zu verkennen, dass der Schutzzweck des Gleichartigkeitsverbots (Schutz des Steuerpflichtigen vor unkoordiniertem Zugriff verschiedener Steuergläubiger) leerzulaufen droht, wenn durch Gestaltungen das Gleichartigkeitserfordernis nahezu beliebig gestaltbar wird.
245
Art. 106 GG regelt die Verteilung des Aufkommens der Steuern, die der jeweils zuständige Gesetzgeber geregelt hat. Art. 106 GG enthält jedoch keine institutionelle Garantieder dort aufgezählten Steuern und Steuerarten in dem Sinne, dass diese erhoben werden müssten.
3. Gesetzgebungskompetenzen: Verteilung und Steuererfindungsrecht
246
Art. 105 Abs. 1 GG weist dem Bund die (ausschließliche) Gesetzgebungskompetenz über die Zölle und Finanzmonopole zu. Zöllesind Steuern (vgl § 3 Abs. 3 AO), die an eine Warenbewegung über die Zollgrenze anknüpfen. Die Kompetenz zu ihrer Regelung ist auf die EU übergangen, da es Zölle nur noch an den Außengrenzen der EU gibt (Art. 28, 30, 31 AEUV). Neue Finanzmonopoledarf der Gesetzgeber im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG nicht mehr einführen, so dass Art. 105 Abs. 1 GG insgesamt obsolet ist.
247
Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG weist die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuernden Ländern zu, die diese Kompetenz (außer im Falle der Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg) an ihre Gemeinden bzw Gemeindeverbände delegiert haben. Ferner sind die Länder jetzt ausschließlich zuständig für die Festlegung des Steuersatzes der Grunderwerbsteuer(Art. 105 Abs. 2a Satz 2 GG). Steuerwettbewerb zwischen den Ländern fürchtete der verfassungsändernde Gesetzgeber insoweit nicht, da die Grundstücke – begriffsnotwendig – „immobil“ sind. Soweit die Länder bisher keine eigene Regelung getroffen haben, bleibt die Tarifnorm des vom Bund erlassenen GrEStG (§ 11 Abs. 1 GrEStG: 3,5 %) in Kraft (Art. 125a Abs. 1 GG).
248
Die wichtigste Verfassungsnorm zu den Gesetzgebungskompetenzen im Bereich des Steuerrechts stellt Art. 105 Abs. 2 GG. Danach hat der Bund die konkurrierende Gesetzgebung über die „übrigen Steuern“, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht(Alt. 1) oder die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG vorliegen(Alt. 2).
249
Ob die Steuern dem Bund ganz oder zum Teil zustehen, richtet sich nach Art. 106 Abs. 1 bzw Abs. 3 GG. Dies ist für die aufkommensstärksten Steuern der Fall, insb für die Einkommen- und Umsatzsteuer sowie die Energiesteuer, ferner auch für die Körperschaftsteuer.
250
Ob die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG vorliegen, ob also eine bundeseinheitliche Regelunghinsichtlich Steuerschuldner, Steuerbemessungsgrundlage und Steuersatz erforderlichist,[34] ist damit nur bei den Steuern zu prüfen, die allein den Ländern oder den Gemeinden und Gemeindeverbänden zufließen. Dies bestimmt sich nach Art. 106 Abs. 2 GG (zB Erbschaft- und Biersteuer, die allein den Ländern zustehen) und Art. 106 Abs. 6 GG (Grund- und Gewerbesteuer[35]).
251
Umstritten ist, wie der Begriff der „übrigen Steuern“im Sinne des Art. 105 Abs. 2 GG zu verstehen ist. Sind das nur solche Steuern oder Steuerarten, die das Grundgesetz kennt und deren Aufkommen es selbst (in seinem Art. 106 GG) verteilt? Oder darf der Gesetzgeber auch Steuern oder Steuerarten einführen, die sich nicht unter eine Steuer oder Steuerart im Sinne des Art. 106 GG subsumieren lassen? Damit ist die Frage eines freien Steuererfindungsrechts des Gesetzgebersangesprochen.
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