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Nach § 31d Abs. 1 Nr. 2 WpHG darf das Wertpapierunternehmen in Zusammenhang mit der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen, zu denen nach § 2 Abs. 3 Nr. 9 WpHG auch die Anlageberatung gehört, keine Zuwendungen von Dritten annehmen, es sei denn, Existenz, Art und Umfang der Zuwendung oder soweit sich der Umfang noch nicht bestimmen lässt, die Art und Weise seiner Berechnung, wird dem Kunden vor der Erbringung der Wertpapierdienstleistung oder Wertpapiernebendienstleistung in umfassender, zutreffender und verständlicher Weise deutlich offen gelegt.
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Um den Anlageberater als tauglichen „Churning-Täter“ qualifizieren zu können, muss auch dieser das Depotkonto des Anlegers beherrschen. Wurde dem Anlageberater vom Anleger eine Kontovollmacht zur Ausführung der freigegebenen An- oder Verläufe erteilt, ist davon auszugehen, dass er das Konto kontrolliert. Ebenfalls muss eine faktische Kontokontrolle des Anlageberaters bejaht werden, wenn dieser eigenmächtig in dem Konto handelt oder nach Widerruf der Handlungsvollmacht weiterhandelt.[35] Spricht der Anlageberater hingegen jedes einzelne Geschäft mit dem Anleger ab, kommt eine faktische Beherrschung nur in Betracht, wenn der Kunde kognitiv nicht in der Lage ist, Empfehlungen des Anlageberaters kritisch zu beurteilen und bei deren Ungeeignetheit zurückzuweisen.[36] Das Depotkonto kann demnach zum Beispiel faktisch beherrscht werden bei fehlender Börsenerfahrung, mangelnder Zeit zur Beobachtung des Depots, besonderem Vertrauen in den Anlageberater und dem dadurch bedingten blinden und unüberlegten Tätigen der Geschäfte.[37] Nur in diesen Fällen ist es im Hinblick auf die Phänomenologie des Churning unschädlich, dass der Anlageberater jede Kontobewegung vorab mit dem Anleger abspricht.
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IV. Die Anlagevermittlung
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§ 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 WpHG und § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 1 KWG definieren die Anlagevermittlung als „die Vermittlung von Geschäften über die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten (Anlagevermittlung)“. Konnte unter Zugrundelegung der Richtlinie 2004/39/EG[38] des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 im Anhang I Abschnitt A Nr. 1 der Begriff der Vermittlung hauptsächlich als eine Art Weiterleitungstätigkeit in Form von Annahme und Übermittlung von Aufträgen verstanden werden, stellt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht klar, dass von der Vermittlung ebenfalls die Zusammenführung von zwei Parteien zum Zwecke des Geschäftsabschlusses umfasst ist.[39] Das heißt, dass von Anlagevermittlung nur die Rede sein kann, wenn der, dessen Tätigkeit zu beurteilen ist, mit beiden Parteien des beabsichtigten Geschäfts in Verbindung tritt und zum Vertragsschluss beiträgt oder eben zwei Parteien zu dem zukünftigen Geschäft zusammenführt.[40] Dabei beschränkt sich das Tätigkeitsfeld des Anlagevermittlers auf den Vertrieb einer oder einer sehr begrenzten Anzahl von Kapitalanlagen.[41] Die Akquise funktioniert in zwei denkbaren Richtungen. Zum einen kann die Initiative vom Vermittler ausgehen, einem Anleger ein bestimmtes Produkt zu empfehlen oder der Anlageinteressent tritt an den Anlagevermittler mit dem Ziel heran, nähere Informationen über ein bestimmtes Produkt zu erhalten.[42] Der im Vordergrund stehende, werbende und anpreisende Charakter der Tätigkeit steht nicht der Pflicht entgegen festzustellen, ob die Anlageziele des Interessenten in Bezug auf Risiko und Rendite mit dem von ihm angebotenen Produkt korrespondieren.[43] Der Anlagevermittler hat den Anleger unter Berücksichtigung seiner Geschäftserfahrung und des Kenntnisstandes sowie der Komplexität des angebotenen Produktes, mit allen notwendigen Informationen in die Lage zu versetzen, die Risiken der Kapitalanlage zu erkennen.[44] Zur Abgrenzung der Anlagevermittlung von der Abschlussvermittlung gilt, dass der Anlagevermittler als Bote die Willenserklärung seines Kunden an den Veräußerer respektive den Erwerber der Finanzinstrumente übermittelt, wohingegen der Abschlussvermittler eine eigene Willenserklärung als Vertreter seines Kunden abgibt, weshalb ein zeitgleiches Vorliegen der beiden Dienstleistungen ausgeschlossen ist.[45] Als Faustformel gilt, dass wenn sich die Tätigkeit auf die Vermittlung von Anlagen beschränkt, es sich um Anlagevermittlung handelt; verfügt der Dienstleister aber zudem über eine entsprechende Abschlussvollmacht, handelt es sich um ein Fall der Abschlussvermittlung.[46]
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Nach alledem kann festgehalten werden, dass vor allem Finanzportfolioverwalter, Abschluss- und Anlagevermittler sowie Anlageberater Positionen bekleiden, die sie zumindest in die Lage versetzen, Anleger potentiell mittels Churning schädigen zu können.
[1]
BVerwG ZIP 2005, S. 385 (390); Assmann/Schütze- Schäfer § 23 Rn. 6 f.
[2]
KMRK- Kumpan § 2 WpHG Rn. 81.
[3]
Assmann/Schneider- Assmann § 2 Rn. 102b.
[4]
OLG Düsseldorf Urt. v. 30.9.2009 I-6 U 63/08; LG Düsseldorf Urt. v. 14.7.2010 16 O 81/08.
[5]
KMRK- Kumpan § 2 WpHG Rn. 80.
[6]
Assmann/Schneider- Assmann § 2 Rn. 103; Assmann/Schütze- Schäfer § 23 Rn. 1; Mölter wistra 2010, S. 53 (54).
[7]
Merkblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – Hinweise zum Tatbestand der Finanzportfolioverwaltung, Stand: Januar 2011, Gliederungspunkt 1 d).
[8]
Mölter wistra 2010, 53 (54); Schwintowski/Schäfer- Schäfer § 19 Rn. 28 f.; Assmann/Schütze- Schäfer § 23 Rn. 22; hält sich der Vermögensverwalter nicht an die vereinbarten Anlagestrategien, ist er zum Ersatz des dadurch entstandenen Schaden verpflichtet, vgl. BGH WM 2002, 1336; OLG Hamm Urt. v. 2.2.2012 34 U 122/10, I-34 U 122/10 und LG Itzehoe Urt. v. 26.4.2012 7 O 262/09.
[9]
Assmann/Schütze- Schäfer § 23 Rn. 22.
[10]
Siehe dazu nur Kümpel/Wittig- Seyfried Rn. 3.147, Balzer ZBB 2007, 333 (338 ff.).
[11]
Assmann/Schütze- Schäfer § 23 Rn. 6; Schimansky/Bunte/Lwowski- Kienle § 111 Rn. 1; Assmann/Schneider- Assmann § 2 Rn. 104.
[12]
Birnbaum wistra 1991, 253 (256).
[13]
Für die herausragende Bedeutung dieser Abgrenzung in Bezug auf die daraus resultierenden Pflichten sich in der Anmerkung zu BGH NJW 2001, 962 aussprechend Balzer ZIP 2001, 232.
[14]
Vgl. OLG München WM 1994, 1424 (1425); Schimansky/Bunte/Lwowski- Klanten § 72 Rn. 4.
[15]
Assmann/Schütze- Schäfer § 23 Rn. 14.
[16]
Assmann/Schütze- Schäfer § 23 Rn. 9.
[17]
Benicke S. 52 f.
[18]
Assmann/Schütze- Schäfer § 23 Rn. 11.
[19]
Balzer S. 42 ff.; Benicke S. 176 ff., 192 ff.; Hopt in: FS R. Fischer, S. 237 (239 f.); Sethe S. 99 f.; Roll S. 48 ff.
[20]
Merkblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – Hinweise zum Tatbestand der Abschlussvermittlung, Stand: Dezember 2009, Gliederungspunkt 2 b); Assmann/Schneider- Assmann § 2 Rn. 78; Schimansky/Bunte/Lwowski- Fischer § 127 Rn. 19, 34.
[21]
Merkblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – Hinweise zum Tatbestand der Abschlussvermittlung, Stand: Dezember 2009, Gliederungspunkt 2 c).
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